Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Söder und Kretschman­n appelliere­n an ihre Amtskolleg­en

Zwischen Bund und Ländern verschärft sich der Ton. Gesundheit­sexperten kritisiere­n das Verhalten und fordern einen harten Lockdown.

- VON JAN DREBES UND BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Im Kampf gegen die CoronaPand­emie kehrt derzeit keine Ruhe ein zwischen Bund und Ländern. Nun fordern Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschman­n (Grüne) in einem gemeinsame­n Brief ihre 14 Ministerpr­äsidenten-Kollegen zu einer strikten Anti-Corona-Politik mit einer konsequent­en Umsetzung der Notbremse in Hotspots auf, auch mit nächtliche­n Ausgangsbe­schränkung­en. Zudem plädieren die Regierungs­chefs von Bayern und Baden-Württember­g für eine Corona-Testpflich­t an den Schulen nach den Osterferie­n. „Die dritte Welle rollt seit einigen Wochen unerbittli­ch über das Land. Die Lage ist ernst, ernster, als viele glauben“, heißt es in dem Brief, der unserer Redaktion vorliegt. „Wir müssen daher unsere Verantwort­ung jetzt wahrnehmen und dürfen nicht länger diskutiere­n. Das Virus verzeiht keine Verzögerun­gen“, mahnen Söder und Kretschman­n.

„Alle Instrument­e, wie wir das Virus bekämpfen können, sind vorhanden – vor allem sind sie gemeinsame Beschlussl­age“, betonen die beiden Ministerpr­äsidenten. „Getragen von einem einheitlic­hen Geist gilt es jetzt, die Notbremse ohne weiteres Überlegen und Zögern konsequent umzusetzen. Hierzu gehören nächtliche Ausgangsbe­schränkung­en und adäquate

Kontaktbes­chränkunge­n bei einer Inzidenz über 100 sowie eine konsequent­e FFP2-Maskenpfli­cht und Tests.“Für die Zeit nach den Osterferie­n fordern beide, man müsse sich über einheitlic­he Regelungen verständig­en, „insbesonde­re über eine Testpflich­t an den Schulen“.

Mit ihrem Brief setzen sich Söder und Kretschman­n an die Spitze der Regierungs­chefs in den Ländern, inszeniere­n sich als diejenigen, die hart durchgreif­en – anders als Armin Laschet, der zuletzt zögerliche­r aufgetrete­n war und sich gegen Kritik von Kanzlerin Angela Merkel wehrte. Sie hatte ihm vorgeworfe­n, als NRW-Ministerpr­äsident gegen die Beschlüsse der Notbremse zu verstoßen. Söder dazu am Dienstag:

„Ich finde es auch sehr seltsam, wenn der CDU-Vorsitzend­e mit der CDU-Kanzlerin ein halbes Jahr vor der Wahl streitet.“Corona sei überall gleich. „Also müssen wir es auch einheitlic­h bekämpfen.“

Kritik an dem Zoff zwischen Bund und Ländern kommt vor allem von Experten aus dem Gesundheit­swesen. Der neue Vorstandsv­orsitzende der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft (DKG), Gerald Gaß, sagte unserer Redaktion: „Die derzeitige politische Kommunikat­ion sorgt weder für Glaubwürdi­gkeit noch für Vertrauen in der Öffentlich­keit. Wenn der eine Ministerpr­äsident vor Inzidenzra­ten von 700 warnt und der andere sein gesamtes Bundesland zum Modellvers­uch erklärt, ist das aus meiner Sicht das genaue Gegenteil dessen, was die Bürgerinne­n und Bürger von der Politik erwarten dürfen“, kritisiert­e Gaß und nahm zudem Mediziner in den Blick. „Ich bin auch davon überzeugt, dass die Schreckens­szenarien, die aus dem Bereich der Intensivme­dizin seit Tagen verbreitet werden, weder in der Politik noch in der Bevölkerun­g zu den damit wahrschein­lich beabsichti­gten

Auszug aus dem Brief von Söder und Kretschman­n Reaktionen führen werden.“Die Krankenhäu­ser würden nicht unmittelba­r vor einer totalen Überlastun­g stehen, sagte Gaß.

Doch führende Intensivme­diziner halten dagegen. „Seit Mitte März sind unterm Strich 1000 Intensivpa­tienten zusätzlich in den Krankenhäu­sern gelandet. Wenn sich diese Geschwindi­gkeit fortsetzt, sind wir in weniger als vier Wochen an der regulären Kapazitäts­grenze angelangt“, sagte der wissenscha­ftliche Leiter des Divi-Intensivre­gisters, Christian Karagianni­dis. „Derzeit sind noch 1500 bepflegbar­e Intensivbe­tten für Covid frei. Wir malen keine Schreckens­bilder, unsere Warnungen sind von den Zahlen gedeckt“, sagte Karagianni­dis.

„Das Virus verzeiht keine Verzögerun­gen“

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Ein Astrazenec­a-Aufkleber klebt in einem Impfpass.

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