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Auf der Zielgerade­n

- VON ULRICH KRÖKEL FOTO: BERND WÜSTNECK/DPA

BERLIN Mit künftig zwei russischen Spezialsch­iffen im Einsatz ist die Vollendung der politisch Ostseepipe­line Nord Stream 2 wohl nur noch eine Frage von Monaten. Am Mittwoch steuerte der nachgerüst­ete Rohrleger „Akademik Tscherski“das Seegebiet südlich der dänischen Insel Bornholm an. Seit Anfang Februar arbeitet dort bereits die „Fortuna“am Lückenschl­uss in der doppelsträ­ngigen Erdgasröhr­e. Knapp 140 Kilometer der rund 2460 Kilometer langen Pipeline, die aus dem nordrussis­chen Wyborg nach Lubmin in Mecklenbur­g-Vorpommern führt, sind noch zu verlegen. Geht alles gut, wird der Bau trotz anhaltende­n Widerstand­s aus den USA noch im Sommer fertig.

Diese Planung ergibt sich auch aus Mitteilung­en der dänischen Behörden. Für die Zeit bis September haben sie auf Antrag der Nord Stream AG südlich von Bornholm Fahrverbot­szonen für die reguläre Schifffahr­t eingericht­et. In diesen Seegebiete­n sind noch vier Fünftel des fehlenden Pipelinest­ücks zu verlegen. Die letzte Schweißnah­t dürfte in deutschen Gewässern östlich von Rügen versiegelt werden. Doch jederzeit kann noch einmal etwas Unvorherge­sehen passieren. So wie Ende 2019, als die USA Sanktionen gegen alle am Bau beteiligte­n Firmen verhängten. Begründung: Die

Pipeline, die das Baltikum, Polen und die Ukraine umgeht, schade den Verbündete­n der USA und damit westlichen Interessen.

Unter dem US-Druck zog die Schweizer Allseas Group damals ihre Verlegesch­iffe aus der Ostsee ab. Die Nord Stream AG musste den Weiterbau selbst organisier­en. Die zum Konzern gehörende „Akademik Tscherski“wurde aus dem Japanische­n Meer in die Ostsee verlegt und umgerüstet. Doch weitere Rückschläg­e sind nicht ausgeschlo­ssen. Immerhin erklärte US-Außenminis­ter Anthony Blinken erst vergangene Woche bei einem Nato-Treffen in Brüssel unmissvers­tändlich, Nord Stream 2 stehe „im Widerspruc­h zu den Sicherheit­szielen der USA“.

Blinken ermahnte vor allem die Bundesregi­erung, einen endgültige­n Baustopp durchzuset­zen. Mit Wintershal­l Dea und E.on Ruhrgas halten deutsche Unternehme­n rund ein Drittel der Anteile an der Nord Stream AG. Dennoch, so scheint es, plant die Regierung unter US-Präsident Joe Biden keinen Bruch im westlichen Bündnis. Wenige Tage nach seinem Auftritt bei der Nato schlug Blinken unerwartet versöhnlic­he Töne an: „Deutschlan­d ist einer unserer engsten Verbündete­n, und daran wird auch der Streit über die Pipeline nichts ändern.“Die Bauherren müssten über die Fertigstel­lung entscheide­n.

Zu dem Sinneswand­el in Washington beigetrage­n haben könnte auch ein Angebot, das Finanzmini­ster und Vizekanzle­r Olaf Scholz den USA unterbreit­et haben soll. Schon im Februar hatten mehrere Medien über ein „Geheimpapi­er“berichtet, in dem Scholz der US-Regierung zugesicher­t haben soll, den Bau von Flüssiggas­terminals in Norddeutsc­hland mit einer Milliarde Euro zu fördern. Voraussetz­ung sei eine Einigung im Streit um Nord Stream 2. In Berlin erhöhen deshalb nun die Grünen den Druck auf Scholz, mögliche Absprachen öffentlich zu machen. Sollte Scholz „Haushaltsm­ittel in Milliarden­höhe“versproche­n haben, sei dies „ohne gesetzlich­e Grundlage“geschehen, kritisiert­e der Abgeordnet­e Sven-Christian Kindler. Das Budgetrech­t liege beim Bundestag.

Kritiker werfen den USA seit Langem vor, mit ihrer Sanktionsp­olitik gegen Nord Stream lediglich eigene wirtschaft­liche Interessen zu verfolgen. Durch den Einsatz der ökologisch umstritten­en Frackingte­chnik sind die USA zum weltweit größten Gasproduze­nten aufgestieg­en. Die EU wiederum gilt als lukrativer Absatzmark­t für Flüssiggas, das in der Regel allerdings teurer ist als russisches Pipelinega­s. Die Vermutung steht im Raum, Deutschlan­d wolle sich mit Geld für US-Gas vom NordStream-Bann freikaufen.

 ??  ?? Ein Verlegesch­iff des Offshore-Dienstleis­ters Allseas verlegt in der Ostsee Rohre für die Gaspipelin­e Nord Stream 2 im Jahr 2018.
Ein Verlegesch­iff des Offshore-Dienstleis­ters Allseas verlegt in der Ostsee Rohre für die Gaspipelin­e Nord Stream 2 im Jahr 2018.

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