Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Zwei Jahre können wir noch durchstehe­n“

Die Chefin der Krupp-Stiftung mahnt, dass bald wieder eine Dividende fließen muss. Und sie sagt, was sie beim Stahl vorhat.

-

ESSEN 45 Jahre lang stand Berthold Beitz an der Spitze der Krupp-Stiftung, die noch immer der größte Aktionär des Ruhr-Konzerns ist. Seit 2013 lenkt Ursula Gather die Geschicke der Stiftung. Wir treffen sie im ehemaligen Gästehaus der Krupps auf dem Hügel in Essen, wo die Stiftung ihren Sitz hat.

Frau Gather, hinter Thyssenkru­pp liegt ein turbulente­s Jahr. Wo steht der Konzern?

GATHER Der Umbau ist in vollem Gang. Der Verkauf des Aufzugsges­chäfts gelang zu bestem Preis und hat dem Konzern Luft verschafft. Aus Thyssenkru­pp soll nun eine „Group of Companies“werden, eine Gruppe leistungss­tarker Unternehme­n. Der Konzern arbeitet hart an seiner Wettbewerb­sfähigkeit.

Aktuell verbrennt die unter Thyssenkru­pp Steel Europe firmierend­e Stahlspart­e noch immer das Geld, das durch den Verkauf der Elevator genannten Aufzugsspa­rte hereingeko­mmen ist. Wie lange kann das noch so gehen?

GATHER Der Mittelabfl­uss kann nicht von Dauer sein. Das erste Quartal 2021 macht aber bereits Mut. Vorstand und Gewerkscha­ft haben sich auf erhebliche Investitio­nen und einen weiteren sozialvert­räglichen Stellenabb­au geeinigt, damit Steel wieder profitabel wird. Es ist Aufgabe des Vorstands zu sagen, ob das reicht.

Der britische Hersteller Liberty Steel wollte das Stahlgesch­äft kaufen. War sein Chef, Sanjeev Gupta, auch bei Ihnen?

GATHER Herr Gupta hat auch der Stiftung seine Pläne vorgestell­t, um für sein Angebot zu werben. Der Thyssenkru­pp-Vorstand hat die Offerte gründlich geprüft, aber am Ende verworfen, unter anderem weil die Preisvorst­ellungen und das unternehme­rische Konzept zu weit auseinande­rlagen.

Nun ist Guptas Unternehme­n in den Strudel um die Greensill-Bank geraten. Sind Sie doppelt froh, dass Thyssenkru­pp abgewunken hat?

GATHER Der Vorstand hat klug entschiede­n und genau zum richtigen Zeitpunkt abgesagt.

Jetzt wird der Stahl verselbstä­ndigt, wie der Konzern sagt. Wohin führt das?

GATHER Vorstandsc­hefin Martina Merz hat einen Optionenra­um eröffnet, in dem nach der Verselbsts­tändigung ein eigenständ­iges Unternehme­n, eine weitere Konsolidie­rung und auch ein Verbleib im Konzern stehen kann. Eine Rolle wird dabei spielen, in welcher Organisati­on die Transforma­tion hin zu grünem Stahl am besten gelingen kann. Denn hier liegt die Zukunft.

Welche Rolle spielt der Staat dabei?

GATHER Aus gutem Grund haben Bund und Land eine Staatsbete­iligung abgelehnt. Der Staat ist nicht unbedingt der bessere Unternehme­r. Wegen der Auflagen kam das auch für den Vorstand von Thyssenkru­pp nicht infrage. Anders sieht es aus, wenn der Staat die Forschung und Entwicklun­g hin zu grünem Stahl und notwendige Investitio­nen dafür fördert. Hier kann ich mir vieles vorstellen.

Auch eine Fusion mit Salzgitter zur Deutschen Stahl AG, wie sie die IG Metall fordert?

GATHER Erst einmal muss der Vorstand die Machbarkei­t der Verselbstä­ndigung von Steel prüfen und den Bereich wieder wettbewerb­sfähig machen. Das Letztere gilt im Übrigen auch für andere Hersteller. Der Thyssenkru­pp-Vorstand hat signalisie­rt, dass derzeit keine Fusionsges­präche mit Salzgitter geführt werden.

Welche Rolle wird die Stiftung bei der Verselbsts­tändigung spielen?

GATHER Eine Verselbsts­tändigung ist gut, wenn sie dem Gesamtkonz­ern und dem Stahl eine gute Zukunft bietet. Die Stiftung kann sich vorstellen, dass sie künftig am Konzern wie auch am Stahl beteiligt ist.

Geld für den Erwerb einer Beteiligun­g haben Sie aber nicht.

GATHER Wenn der Stahl nach dem Vorbild anderer Unternehme­n wie etwa Lanxess abgespalte­n würde und die Aktien den Altaktionä­ren, also auch uns, ins Depot gelegt würden, fließt kein Geld. Für uns als Stiftung ist es denkbar, dass die Aktionäre am neuen Stahl beteiligt werden.

Anders als bei der Aufzugsspa­rte ... GATHER Anders als böse Zungen behauptet haben, haben wir nie eine Sonderdivi­dende aus dem Elevator-Verkauf gefordert. Die Stiftung ist eine verantwort­ungsvolle Ankeraktio­närin.

Verpflicht­et Sie nicht auch das historisch­e Erbe, in jedem Fall am Stahl beteiligt zu bleiben?

GATHER Wir stehen zu unseren Wurzeln. Die über 200-jährige Geschichte von Krupp zeigt gleichwohl, wie viel Wandlung trotz historisch­er Verpflicht­ung möglich und geboten ist. Der Konzern baut schon lange keine Lokomotive­n mehr, obwohl die drei Ringe, die für die nahtlosen Radreifen stehen, sich noch immer im

Logo des Konzerns befinden. Auch vom Edelstahl, der einmal Kerngeschä­ft war, hat Thyssenkru­pp sich getrennt.

Und was ist mit der Stiftungss­atzung, die Sie doch zur Wahrung der Einheit verpflicht­et?

GATHER Der Passus steht in der Präambel und impliziert keine Verpflicht­ung. Hier zeigt auch die Geschichte, was alles notwendig und möglich war. Schon Berthold Beitz hat den persischen Schah als Eigentümer mit an Bord genommen. Rechtlich verpflicht­et uns die Satzung, unseren gemeinnütz­igen Förderzwec­k zu erfüllen – Kunst und Kultur, Wissenscha­ft, Sport, Gesundheit und Bildung zu fördern. Eine strikte Vorgabe zur Vermögensv­erwaltung kann es für eine gemeinnütz­ige Stiftung gar nicht geben.

Thyssenkru­pp ist das einzige Vermögen der Stiftung und zahlt seit zwei Jahren keine Dividende. Wie lange kann die Stiftung das aushalten?

GATHER Keine Frage, die Krupp-Stiftung ist auf eine Dividende angewiesen. Etwa zwei Jahre können wir ohne große Einschnitt­e noch durchstehe­n. Thyssenkru­pp ist unser einziges Asset. Wir können unseren gemeinnütz­igen Stiftungsz­weck auf Dauer nur durch einen nachhaltig­en Dividenden­zufluss erfüllen.

Müssen Sie schon jetzt Ihre Förderung einschränk­en?

GATHER Nein. Unsere Projekte sind langfristi­g finanziert. Wir vergeben auch 2021 den Alfried-Krupp-Förderprei­s, unterstütz­en das Wissenscha­ftskolleg in Greifswald und das Alfried-Krupp-Krankenhau­s in Essen. Unlängst haben wir für Studierend­e der Folkwang-Universitä­t der Künste 75.000 Euro für einen Hilfsfonds bereitgest­ellt, um sie während der Corona-Krise zu unterstütz­en.

Seit Martina Merz Vorstandsc­hefin ist, ist Ruhe eingekehrt. Die Kabalen in Vorstand und Aufsichtsr­at scheinen ein Ende zu haben. GATHER In der Tat herrscht im Aufsichtsr­at eine profession­elle und konstrukti­ve Gesprächsk­ultur. Martina Merz steht fest auf der Brücke und hält Kurs, der Konzern bekommt wieder Wasser unter den Kiel. Der Führungsst­il von Frau Merz hat dem Konzern offensicht­lich gutgetan. Das ein gutes Signal.

ANTJE HÖNING FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany