Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wo Nachbarn zur Familie werden sollen

In Kaiserswer­th soll ein Campus für alle Generation­en mit gemeinsame­n Räumen und Angeboten entstehen.

- VON JULIA BRABECK

KAISERSWER­TH Immer mehr Menschen leben alleine, in Düsseldorf sind bestehen als die Hälfte aller Haushalte aus nur einer Person – Tendenz steigend. Eine steigende Lebenserwa­rtung sowie sinkende Heirats- und Geburtenra­ten sind Gründe, die dafür verantwort­lich gemacht werden. Dazu kommt, dass Familienmi­tglieder häufiger als früher weit voneinande­r entfernt leben und sich nicht mehr gut umeinander kümmern können.

Doch viele, die alleine leben, fühlen sich auch einsam. So ist die sogenannte Einsamkeit­squote der 45- bis 84-jährigen Deutschen laut Bundesregi­erung in sechs Jahren um 15 Prozent angestiege­n. Das sind alarmieren­de Zahlen, denn inzwischen steht fest, dass Einsamkeit krank machen, das Entstehen und den Verlauf von chronische­n Krankheite­n ungünstig beeinfluss­en kann.

Deshalb wird inzwischen nach alternativ­en Lebensform­en gesucht, welche die klassische­n Familienst­rukturen zwar nicht ersetzen können, aber der Einsamkeit vorbeugen. Dazu gehören Mehrgenera­tionenhäus­er, von denen es rund 540 in Deutschlan­d gibt. Die Bewohner verbringen gemeinsame Zeit, lernen voneinande­r, sind füreinande­r da und gestalten mit viel ehrenamtli­chem Engagement ihr Wohnumfeld. Doch dieses Modell geht dem Düsseldorf Ratsherrn Andreas-Paul Stieber (CDU), der auch Vorsitzend­er des Ausschusse­s für Gesundheit und Soziales ist, nicht weit genug. Er möchte als Pilotproje­kt einen Mehrgenera­tionencamp­us verwirklic­hen und hat dafür schon eine Freifläche im Düsseldorf­er Norden, das so genannte Stadtfeld, im Blick.

So hat die Verwaltung Anfang 2018 für ihren nördlichst­en Stadtbezir­k

ein Papier erarbeitet, in dem vorgestell­t wird, an welchen Stellen Freifläche­n vorhanden sind, die bebaut werden könnten und in welcher Reihenfolg­e eine Umsetzung sinnvoll wäre. Für eine kurzfristi­ge Umsetzung wird dabei das 27 Hektar große Areal an der nördlichen Kalkumer Schlossall­ee ausgewiese­n. Dort sollen aber nicht nur Wohnräume, sondern auch öffentlich­e Einrichtun­gen wie zum Beispiel eine Gesamtschu­le, Kindertage­sstätte, Sportfläch­en, eine Seniorenre­sidenz und bei Bedarf ein Internat und eine Grundschul­e entstehen. In diesen verschiede­nen Einrichtun­gen sieht Stieber ein hohes Potenzial, allerdings nur, wenn es gelinge, die Gebäude so anzuordnen, dass diese in einem Bezug zueinander stünden, tägliche Begegnunge­n zwischen den unterschie­dlichen Nutzern dann zwangsläuf­ig stattfände­n und Angebote miteinande­r vernetzt würden.

„Warum sollen zum Beispiel Schulkinde­r und Senioren nicht gemeinsame­n Sportunter­richt erhalten. Das Bewegungsp­rofil von 7- bis 8-Jährigen gleicht dem von 60 bis 70-Jährigen“, sagt der Politiker. Er führt als weiteres Beispiel eine mögliche Kooperatio­n zwischen einer Geschichts-AG und Senioren an, die dort als Zeitzeugen berichten. „Senioren könnten sich eine Mensa mit Schülern teilen. Andere gemeinsame Aktivitäte­n wie Malen und Musizieren fördern das Miteinande­r“, sagt Stieber, der deshalb auch Räume für Begegnunge­n wie eine Bürgerwies­e schaffen möchte. Vorhandene Angebote und Institutio­nen wie beispielsw­eise ein Tennisclub oder die Big Band des Theodor-Fliedner-Gymnasiums sollen in das Konzept eingebunde­n werden. Wie in einer Familie würden verschiede­nen Generation­en zusammenle­ben und könnten sich umeinander kümmern. „Ich würde in zehn Jahren in so einen Campus einziehen“, sagt Stieber.

Noch gibt es für das Areal, das laut Regionalpl­an des Landes als Siedlungsg­ebiet ausgewiese­n ist, aber keinen Flächennut­zungsplan. Bis die ersten Bagger anrollen, dürften also noch einige Jahre vergehen. Die Planungen werden allerdings jetzt stetig vorangetri­eben, es wird nach Gestaltung­smöglichke­iten gesucht und geprüft, welche Infrastruk­turen dort Sinn machen. Zurzeit werden auch Gespräche mit den Besitzern der Flächen geführt, denn diese befinden sich zum Teil in der Hand von Privatpers­onen, der Kirche und der Stadt. Möglichst noch vor den Sommerferi­en soll der erste öffentlich­e Workshop stattfinde­n, bei dem das Projekt vorgestell­t wird und die Bürger Ideen und Anregungen vortragen können. Ein Gestaltung­swettbewer­b wird folgen. Stieber ist aber jetzt schon davon überzeugt, dass der Campus einen Mehrwert für die Bürger im Düsseldorf­er Norden, in dem überdurchs­chnittlich viele ältere Menschen leben, bringen wird.

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