Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Würzige Wurzel
Meerrettich gehört für viele zu herzhaften Fleischgerichten dazu. Aber auch vegetarische Gerichte lassen sich damit verfeinern.
Schön sehen sie nicht gerade aus, diese großen, meist krummen weißen Wurzeln. Aber bearbeitet man sie erst, schneidet sie in Scheiben oder reibt sie, entfalten sie ihren unverkennbaren Duft, ihre Schärfe, ihr etwas brennendes Aroma, das einem sofort in die Nase steigt und diese frei macht. In Bayern und anderen südlichen Gefilden gehört Meerrettich – oder Kren, wie er unter anderem in Österreich genannt wird – zur Brotzeit und zu herzhaften Fleischgerichten dazu. Man kann ihn sogar in Scheiben knabbern als kalorienarme Chips. Kleiner Tipp: Ihn vorher mit etwas Salz bestreuen und „weinen“lassen, dann wird er etwas milder. Oder man reibt ihn fein und isst ihn wie Senf zur Wurst oder zu kaltem Braten. Auch zu gebeiztem Lachs entfaltet er seinen eigenwilligen Geschmack. Man kann ihn aber auch Salatsoßen hinzufügen oder Suppen damit verfeinern.
Meerrettich ist dabei nicht nur lecker, sondern gilt auch als Heilpflanze. Schon lange, bevor er Ende des 16. Jahrhunderts in den Küchen der Welt eingesetzt wurde, kannte man seine heilsame Wirkung. Wegen seines hohen Vitamin-C-Gehalts aß man ihn etwa vorbeugend gegen Skorbut. Man benutzt ihn auch heute noch als entzündungshemmendes Mittel gegen Atemwegs- und Harnwegsinfektionen. Er gilt als schleimlösend, er fördert die Durchblutung und stärkt das Immunsystem, wie das „Zentrum für Gesundheit“darlegt. Die Plattform verweist auf wissenschaftliche Studien, nach denen der Meerrettich aufgrund seiner bakterienhemmenden Wirkung als natürliches Breitbandantibiotikum bezeichnet wird, als „Antibiotikum aus dem Garten“oder „Penicillin der Bauern“.
Vom Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim ist der Meerrettich wegen seiner gesundheitsfördernden Wirkung zur „Heilpflanze des Jahres 2021“gekürt worden. Der Schweizer Arzt und Naturphilosoph Von Hohenheim, besser bekannt als Paracelsus (1493–1541), wird den Meerrettich selbst schon gegessen haben, denn zum Würzen von Speisen wurde er bereits im Mittelalter verwendet. Auf der Website des Vereins findet man einige praktische Anwendungsmöglichkeiten der Heilpflanze. Und ihre lange Geschichte: Die älteste Schrift, in der Meerrettich erwähnt wird, „De agri cultura“(Über die Landwirtschaft), stammt von Marcus Porcius Cato (234– 149 v. Chr.), dem römischen Feldherrn, der auch Geschichtsschreiber, Schriftsteller und Staatsmann war. Auch der Aberglaube machte vor dem Meerrettich nicht Halt: Angeblich wurde ein Portemonnaie, in das man eine Scheibe der Wurzel legte, nie leer.
Botanisch betrachtet zählt der Meerrettich zur Familie der Kreuzblütengewächse. Deshalb ist er mit Brokkoli, Rotkohl, Kresse und Senf verwandt. Die wenigsten werden die Meerrettichpflanze jemals bewusst auf einem Feld gesehen haben. Es handelt sich um eine krautige, ausdauernde und winterharte Pflanze, die bis zu zwei Meter groß werden kann. Zum Kochen verwendet man nur den unterirdischen Teil, die rund 40 Zentimeter lange Pfahlwurzel.
Meist wird der Meerrettich im März gepflanzt. Dann wächst er den Sommer über und wird ab Oktober manchmal bis ins Frühjahr hinein geerntet. Die wichtigsten Anbaugebiete in Deutschland liegen in Mittelund Oberfranken (Bayern), in
Baden und im Spreewald. Aber auch in China, Südafrika und Südaustralien findet man ihn.
Der Name Kren stammt übrigens aus dem slawischen Sprachraum: „Krenas“bedeutet auf Altslawisch „weinen“– ein passender Name für eine Wurzel, die einem beim Reiben die Tränen in die Augen treibt. Seine Schärfe erhält der Meerrettich dank der enthaltenen Senföle, die sich aber erst entfalten, wenn die Wurzel auf irgendeine Art zerkleinert wird. Senföle haben eine schleimhautreizende Wirkung. Um diese zu mildern, kann man den Meerrettich vor dem Verarbeiten 30 Minuten in Wasser einlegen.
Beim Kauf einer Wurzel sollte man darauf achten, dass die Schale möglichst unversehrt und sauber ist. Ob krumm oder gerade, spielt eher eine ästhetische Rolle. Besser ist es, auf jeden Fall eine ganze Wurzel und keine Stücke zu kaufen, denn sobald sie aufgeschnitten ist, wird sie schnell gräulich und verliert den Geschmack. Im Gemüsefach des Kühlschranks hält sich der Meerrettich bis zu vier Wochen, wenn er weder geschält noch angeschnitten wurde. Nachdem die Stange angeschnitten wurde, sollte man sie innerhalb von zwei Wochen verbrauchen. Man kann Meerrettich aber auch gut einfrieren. Man sollte ihn waschen und abtrocknen. Dann kann man ihn ganz lassen (sofern man den Platz dafür hat) oder ihn zerkleinern.
Geriebener oder geschnittener Meerrettich verliert schnell seine weiße Farbe und nimmt einen Grautton an. Das liegt daran, dass die Zellstrukturen aufgebrochen werden und Sauerstoff in die Zellen eintritt. Wenn man den Kren mit Zitronensaft oder Essig beträufelt, kann man dies verhindern. Das enthaltene Vitamin C wirkt der Oxidation entgegen. Deshalb sollte man am besten einen Vitamin-C-haltigen Essig wie Apfelessig verwenden.
Wie schon erwähnt, passt Meerrettich wunderbar zu herzhaften Fleischgerichten, Wurst, Schinken oder Tafelspitz. Man kann ihn einfach frisch gerieben servieren, denn manche mögen’s scharf. Bevor es in unseren Regionen Pfeffer gab, verwendete man Meerrettich oder Senf zum Schärfen von Gerichten. Man kann die weiße Wurzel aber auch mit etwas Sahne verfeinern. Das ist Geschmackssache. Übrigens handelt es sich bei rosa Meerrettich, den es im Glas zu kaufen gibt, nicht wirklich um eine rosa Sorte, sondern die weiße Wurzel wurde nur mit Rote Bete angereichert. Auch Wasabi, der oft als Grüner oder Japanischer Meerrettich bezeichnet wird, ist eigentlich keine Meerrettichsorte, auch wenn er zur Familie der Kreuzblütler gehört und ebenfalls eine gehörige Schärfe besitzt.
Meerrettich eignet sich ebenfalls hervorragend zu vegetarischen und veganen Gerichten, gibt ihnen einen gewissen Pepp und eine scharfe Note. Man kann Dips kreieren oder geriebenen Meerrettich einmal im Smoothie probieren. Der Geschmack ist verblüffend. „Entscheidend ist, den Meerrettich erst am Ende des Kochvorgangs zum Essen zu geben, da sich sonst die Senföle und somit sein tolles Aroma verflüchtigen“, rät das „Zentrum für Gesundheit“.
Ein weiterer Namen des Meerrettichs lautet übrigens Pferdewurzel. Wer den englischen Namen „horseradish“kennt, wird sich darüber nicht wundern. Doch das liegt nicht daran, dass Pferde die Wurzel gerne fressen. Etymologisch betrachtet bedeutete „horse“früher nicht Pferd, sondern „groß, stark“. Groß ist diese Wurzel tatsächlich, und sie kann uns zum Weinen bringen.