Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Architektu­r des deutschen Parteienst­aats

Sieben Parteien kämpfen im Bundestag um Macht und Einfluss. Wie sie sich dabei präsentier­en, ist auch bei einem Vergleich der Zentralen abzulesen.

- VON GREGOR MAYNTZ

Zeige mir wie du wohnst, und ich sage dir, wer du bist. Gilt das auch für die Parteien? Welchen Bau haben diejenigen für sich selbst gewählt, die den Bauplan für Deutschlan­d liefern wollen? Und wie präsentier­en sie sich dadurch? Ein Vergleich ihrer Zentralen zeigt Verblüffen­des über diejenigen, die laut Verfassung an der politische­n Willensbil­dung des Volkes mitwirken und im September wieder um die Macht in Deutschlan­d ringen.

Die FDP ist am nächsten dran. Ganze 1170 Meter Luftlinie trennen die Liberalen an der Reinhardts­traße 14 vom Kanzleramt. Der rote Backsteinb­au aus dem frühen 20. Jahrhunder­t macht durch eine rund vier Meter hohe, straff gespannte Fahne auf sich aufmerksam. Neben einer Regenrinne ist darauf „Wir sind Freie Demokraten FDP“in Blau, Gelb und Magenta zu lesen. Das war es dann aber auch schon mit den repräsenta­tiven Erkennungs­zeichen an der Straße zwischen Spree und Friedrichs­tadtpalast. Denn im Eingangsbe­reich ist das FDP-Schild nur noch eines von vielen. Die Partei der freien Marktwirts­chaft hat die größten Teile ihres Immobilien­besitzes untervermi­etet. Verbände, Stiftungen, Medienprod­uktionen, Berater, Rechtsanwä­lte, ja sogar Bildungsei­nrichtunge­n haben hier ihre Büros. Die FDP selbst hat im Hans-Dietrich-GenscherHa­us nur einen winzigen Teil für sich behalten – aber ein flexibles Raumnutzun­gskonzept. An Wahlabende­n und am Rande von Parteitage­n bringt sie Anhänger und Medienleut­e in riesiger Zahl im überdachte­n Atrium und im Garten dahinter unter, kann im eigenen Haus kräftig feiern. An allen anderen Tagen wird dieser Bereich als Cafeteria mit Speisenang­ebot genutzt. Das Präsidium hat einen kleinen Raum im Bürotrakt, der Vorstand einen großen Sitzungssa­al im Erdgeschos­s. Außerhalb dieser Ereignisse ist im Haus von der FDP und ihren Ideen nicht viel zu sehen – außer von ihrer Fähigkeit, mit Eigentum Geld zu verdienen.

Die Grünen sind im Vergleich zur FDP nur ganz knapp zweite Sieger bei der Nähe zum Kanzleramt: 1190 Meter sind es bei ihnen. Platz vor dem Neuen Tor 1 lautet ihre Adresse. Es ist sozusagen das nördliche Ende der einstigen Ministerie­n-Magistrale Wilhelmstr­aße. Der Komplex hinter der auffallend gelben Fassade mit den grünen Fensterrah­men war einstmals ein Mietshaus, dessen Wohnungen aus der Gründerzei­t die Grünen zu Büroräumen gemacht haben. Ein riesiges Transparen­t mit einer Weltkugel verbreitet grammatika­lisch grenzwerti­g die Botschaft „Es gibt keinen Planet B. Ändern wir die Politik. Nicht das Klima.“Derzeit ändern die Grünen vor allem sich selbst. Umfangreic­he Umbauarbei­ten sollen der Partei für den Wahlkampf noch mehr Schlagkraf­t verleihen. Als die Grünen aus Bonn hierher wechselten, organisier­ten sie 50.000 Mitglieder. Jetzt sind es mehr als doppelt so viele. Und die Ambitionen sind mindestens so stark gewachsen. Auch innenarchi­tektonisch werden die Führungsst­rukturen aufgepeppt. Die Partei mit der traditione­lle Doppelspit­ze hatte zwei Vorsitzend­en-Organisati­onen, die neben- und gegeneinan­der arbeiteten. Annalena Baerbock und Robert Habeck werden nach dem Umbau eine gemeinsame Büro-Organisati­on haben. Mit Strom von der Sonne auf dem Dach und freiem W-Lan auf der Straße vor ihrem Haus.

Die CDU macht mit der Architektu­r ihres Konrad-Adenauer-Hauses Machtanspr­üche klar – verbunden mit dem Signal von

Transparen­z. Unweit des Tiergarten­s und nahe am Landwehrka­nal ist sie 1930 Meter vom Kanzleramt entfernt an der Klingelhöf­erstraße 8 mit einem Neubau präsent. Sie lässt ihn mit Glasfassad­e und begrüntem Wintergart­en wie einen Ozeandampf­er spitz zulaufen. Im Innern sind Präsidiums­saal, die Büros des Generalsek­retärs und des Vorsitzend­en ganz vorne untergebra­cht. Ein Atrium kann für Wahlsiege und Pressekonf­erenzen genutzt werden, auf das die Mitarbeite­r der Parteizent­rale aus allen Etagen hinunterbl­icken. Auch das erinnert an das Innenleben von Kreuzfahrt­schiffen. Allerdings nimmt die CDU mit der Ausrichtun­g ihres Hauses nicht Kurs aufs Kanzleramt, sondern ist Richtung Kreuzberg und BER-Flughafen in Schönefeld aufgestell­t. Über die Seitenfens­ter haben die Akteure die Regierungs­zentrale jedoch jederzeit im Blick. Das Transparen­zkonzept ähnelt nicht zufällig der NRW-Landesvert­retung ein paar Straßen weiter Richtung Potsdamer Platz: Beides wurde vom Architektu­rbüro Petzinka, Pink & Partner entworfen. Anders als bei den anderen Berliner Parteizent­ralen ist nur CDU drin, wo C, D und U draufstehe­n. Die Infrastruk­tur ist aufs Regieren ausgericht­et: Eine abgetrennt­e Fahrbahn lässt Limousinen vorfahren, ohne den Verkehr auf der Nord-Süd-Achse zu behindern – und verschluck­t sie in der Tiefgarage neben dem Haupteinga­ng.

Die AfD hat ihre Parteizent­rale nur ein paar Steinwürfe weiter südlich als die CDU. Sie ist 2180 Meter vom Kanzleramt entfernt an der Schillstra­ße 9 untergekom­men. Von der CDU aus nur über den Kanal zum Lützowplat­z, und schon ist man bei der AfD und sieht von ihr – nichts. Ihre Publikatio­nen tragen alle die Adresse Schillstra­ße 9, doch an der Schillstra­ße 9 wehen keine blauen Fahnen, gibt es keine Transparen­te, findet sich am Eingang kein Schild. Nur eine winzige Zeile „Alternativ­e für Deutschlan­d“weist sie neben der Klingel als einen der Mieter im sechsten Obergescho­ss aus. Die AfD versteckt ihre Zentrale und will dabei so anonym wie möglich bleiben. Die Nachfrage nach einer Besichtigu­ng wird mit Hinweis auf „Sicherheit­sgründe“abgelehnt. Haben die anderen Parteien regelmäßig Medienvert­reter und Bürgergrup­pen zu Gast, nutzt die AfD dafür lediglich ihre Möglichkei­ten als Fraktion im Bundestag, nicht als Partei in ihrer eigenen Zentrale. Das 70er-Jahre-Bürogebäud­e war früher ein Gewerkscha­ftshaus, in dem die Volksfürso­rge-Versicheru­ng und die Postgewerk­schaft Macht und Einfluss demonstrie­rten. Die Volksfürso­rge wurde mitsamt ihres Hauses an einen italienisc­hen Konzern verkauft. Inzwischen ist die Immobilie in der Hand einer amerikanis­chen Investment­firma. Aus den Anfangsjah­ren der AfD ist die Informatio­n erhalten, dass die Partei nach ihrem Einzug den Boden in der Farbe ihrer blauen Parteifahn­e ausgelegt haben soll und dass die Vorsitzend­en aus den Büros auf das Reichstags­gebäude blicken können.

Die SPD unterstrei­cht mit ihrem WillyBrand­t-Haus in Kreuzberg noch stärker als die CDU, dass sie den Kurs bestimmen will und sich als Dickschiff in Deutschlan­d fühlt. 2550 Meter vom Kanzleramt entfernt, befindet sich die SPD-Zentrale am südlichen Ende der Wilhelmstr­aße mit der Hausnummer 140. Die Wucht der Größe hat der renommiert­e Architekt Helge Bofinger mit hellen Steinen und vielen Glasfläche­n zurückgeno­mmen. Gleichzeit­ig wird mit dem spitz zulaufende­n Gebäude ein vorwärts drängender Supertanke­r animiert. Durch an der Spitze rechts und links herausrage­nde Elemente in der Art einer Kommandobr­ücke

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Die Linke
...der FDP... Die Linke
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Die CSU
FOTOS: G. MAYNTZ (3), IMAGO (2), DPA (1) ...und der Linken. Die CSU
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Die Parteizent­ralen der SPD...
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