Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Wenn Erfolge träge machen
Wie im Fußball: Deutschlands Corona-Politik ist selbstgefällig geworden.
Wir erinnern uns nur ungern daran: Nachdem die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2014 begeistert hatte und verdient Weltmeister geworden war, sind Jogis Jungs bei der folgenden WM 2018 als Gruppenletzter der Vorrunde ausgeschieden. So ging es auch den Weltmeistern von 1998 (Frankreich), 2006 (Italien) und 2010 (Spanien) – sie alle schieden bei der folgenden WM in der Vorrunde aus. Nur der Weltmeister von 2002 (Brasilien) schaffte es bei der Folge-WM immerhin ins Viertelfinale. Die Ursache für dieses Versagen ist recht klar: Erfolg macht träge und langsam, es fehlt an der Notwendigkeit, innovativ und kreativ zu sein. Warum soll man sich noch anstrengen oder gar etwas ändern, wenn man schon die Nummer eins ist?
In der Pandemie beobachten wir leider etwas ganz Ähnliches: Deutschland ist außerordentlich gut durch die erste Welle der Pandemie gekommen, viele sahen vor einem Jahr neidisch, wie gut wir die Krise meisterten. Amerikaner und Briten wurden von uns im Wesentlichen öffentlich bemitleidet. Doch wie im Fußball hat sich der Spieß nun umgedreht: Unsere Politik hat den Sommer in Trägheit verschlafen. Staat und Politik erweisen sich – abgesehen vom Erlass immer neuer Verbote – als wenig handlungsfähig. Testen, Impfen, Digitalisieren – nichts klappt wirklich, die Bilanz ist beschämend. Amerikaner, Briten und viele andere haben uns längst überholt: Sie sitzen im Sommer geimpft im Biergarten und wir vermutlich im „wirklich
allerletzten“Mega-, Super- oder Was-weiß-ich-Lockdown zu Hause – in der Hoffnung auf ein baldiges Impfangebot.
Der DFB hat aus dem Scheitern 2018 keine Lehren gezogen. Im Grunde ging alles weiter wie zuvor – und so auch die Misserfolge. Im Fußball ist das traurig, in der Politik jedoch wäre es tragisch. Dies darf uns auf keinen Fall passieren. Nach der Bundestagswahl müssen Reformen im öffentlichen Sektor unbedingt zur Chefsache werden, um die staatliche Handlungsfähigkeit wiederherzustellen.
Unser Autor ist Professor für Wettbewerbsökonomie an der Universität Düsseldorf. Er wechselt sich hier mit der Ökonomin Ulrike Neyer und dem Vermögensexperten Karsten Tripp ab.