Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Eine Ohrfeige für Rot-Rot-Grün
Das Bundesverfassungsgericht hat den Mietendeckel in Berlin für verfassungswidrig erklärt. Damit ist Rechtssicherheit geschaffen, aber das Problem explodierender Mieten vor allem in Großstädten bleibt. Mehr denn je ist die öffentliche Hand gefragt.
DÜSSELDORF/BERLIN Man mag über die Sinnhaftigkeit des Berliner Mietendeckels urteilen, wie man will – dass das Bundesverfassungsgericht ihn gekippt hat, ist eine schallende Ohrfeige für die Regierung in der Hauptstadt. Das rot-rotgrüne Bündnis hat sich eine Gesetzgebungskompetenz angemaßt, die es gar nicht hatte, weil das Mietrecht Sache des Bundes ist, und damit einen schweren politischen Fehler begangen. Eine unnötige Schlappe, die die Verantwortlichen hätten vermeiden können.
Das Verfassungsgericht hat das im vergangenen Jahr in Kraft getretene Landesgesetz für einen Mietendeckel für nichtig erklärt. Der Bundesgesetzgeber habe das Mietpreisrecht abschließend geregelt, so die Karlsruher Richter. Für eigene Gesetze der Länder sei deshalb kein Raum. Konsequenz: Die Begrenzung der Mietpreise hat keinen Bestand mehr. Die Berliner Landesregierung hatte im Februar die Mieten für rund 1,5 Millionen Wohnungen auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren. Ab dem kommenden Jahr sollten Vermieter einen Inflationsausgleich erhalten. Bei Mietern, die umziehen, sah das Gesetz vor, dass es bei der alten Miete bleibt oder dass Obergrenzen greifen. Seit November waren Vermieter, die weit über dieser Grenze lagen, gezwungen, die Miete zu senken.
Soweit der Sachverhalt und das Urteil. Nach der juristischen Bewertung durch die Karlsruher Richter bleibt die Frage, ob der Mietendeckel überhaupt noch eine Chance hat. Will Berlins Landesregierung die Niederlage nicht auf sich sitzen lassen, bleibt nur der Versuch, die gewünschten Regeln auf Bundesebene verankern zu lassen. Der wird aber in einem schwarz-grünen Regierungsbündnis, das es nach der Bundestagswahl im September geben könnte, kaum durchzusetzen sein. Zumal sich vermutlich auch in der Länderkammer kaum eine Mehrheit für das Projekt finden dürfte. Damit wäre also weitgehende Rechtssicherheit geschaffen, auch für Vermieter, von denen so mancher seinen kreditfinanzierten Wohnungskauf natürlich auch auf kalkulierte Mieteinahmen gestützt haben dürfte.
Ist damit dann also alles geklärt? Mitnichten. Denn das Problem explodierender Mieten ist mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keineswegs gelöst. Wenn Mieter sich jetzt womöglich mit hohen Nachforderungen der Vermieter konfrontiert sehen, birgt das sozialen Sprengstoff – erst recht, weil Corona auch die Einkommenssicherheit vieler Mieter infrage stellt. Schon die Kurzarbeit hat Engpässe ausgelöst. Wenn ab Mai die Pflicht zum Insolvenzantrag wieder auflebt, drohen viele Pleiten und entsprechend eine deutlich höhere Zahl an Arbeitslosen. Man kann nur hoffen, dass Vermieter und Mieter gemeinsam praktikable Lösungen finden. Niemand kann Mieter wollen, die ausbluten und nicht mehr zahlen können. Niemand kann aber auch Vermieter wollen, die sich vom Markt abwenden. Soziale Balance ist das Gebot der Stunde.
Der im Dax notierte Bochumer Wohnungskonzern Vonovia hat am Donnerstag bereits angekündigt, er werde auf Mietnachforderungen verzichten. Begründung: Viele Mieterinnen und Mietern seien nicht dem Rat der Politik gefolgt und hätten die gesparte Miete nicht zur Seite gelegt, so Konzernchef Rolf Buch. Da schwingt auch mit, dass der Versuch, sich die verlorene Miete zurückzuholen, in vielen Fällen aussichtslos sein könnte. Bei Vonovia geht es um 14.000 Wohnungen und etwa zehn Millionen Euro Mietausfall.
Natürlich muss man Rot-RotGrün in Berlin zugestehen, dass die Absicht, bezahlbaren Wohnraum für große Teile der Bevölkerung zu garantieren, löblich ist. Auch vor dem Hintergrund, dass es durchaus Vermieter gibt, die die exorbitant hohe Nachfrage für unverschämt hohe Preisforderungen nutzen. Aber das ist nicht die Regel, und das gewählte Mittel der Berliner Politiker war falsch. Denn es hat vor allem vielen Neuankömmlingen nicht geholfen, während Gutverdiener in teuren Mietwohnungen deutlich weniger zahlten. Wer in Berlin eine Wohnung suchte, hat dies oft auch deshalb vergeblich getan, weil Eigentümer die Immobilien, für deren Vermietung ihnen die Politik die Daumenschrauben angelegt hatte, verkauft haben. Der
Markt ist noch enger geworden, die Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich.
Das kann sich jetzt womöglich wieder ändern, wenn Investoren, die man verschreckt hat, unter den neuen Bedingungen an den Berliner Markt zurückkehren. Aber in der Verantwortung bleibt zunächst einmal die öffentliche Hand, die dringend bezahlbaren Wohnraum schaffen muss, um die Not vor allem in Ballungsräumen zu lindern. Die Mittel dafür sind auch solche, über die wir schon seit Langem diskutieren: Wir brauchen mehr Bauland, wir brauchen niedrigere Grunderwerbsund Baukosten, wir brauchen Wohnraumverdichtung, die auf begrenztem Raum mehr bezahlbaren Wohnraum schafft. So unpopulär das sein mag.