Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Neustart in der Lebensmitte
Mit 50 viel erreicht, doch da ist diese bohrende Frage: War’s das schon? Früher gerieten viele Menschen in der Mitte ihres Lebens in eine Krise. Heute haben immer mehr den Mut, beruflich neue Wege einzuschlagen.
Da ist die erfolgreiche Managerin in einem globalen Unternehmen, die ein riesiges Team und ein entsprechendes Budget verantwortet. Irgendwann kam ihr die Freude am Job abhanden, sie empfand sich als Rädchen im Getriebe, das immer weiter funktionieren soll. Sie begann zu nörgeln, empfand sich selbst als unzufrieden und spürte, wie viel negative Energie sie versprühte. Also hat sie den gut bezahlten Traumjob einfach aufgegeben und sich mit einem Geschäftspartner in derselben Branche, aber mit anderen Ansätzen selbstständig gemacht. Mit 50. In einem Lebensabschnitt also, in dem man gnadenloser Fragen nach dem Sinn stellt. Und weiß, was man kann.
Manchmal ist es auch Neugier, die Menschen in der Lebensmitte auf neue Wege führt. So wie Hans-Willi Engels, früherer Prokurist der Volksbank in Mönchengladbach. Als junger Banker entwickelte er eine Leidenschaft für das aufkommende Börsengeschäft, fühlte sich mit Anfang 60 aber nicht mehr in der neuen Bankenwelt zuhause. Statt sich nun bis zur Rente durchzuhangeln, absolvierte er eine Ausbildung zum Coach und Mentaltrainer, fand sich in eine unbekannte Denkweise ein, lernte sich selbst neu kennen und möchte sein Wissen künftig in Trainingsangeboten für Sportler nutzbar machen. „Natürlich fragt man sich vor so einer Ausbildung, ob man das alles noch in den Kopf bekommt“, sagt Engels, „aber dann habe ich gemerkt, dass man eben nicht mit 25 fertig ist, sondern sich in jedem Alter weiterentwickeln kann.“
Die Menschen werden immer älter und bleiben dabei länger fit. Das verändert das Empfinden für die eigene Zeit – und was auch in der zweiten Lebenshälfte noch alles möglich ist. Der Gesundheitszustand eines heute 65-Jährigen entspricht in etwa dem eines 55-Jährigen von vor 20 Jahren, schreiben die Mediziner Eckart von Hirschhausen und Tobias Hirsch in ihrem Bestseller „Die bessere Hälfte“. So betrachtet sei das Rentenalter nicht auf 63 gesunken, sondern auf biologische 55 Jahre. Und da geht dann noch was.
Manche werden in der Lebensmitte durch äußere Umstände auf etwas Neues gestoßen, wie Constantin Schuster aus Mettmann, der durch die Finanzkrise 2008 seinen Job als Feuerverzinker in der Metallbranche verlor. Das Arbeitsamt genehmigte ihm keine Umschulung zum Altenpflegehelfer. Zu alt, hieß es. Da war Schuster 49. Er hat die Umschulung auf eigene Rechnung gemacht, sofort eine Stelle gefunden und sich so gut eingearbeitet, dass man ihm vorschlug, die dreijährige Altenpflegerausbildung zu machen. Da war Schuster 57. Er willigte ein und bestand mit „sehr gut“. Aus der Midlife Crisis, der Orientierungskrise in der Lebensmitte, die leicht in eine Depression führen kann, wird heute immer öfter eine Midlife Chance, ein Aufbruch zu neuen Ufern von Menschen, die schon wissen, wie man ein Floß steuert.
Andere wagen mit all ihrer beruflichen Expertise den Schritt in die Selbstständigkeit und entwickeln neue Produkte oder Dienstleistungen in Nischen, die ihnen im früheren beruflichen Alltag aufgefallen sind. Kontakte sind schon da, Erfahrungen auch. Solche Projekte sind von Beginn an geerdet. Dass Unternehmertum eine Frage der Haltung, nicht des Alters ist, zeigt auch die Statistik. Zwar sind laut dem Start-up-Monitor von 2019 die meisten Gründer mit durchschnittlich 35 Jahren deutlich jünger als der durchschnittliche Erwerbstätige in Deutschland mit knapp 44 Jahren. Doch immerhin 16,2 Prozent der Gründer sind 45 Jahre oder älter. Von ihnen ist nur weniger die Rede.
Besonders für Frauen kann die berufliche Neuorientierung zur Lebensmitte gerade recht kommen. Die Kinder sind dann „aus dem Gröbsten“heraus, die Sorgearbeit in der Familie, die noch immer
Für Frauen kann die berufliche Neuorientierung zur Lebensmitte gerade recht kommen