Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Der Künstlerfreund aus dem Parkhaus
Sie nannten ihn Charly: Knapp 25 Jahre lang machte Karl Heinz Rummeny den Malkastenpark zu einem kulturellen Mittelpunkt.
DÜSSELDORF Das Parkhaus im Malkasten gehörte nicht den Autos, sondern den Künstlern. Es war ein OffSpace, eine Anlaufstelle für Künstler und Kunstfans. Ein Ausstellungsort für Jungkünstler und zuweilen auch Stars. Eine Heizung gab es nicht, weshalb die Wände manchmal feucht sein konnten. Aber die Raummaße, das Licht und das Milieu im Park stimmten.
Ein Kunstort also ohne museale Weihen und ohne technische Perfektion. Dennoch ein Kultort. Mit Karl Heinz Rummeny an der Spitze. Nun, da das Parkhaus abgerissen wird, ist es an der Zeit zu fragen: Wer war dieser Charly, wie sie ihn nennen, der fast ein Vierteljahrhundert völlig uneitel den Musen gedient hat?
Dieser Menschenfreund, Jahrgang 1956 und mithin fast schon im Rentenalter, hat Kunstgeschichte und Kunst studiert und ist gleichsam ein halber Kunsterzieher, mit dem ersten Staatsexamen jedenfalls. Der Sohn eines Metzgers war als Student so arm, dass er in den Hotels nach Betttüchern fragte, um sie zu bemalen. Ein Maler ist er nicht geworden, auch kein Installationskünstler. Sein Herz hängt an Joseph Beuys, zu dem er 1972 aus seinem Heimatort Lippspringe nach Kassel pilgerte. Für zehn Mark erstand er die Plastiktüte „Freie Demokratie“, die er sich signieren ließ.
So einer wie Beuys wäre er gern geworden. Wie sein Vorbild hätte er die Welt gern verändert. Aber wer kann das schon, wenn er mit einer Strickleiter hantiert und kaputte Fahrradreifen als Material für die Kunst verwendet? Nach dem Studium an den Kunstakademien in Münster und Düsseldorf und nach dem Zivildienst machte Rummeny das erste Staatsexamen, hatte aber Existenzängste und Depressionen: „Ich habe nicht an meine Kunst geglaubt. Ich bin aus der Kunst ausgetreten. Ich wollte kein Künstler sein“, sagt er heute.
Ralph Kleinsimlinghaus von der Firma Artax fing ihn 1989 auf. Dort hatte er sein tägliches Brot, dabei vermittelt er die Kunst an Sammler. Kleinsimlinghaus ist Geschäftsmann, Rummeny sein Mitarbeiter. 1995 machte Charly in Billerbeck eine Ausstellung zu Beuys, mit dem Fundus von Artax, und kam auf den
Geschmack zum Kuratieren. Da bot Klaus Rinke, seinerzeit Malkastenchef, 1997 die zugemüllte Kegelbahn im Malkastenpark als Projektraum an. Der Fotograf Jost Wischneski, der Künstler und Schreiner Gregor Russ und Charly entrümpelten und strichen – das Parkhaus war geboren. Seit 2008 organisiert Charly den Betrieb allein.
Für ihn war das Parkhaus ein Äquivalent für die eigene Produktion. Er handelte nie nach einem festgelegten Plan. Viele Zufälle und ein immer größer werdendes Vertrauen aus der Künstlerschaft spielten eine Rolle. Anfänger wurden gebeten und Professoren geladen. Sie zeigten Filme, machten Performances oder malten tage- und wochenlang direkt im Parkhaus, weil sie dort mehr Platz hatten als bei sich zu Hause. So entstanden Kooperationen zwischen Rosilene Luduvico und Takeshi Makishima, die ihre Entdeckung feierten, bevor sie in Museen bewundert wurden.
Stefan Demary kam als Professor mit seiner Klasse und ließ die Besucher raten, welche Werke der Studenten
missraten waren. Es wurde das erste „Internationale Festival des nacherzählten Films“von Axel Ganz und Bernd Terstegge organisiert. Man tanzte oder ließ sich von Johannes Stüttgen die letzten Weisheiten über Joseph Beuys erklären.
Das Duo Gilbert & George schickte erst kürzlich seine neuesten Kataloge ins Haus, hatte Charly doch einst von den Künstlern aus London die Erlaubnis erhalten, alle Filme der beiden Engländer im Jahr 2000 zeigen zu dürfen, die er sich dann aus Wolfsburg, Paris und Amsterdam in Filmkassetten abholte.
Er kniete sich in sein Ehrenamt. So feierte er noch vor der Kunsthalle das Comeback von Blinky Palermo zu dessen 60. Geburtstag, kontaktierte Palermos erste Frau, dann dessen zweite Frau, schließlich den Zwillingsbruder und zuletzt das Kunstmuseum Bonn, wo die Vorstudien zum „Treppenhaus“aus Konrad Fischers Erstausstellung in der Neubrückstraße aufbewahrt werden. Denn diese Wandmalerei wollte er nach einer Idee des Palermo-Freundes Imi Knoebel im Parkhaus rekonstruieren. Ein immenser Zeit- und Arbeitsaufwand für eine fixe Idee, um ein Wandbild wiederherzustellen.
180 Ausstellungen gab es, 300 Künstler machten mit. Katharina Fritsch zeigte Siebdrucke, die fast etwas sexy wirkten. Peter Doig fertigte zur Abschiedsausstellung seiner Klasse ein Plakat an, das er dem rührigen Kurator schenkte. Newcomer starteten hier, Sabrina Fritsch etwa ist heute selbst Professorin. Max Frintrop und Michail Pirgelis sind auf dem Kunstmarkt gefragt. Banz & Bowinkel begannen ihre Karriere als Computerkünstler. Johannes Bendzulla feierte seine Premiere. Und wenn es ein „Haus Ethiopia“in Äthiopien für die Ärmsten unter den Alten gibt, so fanden die Benefiz-Auktionen im Parkhaus statt.
Nur einmal gab es eine Ausstellung namens „Karl“, als Dankeschön der Künstler an ihren Charly, der ihnen all die tollen Ausstellungen bereitet hatte. Dabei machte auch Michael Sailstorfer mit und versteckte einen echten Diamanten in den Wänden. Er wird mit dem Abriss des Künstlertreffs im Schutt bleiben.
Bevor dies geschieht, lässt sich die allerletzte Schau durch die Fenster betrachten. Katharina Sieverding hat neun Arbeiten passgenau abgezogen, darunter auch ein neues Selbstporträt mit roter Kamera im Kopf. Den Abgesang aber macht Nika Span am 8. und 9. Mai im Park. Seit Langem sammelt sie das Wasser des Entfeuchters und will mit „Eau de Parkhaus“eine letzte Träne weinen.