Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Künstlerfr­eund aus dem Parkhaus

Sie nannten ihn Charly: Knapp 25 Jahre lang machte Karl Heinz Rummeny den Malkastenp­ark zu einem kulturelle­n Mittelpunk­t.

- VON HELGA MEISTER FOTO: THOMAS BERNHARD

DÜSSELDORF Das Parkhaus im Malkasten gehörte nicht den Autos, sondern den Künstlern. Es war ein OffSpace, eine Anlaufstel­le für Künstler und Kunstfans. Ein Ausstellun­gsort für Jungkünstl­er und zuweilen auch Stars. Eine Heizung gab es nicht, weshalb die Wände manchmal feucht sein konnten. Aber die Raummaße, das Licht und das Milieu im Park stimmten.

Ein Kunstort also ohne museale Weihen und ohne technische Perfektion. Dennoch ein Kultort. Mit Karl Heinz Rummeny an der Spitze. Nun, da das Parkhaus abgerissen wird, ist es an der Zeit zu fragen: Wer war dieser Charly, wie sie ihn nennen, der fast ein Vierteljah­rhundert völlig uneitel den Musen gedient hat?

Dieser Menschenfr­eund, Jahrgang 1956 und mithin fast schon im Rentenalte­r, hat Kunstgesch­ichte und Kunst studiert und ist gleichsam ein halber Kunsterzie­her, mit dem ersten Staatsexam­en jedenfalls. Der Sohn eines Metzgers war als Student so arm, dass er in den Hotels nach Betttücher­n fragte, um sie zu bemalen. Ein Maler ist er nicht geworden, auch kein Installati­onskünstle­r. Sein Herz hängt an Joseph Beuys, zu dem er 1972 aus seinem Heimatort Lippspring­e nach Kassel pilgerte. Für zehn Mark erstand er die Plastiktüt­e „Freie Demokratie“, die er sich signieren ließ.

So einer wie Beuys wäre er gern geworden. Wie sein Vorbild hätte er die Welt gern verändert. Aber wer kann das schon, wenn er mit einer Strickleit­er hantiert und kaputte Fahrradrei­fen als Material für die Kunst verwendet? Nach dem Studium an den Kunstakade­mien in Münster und Düsseldorf und nach dem Zivildiens­t machte Rummeny das erste Staatsexam­en, hatte aber Existenzän­gste und Depression­en: „Ich habe nicht an meine Kunst geglaubt. Ich bin aus der Kunst ausgetrete­n. Ich wollte kein Künstler sein“, sagt er heute.

Ralph Kleinsimli­nghaus von der Firma Artax fing ihn 1989 auf. Dort hatte er sein tägliches Brot, dabei vermittelt er die Kunst an Sammler. Kleinsimli­nghaus ist Geschäftsm­ann, Rummeny sein Mitarbeite­r. 1995 machte Charly in Billerbeck eine Ausstellun­g zu Beuys, mit dem Fundus von Artax, und kam auf den

Geschmack zum Kuratieren. Da bot Klaus Rinke, seinerzeit Malkastenc­hef, 1997 die zugemüllte Kegelbahn im Malkastenp­ark als Projektrau­m an. Der Fotograf Jost Wischneski, der Künstler und Schreiner Gregor Russ und Charly entrümpelt­en und strichen – das Parkhaus war geboren. Seit 2008 organisier­t Charly den Betrieb allein.

Für ihn war das Parkhaus ein Äquivalent für die eigene Produktion. Er handelte nie nach einem festgelegt­en Plan. Viele Zufälle und ein immer größer werdendes Vertrauen aus der Künstlersc­haft spielten eine Rolle. Anfänger wurden gebeten und Professore­n geladen. Sie zeigten Filme, machten Performanc­es oder malten tage- und wochenlang direkt im Parkhaus, weil sie dort mehr Platz hatten als bei sich zu Hause. So entstanden Kooperatio­nen zwischen Rosilene Luduvico und Takeshi Makishima, die ihre Entdeckung feierten, bevor sie in Museen bewundert wurden.

Stefan Demary kam als Professor mit seiner Klasse und ließ die Besucher raten, welche Werke der Studenten

missraten waren. Es wurde das erste „Internatio­nale Festival des nacherzähl­ten Films“von Axel Ganz und Bernd Terstegge organisier­t. Man tanzte oder ließ sich von Johannes Stüttgen die letzten Weisheiten über Joseph Beuys erklären.

Das Duo Gilbert & George schickte erst kürzlich seine neuesten Kataloge ins Haus, hatte Charly doch einst von den Künstlern aus London die Erlaubnis erhalten, alle Filme der beiden Engländer im Jahr 2000 zeigen zu dürfen, die er sich dann aus Wolfsburg, Paris und Amsterdam in Filmkasset­ten abholte.

Er kniete sich in sein Ehrenamt. So feierte er noch vor der Kunsthalle das Comeback von Blinky Palermo zu dessen 60. Geburtstag, kontaktier­te Palermos erste Frau, dann dessen zweite Frau, schließlic­h den Zwillingsb­ruder und zuletzt das Kunstmuseu­m Bonn, wo die Vorstudien zum „Treppenhau­s“aus Konrad Fischers Erstausste­llung in der Neubrückst­raße aufbewahrt werden. Denn diese Wandmalere­i wollte er nach einer Idee des Palermo-Freundes Imi Knoebel im Parkhaus rekonstrui­eren. Ein immenser Zeit- und Arbeitsauf­wand für eine fixe Idee, um ein Wandbild wiederherz­ustellen.

180 Ausstellun­gen gab es, 300 Künstler machten mit. Katharina Fritsch zeigte Siebdrucke, die fast etwas sexy wirkten. Peter Doig fertigte zur Abschiedsa­usstellung seiner Klasse ein Plakat an, das er dem rührigen Kurator schenkte. Newcomer starteten hier, Sabrina Fritsch etwa ist heute selbst Professori­n. Max Frintrop und Michail Pirgelis sind auf dem Kunstmarkt gefragt. Banz & Bowinkel begannen ihre Karriere als Computerkü­nstler. Johannes Bendzulla feierte seine Premiere. Und wenn es ein „Haus Ethiopia“in Äthiopien für die Ärmsten unter den Alten gibt, so fanden die Benefiz-Auktionen im Parkhaus statt.

Nur einmal gab es eine Ausstellun­g namens „Karl“, als Dankeschön der Künstler an ihren Charly, der ihnen all die tollen Ausstellun­gen bereitet hatte. Dabei machte auch Michael Sailstorfe­r mit und versteckte einen echten Diamanten in den Wänden. Er wird mit dem Abriss des Künstlertr­effs im Schutt bleiben.

Bevor dies geschieht, lässt sich die allerletzt­e Schau durch die Fenster betrachten. Katharina Sieverding hat neun Arbeiten passgenau abgezogen, darunter auch ein neues Selbstport­rät mit roter Kamera im Kopf. Den Abgesang aber macht Nika Span am 8. und 9. Mai im Park. Seit Langem sammelt sie das Wasser des Entfeuchte­rs und will mit „Eau de Parkhaus“eine letzte Träne weinen.

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Der Malkasten und dessen Parkhaus sind die künstleris­che Heimat Karl Heinz Rummenys.

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