Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Lesezeichen aus dem Alltag
Wer sein Buch mag, setzt Zeichen - nämlich dort, wo er mit dem Lesen aufhören musste. Auch am heutigen „Tag des Buches“.
NEUSS Eine Schaufel, eine gehäkelte Blume, oder doch lieber etwas Gebasteltes wie die Einhorn-Ecke fürs Buch? An Phantasie mangelt es vielen Lesern gewiss nicht, um zu markieren, wo sie gerade sind, welche Seite sie wiederaufschlagen müssen, um weiterzukommen. Solange das Buch nicht an andere geht, im eigenen Bücherregal verschwindet oder im Bücherschrank eingeordnet wird, ist es wohl egal, ob jemand jene Stelle, an der aufhört, mit einem „Eselsohr“(eine umgeknickte Ecke oben auf der Seite) oder einem richtigen (und flachen!) Lesezeichen markiert. Aber wenn ein Buch aus der Stadtbibliothek stammt, nur entliehen ist, vermutlich noch viele andere Leser nachkommen – was dann? Und was passiert, wenn ich mein Lesezeichen vergesse?
„Fotos werden oft mit dem Handy gemacht
Andrea Klemme Fachangestellte Bibliothek
Eine Weile wird noch aufbewahrt, was Andrea Klemme, Fachangestellte für Medien und Informationsdienst in der Stadtbibliothek und auch zuständig für die sogenannte Fundsachenkiste, bei der Durchsicht zurückgegebener Bücher im Sortierraum findet. Lesezeichen wie Bilder von Hunden und Katzen werden unter den Bibliotheksmitarbeitern auch gerne verteilt, andere Dinge nach rund acht Wochen schließlich weggeworfen oder zum Fundbüro gebracht.
Das betrifft im Winter vor allem Mützen und Schals, sagen Klemme und Bibliotheksleiterin Claudia Büchel: „Die bleiben gerne liegen!“Aber Büchel kann sich auch an einen übrig gebliebenen Rollator
erinnern, und Klemme erzählt von einem noch nicht eingelösten Arztrezept mit Anschrift und allem, das sie mal gefunden hat. „Wir haben damit eine Dame richtig glücklich gemacht“, sagt sie. Aber: „Uns ist ein Gegenstand immer noch lieber als ein Eselsohr“, sagen beide. Wie eben die kleine Schaufel oder die gehäkelte Blüte: „Eigentlich müsste das doch dem Kunden auffallen. Schon dadurch, dass es das Buch dicker macht .... “Denn natürlich, so sagt es Büchel, „schmerzt es den Buchliebhaber, wenn er sieht, dass es ein Buch beeinträchtigt“.
Das betrifft auch jene Exemplare, denen man ansehe, dass sie etwa in der Sauna gelesen wurden: „Die Buchseiten sind durch die Feuchtigkeit sehr wellig geworden.“Ob von einem Hund angeknabbert oder von Kinderhand bemalt: Für beschädigte Bücher muss der Kunde Ersatz besorgen, betont Büchel.
Gleichwohl merken beide Frauen auch bei ihren Kunden in Sachen Lesezeichen ein verändertes Verhalten. „Früher gab es immer wieder Fotos“, sagt Klemme, die seit 2007 in Neuss arbeitet und unter anderem auch die zurückgegebenen
Bücher durchsieht, „doch die sind als Lesezeichen kaum noch gebräuchlich.“Was sie ebenso wie Büchel auf die zunehmende Digitalisierung zurückführt: „Fotos werden oft mit dem Handy gemacht und bleiben auch dort.“Post-its scheinen ihnen den Rang abgelaufen zu haben, sie werden nach den Erfahrungen der beiden Frauen oft genutzt und gefunden.
Häufig genug war es am Sand in den Büchern auch zu erkennen, wo die Menschen gelesen hatten. „Besonderes nach den Sommerferien“, sagen beide übereinstimmend. Doch auch das werde in Zeiten des E-Books weniger, hat Klemme festgestellt: „Es ist einfacher geworden, sich Bücher herunterzuladen.“
Dass Geldscheine als Lesezeichen genutzt werden, kommt nach den Erfahrungen von Klemme und Büchel selten vor. „Ich habe mal einen Schein aus dem Ausland gefunden“, sagt die 39 Jahre alte Klemme nachdenklich, „umgerechnet waren das rund 50 Cent.“So oder so würden Geldscheine erst mal weggeschlossen.
Doch der Renner unter den Lesezeichen sei immer noch – Toilettenpapier. „Das hat der Mensch eben schnell zur Hand“, sagt Klemme.