Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Wenn du schlechte Laune hast, geh’ impfen“

Mehr als 150 Menschen arbeiten im Impfzentru­m an der Arena. Sie erfahren von den Besuchern viel Dankbarkei­t für ihren Einsatz.

- VON UWE-JENS RUHNAU UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

STOCKUM Oft ist von Corona-Leugnern, ihren Provokatio­nen und Demonstrat­ionen die Rede. Weniger laut ist eine Massenbewe­gung, die bald erst so richtig groß wird. Es wird geimpft und jeden Tag sind dafür bundesweit zigtausend Helfer im Einsatz. In der Düsseldorf­er Arena arbeiten an jedem der wöchentlic­h fünf Impftage um die 150 Menschen, damit die Düsseldorf­er ihren Impfschutz bekommen, hinzu kommt das medizinisc­he Fachperson­al. Sie sehen, wie dankbar die Menschen sind, und erhalten „unglaublic­h gutes Feedback“, wie die Ärztin Yvonne Jap sagt. „Ich habe schon gesagt: Wenn du schlechte Laune hast, geh’ impfen.“

Es sind die Kleinigkei­ten, an denen zu bemerken ist, welcher Geist an der Großhalle herrscht. Der Freitag ist diesmal eher ein ruhiger Tag, wie die Profis des Zentrums versichern. 3314 Impfungen stehen auf dem Tagesplan, es waren an einem Tag auch schon 4500, als es eine Sonderrati­on Astrazenec­a für über 60-Jährige zu verimpfen galt. Nun steht da ein Mann an der Einfahrt und kontrollie­rt die einfahrend­en „Impflinge“, ein Wort, das aus Menschen zumindest sprachlich so etwas macht wie schutzbedü­rftige Zwerge. Wenn man bedenkt, wie verheerend das Corona-Virus Menschen zu Leibe rücken kann, kommt diese Vorstellun­g der Wirklichke­it wohl nahe. „Kommen Sie, ich beiße nicht“, sagt der Mann an der Einfahrt und lässt sich vom Fahrer eines Autos die Bescheinig­ung zeigen, aus der der Impftermin hervorgeht. Am Eingang des Foyers, wo es ein paar Minuten später zu einem der 28 Check-in-Schalter geht, sagt der nächste Mitarbeite­r „Dürfte ich bitte Ihre Einladung sehen?“. Die angesproch­ene Frau kommentier­t ein bisschen verwundert: „Hier sind aber alle freundlich.“

Der Ton macht eben die Musik. Laura Becker weiß das, sie ist die Projektlei­terin des Impfzentru­ms für D.Live. Die städtische Veranstalt­ungstocher ist als Event-Dienstleis­terin darauf spezialisi­ert, Menschen ein paar schöne Stunden zu machen. Jetzt organisier­t die D. Live GmbH ihre längste Veranstalt­ung überhaupt. In puncto Wohlfühlen und Service legen die Profis ihre üblichen Maßstäbe an. „Wir haben allen Dienstleis­tern gesagt, dass wir zuvorkomme­nd und freundlich sind. Wir geben den Menschen das Gefühl, dass sie bei uns in guten Händen sind und wir uns um sie kümmern.“Stefan Gobbin von der Feuerwehr, die das Impfzentru­m insgesamt konzipiert hat und führt, spricht von Gästen, die man zu Hause empfängt. Düsseldorf nimmt die Corona-Pandemie also im besten Sinne persönlich.

Gerade bei den älteren Menschen hieß und heißt das, sie auch zu beruhigen. Am Anfang der Impfkampag­ne gab es kleine Staus, die durch besondere Pünktlichk­eit entstanden. Viele aus der Ü80-Generation hatten Angst, den Impftermin zu verpassen, wenn sie unpünktlic­h sind. Also kamen sie früher, teils eine Stunde. Die Angst und den Stress hat man dann versucht, ihnen zu nehmen. „Es kommt nicht auf ein paar Minuten an“, sagt Becker, die von der Dankbarkei­t und Erleichter­ung alter Menschen oder von Eltern schwerkran­ker Kinder besonders berührt wurde. Nicht selten flossen Tränen.

Die Arena hat sich als Idealort für das Impfzentru­m bestätigt. Die Bahn hält vor der Tür, es ist genug Platz für Autos direkt an der Halle. Es gibt zwei Einfahrtsp­uren. Eine führt zu einem Haltepunkt direkt vor dem Aufgang, wo auch ein rascher Zugang zum Aufzug gegeben ist. Hier erwartet Uwe Greger vom Klüh Wheelchair-Service mobilitäts­eingeschrä­nkte Besucher. Die zehnköpfig­e Truppe begleitet die Menschen bis in den Warteraum nach der Impfung, 17 Rollstühle stehen bereit. Greger ist sonst am Flughafen im Einsatz, dort wie hier schätzt er die Arbeit mit den Menschen besonders. „Wir gehen freundlich auf die Menschen zu und das kommt zurück. Das motiviert mich“, sagt der 57-Jährige.

Beim Betreten der Arena wird bei allen Gästen die Temperatur gemessen, Mitarbeite­r der Firma Special Security Services setzen dafür Handgeräte ein oder aber eine Wärmekamer­a. Wer Fieber hat, kann nicht zur

Impfung. Ist diese Hürde überwunden, werden an den Schaltern die Formalien geklärt. Vier Blätter sind zu überprüfen, die Impfbesche­inigung wird ausgehändi­gt. Hier kann es schon mal hektisch werden, manch einer ist nervös, man erkläre dann alles ausführlic­h und in Ruhe, sagt Cindy Nischik von der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g. Die Hotelfachf­rau hatte gerade ihre Ausbildung im Radisson Blue in Golzheim beendet, als die Corona-Krise kam. Sie mag den Umgang mit Menschen, fühlt sich „mittendrin“und als Teil einer wichtigen Aufgabe. Dass die Menschen so herzlich danken, bewegt sie.

Die ersten Impftermin­e werden für 8 Uhr vergeben, aber die Arbeit fängt früher an. Ab 6.30 Uhr werden im zweiten Untergesch­oss der Arena von Pharmazeut­en die Impfdosen fertig gemacht. Aus einer Ampulle Biontech werden sechs bis sieben Spritzen aufgezogen, „bei uns meistens sieben“, wie Apotheker Gregor Müller mit Stolz auf das Geschick des Teams anmerkt. Zwölf Dosen sind es bei Astrazenec­a und ebenso viele beim Vakzin Moderna, das erstmals an diesem Sonntag im Impfzentru­m verarbeite­t wird. „Impfstoff-Läufer“bringen die Spritzen zu den mehr als 40 Kabinen, in denen die Vakzine verabreich­t werden. Biontech muss innerhalb von sechs Stunden verarbeite­t werden.

Die Planung ist so exakt, dass keine Impfdosen übrig bleiben. Hin und wieder werden pflegende Angehörige, die keinen Termin hatten, mitgeimpft, zudem werden die Tore am Abend erst geschlosse­n, wenn der gute Stoff aufgebrauc­ht ist. Dann fahren auch mal Streifenwa­gen der Polizei oder Mitarbeite­r anderer relevanter Berufsgrup­pen noch um 23 Uhr an der Arena vor, um sich eine Spitze abzuholen.

Das Aufklärung­svideo, das man vor dem Impfen anschauen kann, wird kaum mehr von den Menschen genutzt, wie Stefan Gobbin sagt. Der Wunsch nach Impfschutz überwiegt bei den meisten die Bedenken. Im langen Gang mit den Impfkabine­n links und rechts herrscht Stimmengew­irr, es wirkt wuselig wie in einem Ameisenhau­fen. Internisti­n Yvonne Jap, die sonst in einer Benrather Praxis arbeitet, ist vom ersten Tag an dabei. Für sie ist der Einsatz im Impfzentru­m eine Mischung aus Wunsch und Verpflicht­ung. Auf die Frage, ob sie vom vielen Injizieren schon einen Tennisarm hat, sagt sie ja. Bis zu 30 Impflinge immunisier­t sie pro Stunde, das merkt sie auch körperlich.

Zu Ostern haben ihr die Menschen Schoko-Hasen mitgebrach­t. Auch Kinderbild­er werden überreicht, zahlreiche Briefe und Mails erreichen das Impfzentru­m. Ein Schreiber resümierte jüngst kurz und bündig: „Ich möchte mich bei allen an der Organisati­on des Impfzentru­ms Beteiligte­n bedanken. Eine so stringente und freundlich­e Abwicklung der Covid-Impfung habe ich nicht erwartet. Top-Leistung! Danke.“

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Im Untergesch­oss der Arena wird der kostbare Impfstoff in die einzelnen Spritzen aufgezogen.
 ??  ?? Links und rechts geht es im langen Gang in die Impfkabine­n. Hier wartet die medizinisc­he Fachangest­ellte Elif Aktas auf den nächsten Impfling.
Links und rechts geht es im langen Gang in die Impfkabine­n. Hier wartet die medizinisc­he Fachangest­ellte Elif Aktas auf den nächsten Impfling.
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Sven Wilscher kontrollie­rt am Eingang die Temperatur der Besucher.

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