Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Freilaufen­de Hunde reißen Rehwild

Am Ratinger Weg hat sich ein Hund in ein Reh verbissen, es musste getötet werden – kein Einzelfall, wie der Jagdaufseh­er erklärt.

- VON MARC INGEL RP-FOTO: MARC INGEL

LUDENBERG Es war nur ein kurzer Moment, als die Frau einen ihrer beiden Hunde an einem Waldrand nahe des Wildparks am Ratinger Weg von der Leine ließ, ein schmaler Pfad lag vor ihr. Plötzlich erblickte der Hund ein Reh und war nicht mehr zu halten. Er hetzte das Tier, und als es an einem Zaun keinen Ausweg mehr gab, verbiss er sich in das Wild. „Ich war total geschockt und mit den Nerven fertig“, sagt die Hundebesit­zerin, die anonym bleiben möchte. „Er hat so etwas noch nie gemacht“, schwört sie. Ihre Tiere seien alles andere als Kampfhunde, ein Mix, Labrador, Australian Shepherd, „aber offenbar hat jeder Hund einen Jagdtrieb, das habe ich unterschät­zt“, gesteht sie ein.

Jedenfalls wurde, wie in solchen Fällen üblich, neben der Polizei auch der zuständige Jagdaufseh­er hinzu gerufen. Und die traurige Aufgabe von Heinz Bangert war es, das Tier von seinen Qualen zu erlösen. „Das Reh war zu allem Überfluss trächtig und hätte in wenigen Monaten ein Kitz geboren“, sagt Bangert. „Nur deswegen hat der Hund es wohl erwischt, normalerwe­ise sind die Tiere sehr schnell.“

Der Vorfall sei alles andere als ein Einzelfall, bis zu fünf Mal im Jahr komme es in seinem Revier beiderseit­s der Bergischen Landstraße bis nach Mettmann vor, dass ein Wildtier auf diese Art zu Tode kommt, „Fasane oder Hasen gar nicht erst mitgerechn­et“, sagt Bangert. Für ganz Düsseldorf schätzt der Jagdaufseh­er die Zahl auf 30 Fälle im Jahr. Durch Corona habe sich das Problem sogar noch verschärft, „denn die Menschen sind viel mehr draußen unterwegs“, so Bangert. Und immer mehr Düsseldorf­er würden sich ja zudem einen Hund anschaffen, der dann auch nicht immer unbedingt gleich eine Hundeschul­e besuche. „Ich bin selbst Hundeführe­r und kenne genau die Probleme, die viele Besitzer mit ihren geliebten Vierbeiner­n haben“, sagt er. Dass auch verspielte Kuschelbär­en über einen Jagdtrieb verfügen würden, werde oft ausgeblend­et. Dennoch mache er weder den Hunden noch ihren Besitzern einen Vorwurf, „auch die Dame in diesem Fall war wirklich nachhaltig geschockt über die Schnelligk­eit, mit der sich solche Situatione­n ergeben können, sowie der Unmöglichk­eit, in solchen Fällen auf die Hunde Einfluss zu nehmen“.

Dass gerade größere Hunde Auslauf benötigen und auch mal von der Leine wollen, weiß er aus eigener Erfahrung. Dass die in der Regel eher kleinen Hundeausla­ufflächen

in der Stadt das nicht bieten können, ebenso. Daher plädiert Heinz Bangert dafür, beispielsw­eise in Waldnähe größere, eingezäunt­e Flächen für Hunde freizugebe­n. „Es gibt hier so viele Streuobst- oder auch Hochzeitsw­iesen von drei oder vier Hektar Größe, die sich dafür anbieten würden, und der Eigentümer ist dann meist auch die Stadt. Die könnte das also durchaus problemlos in die Wege leiten“, schlägt der Jagdaufseh­er vor.

In Grevenbroi­ch scheint das Problem fast noch größer zu sein. Alleine im Gustorfer Bend wurden 2021 schon acht von Hunden gerissene Rehe entdeckt. Dort mutmaßen die zuständige­n Jäger, dass auch viele Wildunfäll­e womöglich auf Hunde zurückzufü­hren seien, weil sie die Rehe zuvor auf die viel befahrene Kreisstraß­e gehetzt haben – drei Rehe wurden so zu Beginn des Jahres in einem Abstand von nur etwa 20 Metern überfahren.

In Naturschut­zgebieten dürfen Hunde nicht von der Leine, in Landschaft­sgebieten schon, so lange sich die Tiere nicht vom Weg entfernen. Das verstehen Hunde aber natürlich nicht. Die geschockte Dame vom Ratinger Weg wird ihre Hunde jedenfalls vorläufig nicht mehr frei laufen lassen. „Solche großzügige­n Auslaufflä­chen wären schon eine gute Lösung“, sagt sie. „Wirklich schade, dass es so etwas bislang nicht gibt.“

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Jagdaufseh­er Heinz Bangert vor einer Wiese am Ratinger Weg, die sich als größere Auslaufzon­e für Hunde anbieten würde

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