Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Diese Frau will neue Brücken bauen
Najiba Koochi-Richtmann ist zweite Vorsitzende des Integrationsrats. Dieses Gremium sei in Meerbusch kaum sichtbar; das soll sich ändern, fordert die 56-Jährige. Außerdem wünscht sie sich eine offizielle Anlaufstelle für Migranten.
MEERBUSCH Najiba Koochi-Richtmann weiß, wovon sie spricht. Die neue stellvertretende Vorsitzende des Meerbuscher Integrationsrates kam vor 30 Jahren nach Deutschland – ohne Sprachkenntnisse und ohne eine Anlaufstelle, die ihr half, das fremde Land und seine Kultur zu begreifen. Sie weiß, wie notwendig es ist, sich um Migranten zu kümmern, damit diese sich in die neue Heimat integrieren und ihr Potenzial entfalten können.
Najiba Koochi wuchs in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans, auf. Als sie 15 Jahre alt war, wurde das Land von der Sowjetunion besetzt. Damals waren die Rechte der Frauen noch nicht so eingeschränkt wie später unter den Taliban. Die junge Frau konnte zur Schule gehen und entschied sich für ein Lehramts-Studium in Russisch, Literatur und Sozialwissenschaften, das sie in der damaligen Sowjetunion absolvierte. Als sie zurückkam, begann der Bürgerkrieg. Bomben fielen auf Kabul, und ihre Familie schickte sie nach Deutschland, wo schon ein Bruder lebte. Nun war sie in Sicherheit. Doch wie sollte es weitergehen?
„Damals war es noch viel schwieriger, hier Fuß zu fassen“, berichtet sie. Es gab keine obligatorischen Deutsch- und Integrationskurse, die Flüchtlinge wurden als Bittsteller behandelt, die sich alleine durchschlagen mussten. Egal, ob sie ein Studium oder eine abgeschlossene Ausbildung mitbrachten. „So werden Ressourcen nicht genutzt“, bedauert sie. Heute sei es durchaus besser als noch in den 1990er Jahren. Aber viele Ausländer würden sich immer noch nicht als gleichwertige Menschen angenommen fühlen und trauten sich nicht, ihren Platz einzunehmen. Daher hat sich Koochi-Richtmann dazu entschlossen, im Meerbuscher Integrationsrat mitzuarbeiten, um Integrationshemmnisse zu beseitigen.
Sie möchte die Menschen zusammenbringen, egal wo sie herkommen. „Die Menschen in Meerbusch sind freundlich“, ist ihr persönlicher Eindruck. Das Problem sei nicht, dass es große Vorbehalte gegen Migranten gäbe. Aber es gäbe nur wenige Möglichkeiten, diese kennenzulernen. Auch Migranten unter einander seien oft nur in Kreisen ihrer Nationalität unterwegs. „Ich setze mich für eine offizielle Anlaufstelle, ein Büro oder einen Raum in Meerbusch ein, in dem sich Menschen ungezwungen treffen können, Beratung erhalten oder auch einmal einen Kaffee trinken können“, erklärt die 56-Jährige. So könnten Menschen unterschiedlicher Herkunft in Kontakt treten, Erfahrungen austauschen und Aktivitäten
organisieren. Wie ein Fest, bei dem sich alle Kulturen präsentieren sollten. Daraus könnte sich dann auch ein Netzwerk entwickeln, das sowohl Deutsche als auch Menschen, die neu in Meerbusch sind, zusammenbringt.
„Wir kennen uns viel zu wenig“, bedauert Koochi-Richtmann. Gute Erfahrungen hat sie beispielsweise in Krefeld gemacht, wo es solch eine städtische Anlaufstelle gibt. Als Sozialpädagogin hat sie bereits in mehreren Städten in der Begleitung von geflüchteten Menschen gearbeitet. Derzeit ist sie bei der evangelischen Jugendhilfe Bochum tätig, erzählt sie. Doch der Weg war steinig. Nachdem sie sich nach ihrer Flucht als Servierkraft und Verkäuferin durchgeschlagen hatte, konnte sie als Dolmetscherin für Russisch Fuß fassen, da in den 1990er Jahren viele Aussiedler aus Russland nach Deutschland kamen. „Ich habe mich mein Leben lang mit der Thematik
Integration befasst“, unterstreicht Koochi-Richtmann. Sie lobt das Engagement der Ehrenamtlichen von „Meerbusch hilft“, Caritas und Diakonie. „Doch wie sieht es bei der Stadt aus, was macht der Integrationsrat?“, fragt sie. Er sei in Meerbusch kaum sichtbar. Das müsse sich ändern.
Ihr sei klar, dass sie dazu auch die Unterstützung der Meerbuscher Politik brauche. Doch Menschen mit Migrationshintergrund hätten es in den Parteien immer noch schwer. Weder im Stadtrat noch in den Meerbuscher Ausschüssen sind Menschen, die ausländische Wurzeln haben, vertreten. Das möchte sie ändern. Denn sie selbst hat durchaus positive Erfahrungen gemacht. Sie ist seit vielen Jahren in der SPD, hat bei den Remscheider Genossen auch ihren Mann kennengelernt, mit dem sie zwei erwachsene Töchter hat. Die Parteien müssten sich stärker öffnen und ausländische Mitbürger ansprechen und fördern, sagt sie. Ähnlich sei es im Sport. Gemeinsame Aktivitäten auf Augenhöhe seien bei der Integration sehr hilfreich.