Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Köln will handeln, andere Kommunen in NRW diskutieren noch: In Stadtteilen mit hohem Armuts- und Migrationsanteil gibt es mehr Corona-Infektionen als im Schnitt der Städte. Politiker von CDU und Grünen fordern besondere Impfangebote.
KÖLN/DÜSSELDORF Die Stadtverwaltung Kölns verhandelt mit dem Land Nordrhein-Westfalen über eine Änderung der Impfreihenfolge, um Menschen aus Vierteln mit hohen Inzidenzen vorrangig impfen zu können. Dazu tagt der Krisenstab der Domstadt derzeit in kleiner Runde mit Vertretern der Landesregierung. Die Stadt hatte bereits angekündigt, dass Viertel mit einem hohen Infektionsrisiko bald ein Sonderkontingent an Impfdosen erhalten sollen. Die Situation in Köln ist derzeit angespannt, weil es auf den Intensivstationen wegen der hohen Zahl an Covid-19-Patienten keine freien Betten mehr gibt. Zugleich gehen die wöchentlichen Infektionen pro 100.000 Einwohner (Inzidenzen) in den einzelnen Stadtteilen stark auseinander. Vor allem in ärmeren Vierteln mit hohem Migrationsanteil werden deutlich höhere Infektionsraten gemeldet als in reicheren Teilen.
Auch in anderen NRW-Städten sind von Corona-Infektionen vornehmlich Stadtteile mit niedrigen Einkommen und schwieriger Sozialstruktur betroffen. So übersteigt das Infektionsrisiko im Bonner Norden (Tannenbusch, Auerberg) jenes in Stadtteilen wie Südstadt, Poppelsdorf oder Röttgen um mehr als das Doppelte. Das hat die Bonner CDU auf den Plan gerufen. „In den besonders betroffenen Vierteln braucht es gezielte Aufklärungs-, Test- und Impfkampagnen sowie verstärkte Kontrollen durch das Ordnungsamt“, sagte der Bonner Ratsherr Georg Schäfer.
Ähnliche Unterschiede bei den Infektionszahlen gibt es in Düsseldorf, Mönchengladbach oder Duisburg. Dort wollen die Stadtverwaltungen aber an der bisherigen Impfreihenfolge festhalten, wie deren Sprecher betonten. Die Stadt Duisburg impft lediglich die Obdachlosen seit dem 8. April vorrangig. In Mönchengladbach sollen künftig die Wohnungslosen bei der Impfung besonders berücksichtigt werden. Das Gesundheitsamt
Düsseldorf hat am vergangenen Wochenende verstärkt in Stadtvierteln mit schwieriger Sozialstruktur, darunter auch an Moscheenstandorten, kostenlose mobile Testangebote bereitgestellt. Der Service wurde nach Angaben einer Stadtsprecherin eher zurückhalten aufgenommen. Dennoch möchte die Landeshauptstadt ihre Aktion fortsetzen.
Politikerinnen von CDU und Grünen fordern angesichts der hohen Inzidenzen in bestimmten Stadtvierteln ein besonderes Impfangebot für die Menschen, die dort leben. „Wir müssen den Impfstoff zu den Menschen bringen“, sagte Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) unserer Redaktion. Eine bessere Impfung in Vierteln, die hohe Inzidenzen hätten, helfe auch allen anderen, etwa im öffentlichen Nahverkehr, ergänzte die CDU-Politikerin.
Güler ist wegen der hohen Infektionszahlen in solchen Vierteln besorgt. „Viele ältere Migranten und Migrantinnen sind – wie auch etliche ältere Menschen ohne Migrationsgeschichte – mit der Anmeldungsprozedur beim Impfen überfordert. Bei den Deutschstämmigen helfen oft die Kinder und Enkel, das ist bei den Migranten weniger der Fall.“Zugleich warnte sie wegen möglicher Ansteckungen vor Besuchen zum gemeinsamen Fastenbrechen im derzeit laufenden Fastenmonat Ramadan. „Wir müssen offen ansprechen, dass das leider in der gegenwärtigen Situation gefährlich ist.“
Die integrationspolitische Sprecherin der NRW-Grünen-Fraktion, Berivan Aymaz, macht vor allem soziale Gründe für die hohen Infektionen in Vierteln mit vielen Migranten verantwortlich. „Wenn wir über diese hohen Infektionszahlen bei Menschen mit Migrationsgeschichte sprechen, müssen wir die prekären Lebensverhältnisse, fehlende mehrsprachige Aufklärung und Ungerechtigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung in den Blick nehmen“, sagte die Grünen-Politikerin.
Auch Aymaz fordert besondere Anstrengungen beim Impfen. „Wir brauchen aufsuchende Angebote in den Quartieren, zum Beispiel durch mobile Impfteams.“Zuvor hatte die Vorsitzende des Europäischen Ethikrats, Christiane Woopen, im Interview mit unserer Redaktion angeregt, Impfmobile in sozial schwierige Viertel zu entsenden. Stimme des Westens