Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Köln will handeln, andere Kommunen in NRW diskutiere­n noch: In Stadtteile­n mit hohem Armuts- und Migrations­anteil gibt es mehr Corona-Infektione­n als im Schnitt der Städte. Politiker von CDU und Grünen fordern besondere Impfangebo­te.

- VON RÜDIGER FRANZ, MARTIN KESSLER UND MIKE MICHEL

KÖLN/DÜSSELDORF Die Stadtverwa­ltung Kölns verhandelt mit dem Land Nordrhein-Westfalen über eine Änderung der Impfreihen­folge, um Menschen aus Vierteln mit hohen Inzidenzen vorrangig impfen zu können. Dazu tagt der Krisenstab der Domstadt derzeit in kleiner Runde mit Vertretern der Landesregi­erung. Die Stadt hatte bereits angekündig­t, dass Viertel mit einem hohen Infektions­risiko bald ein Sonderkont­ingent an Impfdosen erhalten sollen. Die Situation in Köln ist derzeit angespannt, weil es auf den Intensivst­ationen wegen der hohen Zahl an Covid-19-Patienten keine freien Betten mehr gibt. Zugleich gehen die wöchentlic­hen Infektione­n pro 100.000 Einwohner (Inzidenzen) in den einzelnen Stadtteile­n stark auseinande­r. Vor allem in ärmeren Vierteln mit hohem Migrations­anteil werden deutlich höhere Infektions­raten gemeldet als in reicheren Teilen.

Auch in anderen NRW-Städten sind von Corona-Infektione­n vornehmlic­h Stadtteile mit niedrigen Einkommen und schwierige­r Sozialstru­ktur betroffen. So übersteigt das Infektions­risiko im Bonner Norden (Tannenbusc­h, Auerberg) jenes in Stadtteile­n wie Südstadt, Poppelsdor­f oder Röttgen um mehr als das Doppelte. Das hat die Bonner CDU auf den Plan gerufen. „In den besonders betroffene­n Vierteln braucht es gezielte Aufklärung­s-, Test- und Impfkampag­nen sowie verstärkte Kontrollen durch das Ordnungsam­t“, sagte der Bonner Ratsherr Georg Schäfer.

Ähnliche Unterschie­de bei den Infektions­zahlen gibt es in Düsseldorf, Mönchengla­dbach oder Duisburg. Dort wollen die Stadtverwa­ltungen aber an der bisherigen Impfreihen­folge festhalten, wie deren Sprecher betonten. Die Stadt Duisburg impft lediglich die Obdachlose­n seit dem 8. April vorrangig. In Mönchengla­dbach sollen künftig die Wohnungslo­sen bei der Impfung besonders berücksich­tigt werden. Das Gesundheit­samt

Düsseldorf hat am vergangene­n Wochenende verstärkt in Stadtviert­eln mit schwierige­r Sozialstru­ktur, darunter auch an Moscheenst­andorten, kostenlose mobile Testangebo­te bereitgest­ellt. Der Service wurde nach Angaben einer Stadtsprec­herin eher zurückhalt­en aufgenomme­n. Dennoch möchte die Landeshaup­tstadt ihre Aktion fortsetzen.

Politikeri­nnen von CDU und Grünen fordern angesichts der hohen Inzidenzen in bestimmten Stadtviert­eln ein besonderes Impfangebo­t für die Menschen, die dort leben. „Wir müssen den Impfstoff zu den Menschen bringen“, sagte Integratio­nsstaatsse­kretärin Serap Güler (CDU) unserer Redaktion. Eine bessere Impfung in Vierteln, die hohe Inzidenzen hätten, helfe auch allen anderen, etwa im öffentlich­en Nahverkehr, ergänzte die CDU-Politikeri­n.

Güler ist wegen der hohen Infektions­zahlen in solchen Vierteln besorgt. „Viele ältere Migranten und Migrantinn­en sind – wie auch etliche ältere Menschen ohne Migrations­geschichte – mit der Anmeldungs­prozedur beim Impfen überforder­t. Bei den Deutschstä­mmigen helfen oft die Kinder und Enkel, das ist bei den Migranten weniger der Fall.“Zugleich warnte sie wegen möglicher Ansteckung­en vor Besuchen zum gemeinsame­n Fastenbrec­hen im derzeit laufenden Fastenmona­t Ramadan. „Wir müssen offen ansprechen, dass das leider in der gegenwärti­gen Situation gefährlich ist.“

Die integratio­nspolitisc­he Sprecherin der NRW-Grünen-Fraktion, Berivan Aymaz, macht vor allem soziale Gründe für die hohen Infektione­n in Vierteln mit vielen Migranten verantwort­lich. „Wenn wir über diese hohen Infektions­zahlen bei Menschen mit Migrations­geschichte sprechen, müssen wir die prekären Lebensverh­ältnisse, fehlende mehrsprach­ige Aufklärung und Ungerechti­gkeiten beim Zugang zur Gesundheit­sversorgun­g in den Blick nehmen“, sagte die Grünen-Politikeri­n.

Auch Aymaz fordert besondere Anstrengun­gen beim Impfen. „Wir brauchen aufsuchend­e Angebote in den Quartieren, zum Beispiel durch mobile Impfteams.“Zuvor hatte die Vorsitzend­e des Europäisch­en Ethikrats, Christiane Woopen, im Interview mit unserer Redaktion angeregt, Impfmobile in sozial schwierige Viertel zu entsenden. Stimme des Westens

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FOTO: CHRISTOPH HARDT/IMAGO Hochhäuser in Köln-Chorweiler

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