Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Frieden aus Finanznot
Myanmars Militärregime hat angekündigt, die Gewalt beenden zu wollen. Neben diplomatischen Verhandlungen dürfte auch ökonomischer Druck eine Rolle spielen.
NAYPYIDAW In Myanmar soll bald wieder Frieden einkehren. Das hat das Militärregime am Dienstag durch Massenmedien im Land angekündigt. In der englischsprachigen Zeitung „Global New Light of Myanmar“heißt es in einem Statement, dass „konstruktive Vorschläge gründlich geprüft werden, sobald die Lage im Land zur Stabilität zurückkehrt“. Zunächst liege der Fokus aber darauf, „Recht und Ordnung zu wahren und Gemeinschaftsfrieden und Ruhe zu etablieren“.
Es klingt wie Hohn und Verheißung zugleich. Schließlich wurde das Chaos, in dem sich das südostasiatische Entwicklungsland seit nun fast drei Monaten befindet, durch das Militär maßgeblich verursacht. Anfang Februar putschte es sich an die Macht und setzte die zuvor demokratisch gewählte Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi fest. Gegen Demonstranten, die die erst ein Jahrzehnt junge Demokratie wahren wollen, gehen die Generäle seitdem gewaltsam vor. Rund 750 Menschen sind bisher gestorben, Tausende verhaftet. Verheißend am Statement vom Montag ist allerdings, dass ein zuletzt brutales Regime offenbar erwägt, künftig friedliche Mittel zu bevorzugen.
Auf den ersten Blick ist dies ein Erfolg der Diplomatie. Über die Tage zuvor hatten sich Regierungsvertreter der zehn Mitglieder des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN) getroffen, um die brutale und schwierige Lage in Myanmar zu diskutieren. Am Ende stand eine Einigung mit folgenden fünf Punkten: sofortige Beendigung der Gewalt, Beginn eines konstruktiven Dialogs zwischen allen Parteien, Gewährung der Einreise für die UN-Sondergesandte Christine Schraner Burgener, humanitäre Hilfe der myanmarischen Bevölkerung durch die ASEAN, Dialog durch die UN-Sondergesandte mit allen Parteien.
Ehe am Dienstag das entsprechende Statement des myanmarischen Militärregimes veröffentlicht wurde, bestand Grund zur Sorge, Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing würde sich an die ASEAN-Vereinbarungen einfach nicht halten. Schließlich hat er sich auch offenbar unter Vorwand an die Macht geputscht und betreibt seitdem aktiv Desinformationspolitik, unter anderem indem immer wieder das Internet gesperrt wird. Tatsächlich dürfte die Diplomatie der Nachbarschaft nicht der einzige Grund sein, der das Regime nun auf friedliche Gedanken zu bringen scheint.
Ein Problem ist die wirtschaftliche Lage, sowohl im Land insgesamt als auch im Lager des Militärs. Zwar verfügt das Regime über ein dichtes Netz von Unternehmen und Banken. Aber die Bewegung des sozialen Ungehorsams der Demonstranten auf den Straßen, die mit ihren Generalstreiks fast das ganze Land lahmgelegt haben, zeigt Wirkung. Während vor dem Putsch etwa noch die Biere „Black Shield“und „Myanmar Beer“in den Kühlschränken und die Zigarettenmarken „Red Ruby“und
„Premium Gold“in den Regalen der Supermärkte zu finden waren, wurden sie danach kaum noch verkauft.
Denn diese Marken gehören dem Militär – und werden deshalb seit dem Putsch boykottiert. Ein zunehmendes Problem ist dies deshalb, weil die vom Militär kontrollierten Unternehmen zu den wichtigsten Steuerzahlern gehören. Auch die meisten Banken sind seit Wochen geschlossen, nicht zuletzt, weil Mitarbeiter streiken. Ähnlich sieht es mit dem Importgeschäft aus: Da es an arbeitsbereiten Lkw-Fahrern mangelt, die die Waren an ihre Abnehmer transportieren, leidet auch das Militär unter Güterengpässen.
Dass den Machthabern allmählich das Geld ausgeht, zeichnete sich schon im Februar ab. Da versuchte die myanmarische Zentralbank eine Milliarde US-Dollar, die auf einem Konto des US-Zentralbankensystems Federal Reserve in New York disponiert waren, ins Land zu holen. Die Transaktion wurde durch die USA nicht autorisiert. Mitte Februar wollte die Regierung dann Staatsanleihen im Wert von rund 115 Millionen Euro platzieren. Allerdings gab es nur ein Gebot in Höhe eines Zehntels der von der Regierung gewünschten Menge, und dies zu einem höheren Zinssatz als erhofft. Laut dem Internationalen Währungsfonds verfügt Myanmar nur über Devisen von rund 5,5 Milliarden Euro – was etwa fünf Monaten Importwirtschaft entspricht.
Wobei auch diese schwieriger wird. Myanmars Währung Kyat hat seit dem Coup deutlich an Wert verloren, sodass wichtige Importprodukte wie Treibstoff und Speiseöl teurer werden. Auch Direktinvestitionen aus dem Ausland sind schwieriger geworden. Während das Alltagsleben für alle härter wird, weil die Preise für Nahrungsmittel steigen und sich Haushalte zunehmend verschulden, treffen die US-Sanktionen gegen das Militär auch allmählich die Machthaber.
So ist die Ankündigung eines nahenden Friedens durch das Militär auch als Bankrotterklärung der eigenen Politik zu verstehen. Dabei ist ungewiss, ob sich die Lage fortan verbessert. Zu den fünf Punkten, auf die sich die ASEAN-Staaten geeinigt haben, gehören schließlich nicht die zwei wichtigsten Forderungen der Demonstranten: die Freilassung aller politischen Gefangenen inklusive Aung San Suu Kyi sowie eine Rückkehr zur Demokratie.
Hinzu kommt, was humanitäre Organisationen im Land schon seit Wochen zu bedenken geben: In mehreren Regionen haben sich Menschen zuletzt bewaffnet. Sollte das Militär keinen Ton anschlagen, der in der breiten Bevölkerung auf Zustimmung stößt, ist mit weiteren Eskalationen im Land zu rechnen.