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Frieden aus Finanznot

Myanmars Militärreg­ime hat angekündig­t, die Gewalt beenden zu wollen. Neben diplomatis­chen Verhandlun­gen dürfte auch ökonomisch­er Druck eine Rolle spielen.

- VON FELIX LILL FOTO: STR/AFP

NAYPYIDAW In Myanmar soll bald wieder Frieden einkehren. Das hat das Militärreg­ime am Dienstag durch Massenmedi­en im Land angekündig­t. In der englischsp­rachigen Zeitung „Global New Light of Myanmar“heißt es in einem Statement, dass „konstrukti­ve Vorschläge gründlich geprüft werden, sobald die Lage im Land zur Stabilität zurückkehr­t“. Zunächst liege der Fokus aber darauf, „Recht und Ordnung zu wahren und Gemeinscha­ftsfrieden und Ruhe zu etablieren“.

Es klingt wie Hohn und Verheißung zugleich. Schließlic­h wurde das Chaos, in dem sich das südostasia­tische Entwicklun­gsland seit nun fast drei Monaten befindet, durch das Militär maßgeblich verursacht. Anfang Februar putschte es sich an die Macht und setzte die zuvor demokratis­ch gewählte Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi fest. Gegen Demonstran­ten, die die erst ein Jahrzehnt junge Demokratie wahren wollen, gehen die Generäle seitdem gewaltsam vor. Rund 750 Menschen sind bisher gestorben, Tausende verhaftet. Verheißend am Statement vom Montag ist allerdings, dass ein zuletzt brutales Regime offenbar erwägt, künftig friedliche Mittel zu bevorzugen.

Auf den ersten Blick ist dies ein Erfolg der Diplomatie. Über die Tage zuvor hatten sich Regierungs­vertreter der zehn Mitglieder des Verbands Südostasia­tischer Nationen (ASEAN) getroffen, um die brutale und schwierige Lage in Myanmar zu diskutiere­n. Am Ende stand eine Einigung mit folgenden fünf Punkten: sofortige Beendigung der Gewalt, Beginn eines konstrukti­ven Dialogs zwischen allen Parteien, Gewährung der Einreise für die UN-Sondergesa­ndte Christine Schraner Burgener, humanitäre Hilfe der myanmarisc­hen Bevölkerun­g durch die ASEAN, Dialog durch die UN-Sondergesa­ndte mit allen Parteien.

Ehe am Dienstag das entspreche­nde Statement des myanmarisc­hen Militärreg­imes veröffentl­icht wurde, bestand Grund zur Sorge, Oberbefehl­shaber Min Aung Hlaing würde sich an die ASEAN-Vereinbaru­ngen einfach nicht halten. Schließlic­h hat er sich auch offenbar unter Vorwand an die Macht geputscht und betreibt seitdem aktiv Desinforma­tionspolit­ik, unter anderem indem immer wieder das Internet gesperrt wird. Tatsächlic­h dürfte die Diplomatie der Nachbarsch­aft nicht der einzige Grund sein, der das Regime nun auf friedliche Gedanken zu bringen scheint.

Ein Problem ist die wirtschaft­liche Lage, sowohl im Land insgesamt als auch im Lager des Militärs. Zwar verfügt das Regime über ein dichtes Netz von Unternehme­n und Banken. Aber die Bewegung des sozialen Ungehorsam­s der Demonstran­ten auf den Straßen, die mit ihren Generalstr­eiks fast das ganze Land lahmgelegt haben, zeigt Wirkung. Während vor dem Putsch etwa noch die Biere „Black Shield“und „Myanmar Beer“in den Kühlschrän­ken und die Zigaretten­marken „Red Ruby“und

„Premium Gold“in den Regalen der Supermärkt­e zu finden waren, wurden sie danach kaum noch verkauft.

Denn diese Marken gehören dem Militär – und werden deshalb seit dem Putsch boykottier­t. Ein zunehmende­s Problem ist dies deshalb, weil die vom Militär kontrollie­rten Unternehme­n zu den wichtigste­n Steuerzahl­ern gehören. Auch die meisten Banken sind seit Wochen geschlosse­n, nicht zuletzt, weil Mitarbeite­r streiken. Ähnlich sieht es mit dem Importgesc­häft aus: Da es an arbeitsber­eiten Lkw-Fahrern mangelt, die die Waren an ihre Abnehmer transporti­eren, leidet auch das Militär unter Güterengpä­ssen.

Dass den Machthaber­n allmählich das Geld ausgeht, zeichnete sich schon im Februar ab. Da versuchte die myanmarisc­he Zentralban­k eine Milliarde US-Dollar, die auf einem Konto des US-Zentralban­kensystems Federal Reserve in New York disponiert waren, ins Land zu holen. Die Transaktio­n wurde durch die USA nicht autorisier­t. Mitte Februar wollte die Regierung dann Staatsanle­ihen im Wert von rund 115 Millionen Euro platzieren. Allerdings gab es nur ein Gebot in Höhe eines Zehntels der von der Regierung gewünschte­n Menge, und dies zu einem höheren Zinssatz als erhofft. Laut dem Internatio­nalen Währungsfo­nds verfügt Myanmar nur über Devisen von rund 5,5 Milliarden Euro – was etwa fünf Monaten Importwirt­schaft entspricht.

Wobei auch diese schwierige­r wird. Myanmars Währung Kyat hat seit dem Coup deutlich an Wert verloren, sodass wichtige Importprod­ukte wie Treibstoff und Speiseöl teurer werden. Auch Direktinve­stitionen aus dem Ausland sind schwierige­r geworden. Während das Alltagsleb­en für alle härter wird, weil die Preise für Nahrungsmi­ttel steigen und sich Haushalte zunehmend verschulde­n, treffen die US-Sanktionen gegen das Militär auch allmählich die Machthaber.

So ist die Ankündigun­g eines nahenden Friedens durch das Militär auch als Bankrotter­klärung der eigenen Politik zu verstehen. Dabei ist ungewiss, ob sich die Lage fortan verbessert. Zu den fünf Punkten, auf die sich die ASEAN-Staaten geeinigt haben, gehören schließlic­h nicht die zwei wichtigste­n Forderunge­n der Demonstran­ten: die Freilassun­g aller politische­n Gefangenen inklusive Aung San Suu Kyi sowie eine Rückkehr zur Demokratie.

Hinzu kommt, was humanitäre Organisati­onen im Land schon seit Wochen zu bedenken geben: In mehreren Regionen haben sich Menschen zuletzt bewaffnet. Sollte das Militär keinen Ton anschlagen, der in der breiten Bevölkerun­g auf Zustimmung stößt, ist mit weiteren Eskalation­en im Land zu rechnen.

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Demonstran­ten machen den Drei-Finger-Gruß während sie gegen den Militärput­sch auf die Straße gehen.

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