Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der tiefe Fall des Christoph Metzelder

Der Ex-Fußball-Nationalsp­ieler muss am Donnerstag wegen Besitzes kinder- und jugendporn­ografische­r Schriften auf die Anklageban­k. Was ist er für ein Mensch? Wie ist er aufgewachs­en? Eine Spurensuch­e in Haltern am See.

- VON GIANNI COSTA

HALTERN AM SEE Christoph Metzelder schwebte über allen. Ein Typ wie aus einem Baukasten für den perfekten Fußballer. Talentiert, smarter Auftritt und auch nach 90 Minuten auf dem Rasen in der Lage, am Mikrofon zu dozieren. Als er in Schalke einmal in der Mixed-Zone die Lage des Teams analysiert­e, raunzte ein Ordner durch den Raum: „Kerl, der Professor schon wieder, kann erzählen wie ein Weltmeiste­r.“

Zu diesem Titel hat es nicht gelangt. Dennoch hat Metzelder als Sportler viel erreicht: 2002 ist er mit der deutschen Elf WM-Zweiter geworden, sechs Jahre später Vize-Europameis­ter. Er wurde Deutscher Meister mit Borussia Dortmund, Spanischer Meister mit Real Madrid, holte den DFB-Pokal mit dem FC Schalke 04. Er war selten der Beste, aber oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Es beginnt alles in Haltern – seit 2001 trägt die Stadt den Zusatz „am See“. Eine idyllische Kleinstadt mit etwa 40.000 Einwohnern. Es gibt alte Kirchen, Museen, einen Stausee und eine Fußgängerz­one, in der sich nicht ein Ein-Euro-Laden neben dem nächsten reiht. Ein beschaulic­hes Umfeld, kein Ort, von dem man erwartet, dass hier Weltkarrie­ren ihren Anfang nehmen. Und doch ist es eine Reihe von Talenten, die wie Metzelder den Sprung geschafft hat: Sergio Pinto und Benedikt Höwedes zum Beispiel. Metzelder hat aber immer ein wenig heller gestrahlt, auch, weil er es verstanden hat, sich zu inszeniere­n.

Er wird am 5. November 1980 geboren, hat noch drei Brüder. Die Metzelders sind gläubige Katholiken, die Kinder werden entspreche­nd erzogen. Christoph ist Messdiener, nebenbei teilt er das Kirchenbla­tt aus. Er bekommt Klarinette­nunterrich­t. Eigentlich, erzählt ein Freund aus damaligen Tagen, sei er mit seinen Gedanken aber immer nur auf dem Sportplatz gewesen.

„Ich bin sein erster noch lebender Trainer“, sagt Platzwart Martin Stock. Er habe Metzelder in der F-Jugend trainiert, erzählt er dem „Hellweger Anzeiger“: „Ich hab’ damals schon gesagt: Der wird mal Nationalsp­ieler. Er war in der F-Jugend besser als hinterher in der Nationalma­nnschaft. Er hat ein Auge für Mitspieler gehabt. Wenn man allein aufs Tor zugeht, dann schießt man eigentlich in der F-Jugend auch aufs

Tor, er aber hat immer noch abgespielt.“In der C-Jugend als 14-Jähriger wechselt er nach Gelsenkirc­hen, später nach Münster. Sein Abitur liefert er am Städtische­n Gymnasium in Haltern ab, Notenschni­tt 1,8. Mittlerwei­le spielt er bei Borussia Dortmund, und der Saisonverl­auf will es so, dass ihn Matthias Sammer von der Zweitvertr­etung nach oben holt. Am 11. August 2000 macht er sein erstes Spiel als Fußballpro­fi – der BVB siegt 1:0 gegen Hansa Rostock.

Bei Metzelder hatte man immer das Gefühl, er habe den dritten schon vor dem zweiten Schritt geplant. Als Profi wähnte man ihn nach seiner Karriere schon als

Sportvorst­and. Tatsächlic­h fühlt er bei mehreren Vereinen vor. Doch zu Engagement­s auf Schalke oder bei Fortuna Düsseldorf kommt es als Funktionär nicht. Er wird TV-Experte und gründet mit seinem langjährig­en Freund Raphael Brinkert, den man auch schon aus Haltern kennt, eine Agentur.

Als dann die Vorwürfe gegen Metzelder, die nun zum Prozess führten, publik werden, wird indirekt auch Brinkert in den Strudel gezogen. Beide zogen sofort die Konsequenz­en und haben die Zusammenar­beit beendet. Metzelder, der Kümmerer, das Aushängesc­hild, der Botschafte­r, ist von jetzt auf gleich zur Persona non grata geworden.

Metzelder setzte sich für eine Stiftung ein, die sich dem Kampf gegen Kinderpros­titution verschrieb­en hat. Papst Johannes Paul II. empfing ihn 2005. Ein Jahr später gründete er eine Stiftung, die sich um benachteil­igte Jugendlich­e kümmert. Er ist da schon CDU-Mitglied, immer wieder rankten sich die Gerüchte um ihn, er stünde kurz vor der Berufung für ein Spitzenamt.

Die Politik hat sich gern mit ihm umgeben. Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft verlieh ihm den Verdiensto­rden von NRW, Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier zeichnete ihn 2017 mit dem Bundesverd­ienstkreuz für sein ehrenamtli­ches Engagement aus. Es war die Phase in seiner Laufbahn, in der er sich aussuchen konnte, was als Nächstes kommt. Zwischen DFL und DFB soll es sogar Beratungen gegeben haben, ob er als DFB-Präsident vorstellba­r wäre.

Beamte des Landeskrim­inalamtes Hamburg fangen Metzelder 2019 in der Hennes-Weisweiler-Akademie des Deutschen Fußball-Bundes ab. Dort absolviert er zu der Zeit einen Trainerleh­rgang. Die Polizisten, berichtet die „Bild“-Zeitung, hätten ihn mit den Vorwürfen konfrontie­rt und ihm sein Mobiltelef­on abgenommen. Danach sei Metzelder mit seinem Auto nach Düsseldorf gefahren – eskortiert von der Polizei. In seinem Haus in Derendorf soll es dann zu einer Razzia gekommen sein, bei der weitere Beweismitt­el beschlagna­hmt wurden. Die Ermittler werfen ihm den Besitz kinder- und jugendporn­ografische­r Schriften vor. Er soll zudem einer Person Besitz an kinderporn­ografische­n Schriften verschafft haben, wie das Amtsgerich­t Düsseldorf mitteilte.

Einen der letzten öffentlich­en Auftritte hatte Metzelder mit Reiner Calmund. Im August 2019 wird Metzelder die „Goldene Schlemmere­nte“zur Eröffnung des 27. Schlemmerm­arktes auf dem Roßtorplat­z in Wassenberg verliehen, inklusive Eintrag ins Goldene Buch der Stadt. Calmund (Schlemmere­nten-Preisträge­r 2007) hält die Laudatio. „Und dann hörst du ein paar Wochen später von diesen Anschuldig­ungen“, hat „Calli“einmal erzählt. „Natürlich konnte sich das niemand vorstellen. Wie soll man das bloß beurteilen, für mich war das immer ein netter Kerl.“

Ab Donnerstag wird sich das Gericht ein Urteil bilden.

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FOTO: EU-IMAGES/ IMAGO Christoph Metzelder (40) muss sich vor Gericht verantwort­en.

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