Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Keller ist nicht mehr tragbar
unsäglichen und menschen-verachtenden Willkürjustiz des Dritten Reiches zu rücken“.
Der 1945 gestorbene Freisler war als Teilnehmer an der Wannseekonferenz einer der Verantwortlichen für die Organisation des Holocaust und später Präsident des berüchtigten Volksgerichtshofes, wo er etwa 2600 Todesurteile verhängte, darunter auch gegen die Widerstandsgruppe „Weiße Rose“.
Das Präsidium des Bayerischen Fußball-Verbandes teilte mit, es sei entsetzt über „die von Fritz Keller ausgelöste neuerliche Eskalation innerhalb des DFB und seiner Regionalsowie Landesverbände“. Zuvor hatte der BFV mitgeteilt, dass der 62 Jahre alte Koch die Entschuldigung Kellers bislang nicht angenommen habe, weil dieser den gesamten Vorgang mit zeitlichem Abstand zunächst in einem persönlichen Gespräch mit dem DFB-Präsidenten aufarbeiten wolle. Keller hatte zunächst erklärt, dass er sich schriftlich bei Koch entschuldigt und dieser „die Größe“gehabt habe, „die Entschuldigung anzunehmen“. Diese Einschätzung revidierte er nun, sei falsch, sagte der DFB-Präsident. In der vom DFB zunächst bestätigten Erklärung sagte Keller zudem: „Insbesondere auch im Hinblick auf die Opfer des Nationalsozialismus war der Vergleich gänzlich unangebracht.“
„Ich bin schon fassungslos. Wie kann der DFB-Präsident in diesem gesellschaftlich so wichtigen Amt solch einen Nazivergleich einführen?“, kritisierte der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger bei „Bild“.
Der Gastronom und Winzer Keller, der jahrelang an der Spitze des Bundesligisten SC Freiburg stand, wurde im September 2019 beim DFB zum Nachfolger von Reinhard Grindel gewählt. Dieser war zurückgetreten, nachdem bekannt geworden war, dass er eine Luxusuhr von einem ukrainischen Oligarchen angenommen hatte. Die jetzige DFB-Spitze gilt als zerstritten.
Die verbale Entgleisung von DFB-Präsident Fritz Keller wirft viele Fragen auf. Wie vertrauenswürdig im Sinne von 7,1 Millionen Mitgliedern das Präsidium eigentlich zusammenarbeitet, wenn der Vorsitzende seinen Vizepräsidenten in einer Sitzung mit NS-Richter Roland Freisler vergleicht, ist da fast nachrangig. Drängender ist da schon die Frage, wes Geistes Kind Fritz Keller ist, wenn ihm dieser Vergleich erst in den Sinn und dann über die Lippen kommt. Und ist jemand nach solch einem Fehler als DFB-Präsident noch tragbar? Die Antwort lautet: nein.
Niemand kann Nazivergleiche äußern und weiter als oberster Repräsentant des größten nationalen Sport-Fachverbandes der Welt agieren. Keller steht für alle Kinder und Jugendlichen, die im Verein Fußball spielen. Er steht für Kampagnen des DFB gegen Rassismus und Antisemitismus, für den Wert des Ehrenamtes und der Sozialisierung durch Sport. Wie soll er das tun, wenn er nicht in der Lage ist, in einer Diskussion seinem Nebenmann etwas anderes an den Kopf zu werfen als einen Vergleich mit einem NS-Schergen?
Deswegen wäre der Rücktritt die logische Konsequenz. Als Zeichen dafür, dass Keller Verantwortung übernimmt für etwas, das der Ausübung seines Amtes widerspricht. Doch einen Rücktritt schließt er aus. Er will weitermachen. Das ist eine zwar immer gängigere, aber falsche Argumentation bei Verfehlungen: Ja, ich habe einen Fehler gemacht, aber wenn ich zurücktrete, flüchte ich vor meinen Aufgaben. Das ist ein Irrtum. Nicht mit dem Rücktritt würde Keller seine Arbeit im Stich lassen. Das hat er bereits mit der Entgleisung in der Präsidiumssitzung getan. Nun hat er nur noch eine Aufgabe: weiteren Schaden vom DFB abzuwenden.