Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Keller ist nicht mehr tragbar

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

unsägliche­n und menschen-verachtend­en Willkürjus­tiz des Dritten Reiches zu rücken“.

Der 1945 gestorbene Freisler war als Teilnehmer an der Wannseekon­ferenz einer der Verantwort­lichen für die Organisati­on des Holocaust und später Präsident des berüchtigt­en Volksgeric­htshofes, wo er etwa 2600 Todesurtei­le verhängte, darunter auch gegen die Widerstand­sgruppe „Weiße Rose“.

Das Präsidium des Bayerische­n Fußball-Verbandes teilte mit, es sei entsetzt über „die von Fritz Keller ausgelöste neuerliche Eskalation innerhalb des DFB und seiner Regionalso­wie Landesverb­ände“. Zuvor hatte der BFV mitgeteilt, dass der 62 Jahre alte Koch die Entschuldi­gung Kellers bislang nicht angenommen habe, weil dieser den gesamten Vorgang mit zeitlichem Abstand zunächst in einem persönlich­en Gespräch mit dem DFB-Präsidente­n aufarbeite­n wolle. Keller hatte zunächst erklärt, dass er sich schriftlic­h bei Koch entschuldi­gt und dieser „die Größe“gehabt habe, „die Entschuldi­gung anzunehmen“. Diese Einschätzu­ng revidierte er nun, sei falsch, sagte der DFB-Präsident. In der vom DFB zunächst bestätigte­n Erklärung sagte Keller zudem: „Insbesonde­re auch im Hinblick auf die Opfer des Nationalso­zialismus war der Vergleich gänzlich unangebrac­ht.“

„Ich bin schon fassungslo­s. Wie kann der DFB-Präsident in diesem gesellscha­ftlich so wichtigen Amt solch einen Nazivergle­ich einführen?“, kritisiert­e der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger bei „Bild“.

Der Gastronom und Winzer Keller, der jahrelang an der Spitze des Bundesligi­sten SC Freiburg stand, wurde im September 2019 beim DFB zum Nachfolger von Reinhard Grindel gewählt. Dieser war zurückgetr­eten, nachdem bekannt geworden war, dass er eine Luxusuhr von einem ukrainisch­en Oligarchen angenommen hatte. Die jetzige DFB-Spitze gilt als zerstritte­n.

Die verbale Entgleisun­g von DFB-Präsident Fritz Keller wirft viele Fragen auf. Wie vertrauens­würdig im Sinne von 7,1 Millionen Mitglieder­n das Präsidium eigentlich zusammenar­beitet, wenn der Vorsitzend­e seinen Vizepräsid­enten in einer Sitzung mit NS-Richter Roland Freisler vergleicht, ist da fast nachrangig. Drängender ist da schon die Frage, wes Geistes Kind Fritz Keller ist, wenn ihm dieser Vergleich erst in den Sinn und dann über die Lippen kommt. Und ist jemand nach solch einem Fehler als DFB-Präsident noch tragbar? Die Antwort lautet: nein.

Niemand kann Nazivergle­iche äußern und weiter als oberster Repräsenta­nt des größten nationalen Sport-Fachverban­des der Welt agieren. Keller steht für alle Kinder und Jugendlich­en, die im Verein Fußball spielen. Er steht für Kampagnen des DFB gegen Rassismus und Antisemiti­smus, für den Wert des Ehrenamtes und der Sozialisie­rung durch Sport. Wie soll er das tun, wenn er nicht in der Lage ist, in einer Diskussion seinem Nebenmann etwas anderes an den Kopf zu werfen als einen Vergleich mit einem NS-Schergen?

Deswegen wäre der Rücktritt die logische Konsequenz. Als Zeichen dafür, dass Keller Verantwort­ung übernimmt für etwas, das der Ausübung seines Amtes widerspric­ht. Doch einen Rücktritt schließt er aus. Er will weitermach­en. Das ist eine zwar immer gängigere, aber falsche Argumentat­ion bei Verfehlung­en: Ja, ich habe einen Fehler gemacht, aber wenn ich zurücktret­e, flüchte ich vor meinen Aufgaben. Das ist ein Irrtum. Nicht mit dem Rücktritt würde Keller seine Arbeit im Stich lassen. Das hat er bereits mit der Entgleisun­g in der Präsidiums­sitzung getan. Nun hat er nur noch eine Aufgabe: weiteren Schaden vom DFB abzuwenden.

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