Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Magnus Carlsens Herausforderer ist ein alter Bekannter
Der Russe Jan Nepomnjaschtschi hat das Schach-Kandidatenturnier in Jekaterinburg gewonnen und spielt im November gegen den Weltmeister in Dubai.
JEKATERINBURG Für Randbeobachter war er lange ein Nemo, ein Niemand, nun aber werden wir alle uns seinen Namen dauerhaft merken müssen: Jan Nepomnjaschtschi. Wegen der sperrigen Schlusskonsonanten wird der Russe in der Schachwelt ebenso liebevoll wie pragmatisch nur „Nepo“gerufen. Soeben hat er das Fide-Kandidatenturnier im russischen Jekaterinburg gewonnen und darf im November in Dubai den amtierenden Weltmeister Magnus Carlsen herausfordern.
Jekaterinburg hat der 30-jährige „Nepo“übrigens schon vor der letzten Runde für sich entschieden. Gefährlich konnte ihm nur Anish Giri werden, der niederländische Schachgroßmeister russisch-nepalesischer Herkunft. Doch in der vorletzten Runde stand Giri nach einem verkorksten Mittelspiel gegen den Russen Alexander Grischuk plötzlich mit zwei Bauern weniger da und musste sich geschlagen geben. „Nepo“dagegen fuhr gegen den Franzosen Maxime Vachier-Lagrave ein gemütliches und jederzeit ungefährdetes Remis ein – und hatte nach Runde 13 einen ganzen Punkt Vorsprung vor Giri. Der konnte Nepomnjaschtschi zwar nach Punkten noch einholen, aber da der Russe im direkten Vergleich führte, war ihm der Turniersieg sicher (auch wenn er im letzten, dem 14. Match gegen den Chinesen Ding Liren verlor).
Das Turnier, das wegen die Corona-Pandemie unterbrochen werden musste, erlebte Nepomniaschtschi in bärenhaft guter Verfassung, im Gegensatz zu dem schwächelnden Italo-Amerikaner Fabiano Caruana. Carlsen beschert das keine angenehmen Gefühle, denn seine Bilanz gegen Nepomnjaschtschi ist alles anderes berauschend. Im Jahr 2021 musste Carlsen bei drei Siegen bereits drei Niederlagen einstecken, wobei er in der jüngsten Niederlage am 19. März von dem
Russen unwiderstehlich in ein raffiniertes Mattnetz gezogen wurde.
Carlsen und Nepomnjaschtschi kennen einander sehr gut, Sticheleien kennt man von den beiden nicht, im Gegenteil, gern absolvieren sie auch Trainingsspiele. In Runde zehn des Kandidatenturniers wurde Carlsen als Gast zu Nepomnjaschtschi befragt. Carlsen sagte aus eigener Leidensanalyse: „Gegen Jan zu spielen, ist seit Jahren immer wieder eine spannende Erfahrung für mich, da prallen unterschiedliche Stile aufeinander. Er ist einer derjenigen, die mich überspielen können. Jan spielt schnell, ist extrem stark, taktisch erfindungsreich.
Doch Vorteile zu verwerten, ist nicht seine Stärke. Und er hat dieses Problem, dass er gelegentlich zu oberflächlich spielt. Aber wenn Jan inspiriert ist, dann ist er extrem gut.“
Die Analyse seines künftigen Gegners mündete in eine wichtige Erkenntnis Carlsens: „Klasse beim Schach besteht nicht nur darin, in welche Höhen du dich emporschwingen kannst, wie gut du spielst, wenn es perfekt läuft. Ein wesentlicher Faktor ist, wie gut du spielst, wenn es schlecht läuft.“Wenn „Nepo“also konstant gut in Form ist – so wie jetzt –, dann muss sich Carlsen demnächst warm anziehen. Sogar in Dubai.