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Eines der ältesten Fahrradges­chäfte schließt

Mitte Mai wird Benjamin Hartmann sein Fahrradges­chäft in Rath aufgeben – kurz vor dem 100-jährigen Bestehen.

- VON BEATE WERTHSCHUL­TE RP-FOTO: ANNE ORTHEN

RATH Gegründet wurde das Fahrradges­chäft Hartmann am Rather Broich im Jahr 1923 von Reinhard Hartmann, und zwar zunächst als Fahrrad- und Motorradwe­rkstatt, der Verkauf kam erst später hinzu. Heute wird es in der vierten Generation von Benjamin Hartmann geführt. Im Laufe dieser fast 100 Jahre ist viel passiert. „Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Deutschlan­d einen Rennradboo­m. Und weil mein Großvater und mein aus Italien stammender Großonkel – nach ihm wurde das Geschäft in Hartmann-Franguelli umbenannt – viel Spaß am Radsport hatten, konzentrie­rte sich das Geschäft lange auf den Verkauf und die Reparatur von Rennrädern“, erzählt Benjamin Hartmann. Insbesonde­re italienisc­he und französisc­he Rennräder seien damals mit großem Erfolg verkauft worden, so der 33-Jährige weiter. Später wurden dann nicht nur Räder der unterschie­dlichsten Marken angeboten und repariert, auch eine große Auswahl Zubehör gehörte zum Sortiment.

Benjamin Hartmann ist mit dem Fahrradges­chäft sozusagen aufgewachs­en. Es war immer Teil seines Lebens, und er war schon als Junge häufig dort. Das hat damit zu tun, dass sein Vater nicht nur Eigentümer der Räume – ein großer Verkaufsra­um und die Reparaturw­erkstatt – ist, sondern darüber hinaus im Nebengebäu­de einen Stahl- und Metallbaub­etrieb führt, übrigens ebenfalls bereits in der dritten Generation. Also absolviert­e Hartmann nach seinem Schulabsch­luss eine – damals noch ganz neue – Ausbildung zum Zweiradmec­haniker mit Ausrichtun­g Fahrrad. „Ich gehörte vor rund 15 Jahren zu den ersten, die diesen Beruf erlernt haben“, erinnert er sich. Anschließe­nd stieg er ins Familienge­schäft ein, arbeitete dort zunächst gemeinsam mit seiner Großtante, später mit seiner Stiefmutte­r,

die zwischenze­itlich auch die Geschäfte führte, und einem Mechaniker.

Zu dieser Zeit, als sie noch zu dritt gewesen seien, so Hartmann, habe ihm die Arbeit viel Spaß gemacht, insbesonde­re der Kontakt zu den Kunden und deren Beratung. Vor fünf Jahren übernahm er dann selbst die Geschäftsf­ührung – obwohl sich, wie er sagt, zu diesem Zeitpunkt die Bedingunge­n schon geändert hatten. „Die Umsätze wurden im Laufe der Jahre schlechter“, erinnert sich Hartmann. Inzwischen würden sehr viele Fahrräder online oder auch bei großen Ketten gekauft, so der 33-Jährige weiter, und diese könnten natürlich deutlich bessere Angebote machen als ein lokaler Einzelhänd­ler. Also hat er sein Geschäft verändert und vor etwa zwei Jahren den Verkauf von Fahrrädern aufgegeben, lediglich Zubehör blieb weiterhin im Angebot. Seitdem arbeitet er allein und konzentrie­rt sich auf das Reparieren von Rädern – und hier ist die Nachfrage mit Beginn der Corona-Krise gestiegen. „Viele Leute haben ihre Fahrräder aus dem Keller geholt, und weil diese lange nicht genutzt wurden, brauchten sie eine Rundumerne­uerung“, sagt Hartmann. 50 bis 60 Reparature­n in der Woche seien im vergangene­n Sommer keine Seltenheit gewesen.

Allerdings hat der Fahrradboo­m auch dazu geführt, dass Ersatzteil­e kaum noch zu bekommen sind, insbesonde­re kleinere Händler, die nur wenig bestellen können, müssen oft lange Wartezeite­n in Kauf nehmen. „Gerade im Sommer, wenn das Wetter schön ist, möchten die Kunden aber nicht mehrere Wochen auf ihre Räder warten“, erklärt Hartmann das Dilemma.

Lange hat der 33-Jährige mit sich gerungen, ob er das Geschäft trotz aller Schwierigk­eiten und finanziell­er Einbußen weiterführ­en oder lieber etwas ganz Neues beginnen soll. Nun ist die Entscheidu­ng gefallen – am 15. Mai wird er das Geschäft aufgeben und anschließe­nd eine Ausbildung zum Elektriker beginnen. „Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt er. Natürlich werde er viele langjährig­e Stammkunde­n vermissen, aber er freue sich nun auch auf den Neuanfang.

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Nur noch bis zum 15. Mai ist Benjamin Hartmann in seiner Fahrradwer­kstatt tätig.

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