Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Sabrina Fritsch leitet Malereiklasse
Die 42-Jährige hat soeben an der Akademie ihre Professur angetreten. Sie ist eine analytische Künstlerin, die jungen Studierenden rät, in Arbeiten mehr von sich zu verraten.
DÜSSELDORF Vor einem halben Jahrhundert schrieb Jörg Immendorff auf ein Bild die Worte „Hört auf zu malen“, aber er hörte zum Glück nicht damit auf. An der Düsseldorfer Kunstakademie sind die Malerei-Klassen voller als andere. Das Interesse zeigt sich auch schon bei den Bewerbungen: Die Hälfte der 650 Kandidaten, die ihre Mappe einreichten, möchte am liebsten Maler werden. Die sogenannte Mappenkommission wählte allerdings nur rund 90 junge Leute aus, die demnächst im Orientierungsbereich beginnen dürfen. In der aktuellen Jury saß auch Sabrina Fritsch, die soeben ihre Malereiprofessur angetreten hat, aber schon zuvor als Gast unterrichtet hat.
Die 42-Jährige nahm bereits zum zweiten Mal an der Mappendurchsicht teil und berichtet, wie schnell man ein Urteil fällt. Sie erklärt: „Das geht ruckizucki. Der Bauch spielt dabei eine große Rolle, aber entscheidend sind die Augen, die sich über die Jahre hinweg mit Kunst beschäftigt haben.“Die neue Professorin rät den Anfängern, in ihren Arbeiten mehr von ihrer Person zu verraten und nicht nur zu beweisen, dass man sich bei Instagram gut auskennt.
Fritsch selbst ist eine analytische Künstlerin, die jeden Schritt hinterfragt, bei sich und bei den Studenten. Sie kommt von der Grafik her, arbeitet nicht spontan als Malerin, sondern reflektiert die Farbkontraste, die Ornamente, das Minimale und Hard Edge. Typisch war ihre Inszenierung für den Landsberg-Preis vergangenes Jahr im Kunstpalast. Dort deklinierte sie das Alphabet der Farben nach dem Farbmodell des industriellen Vierfarbdrucks. Das Ergebnis der Töne Cyan, Magenta, Yellow und Key – also Blau,
Sabrina Fritsch über den Auswahlprozess der neuen Malerei-Studenten
Rot, Gelb und Schwarz – waren neue Raumbilder, für die sie viel Beifall erhielt. Für Fritsch selbst war es ein Versuchsballon, wie sie sagt, sind doch Farben des Offset-Drucks total flach, sodass jegliche Haptik verschluckt wird.
Die Bilder an den Wänden im Ehrenhof waren eine Zusammenkunft von Bildideen, die sie zuvor in Künstlerbüchern praktiziert hatte und die sie nun mit Farben mischte, die sie eigens für den Zweck der Rauminszenierung ausgesucht hatte. Dieses Spiel zwischen den Grenzen
und der Entgrenzung der Malerei bringt sie nun in ihre Klasse ein. Das feine Sfumato eines Gotthard Graubner wäre nicht ihr Ding. Sie geht von der Struktur aus, die sich als Zeichen vom Untergrund lösen und zum Motiv werden kann. Sie gliedert, konstruiert und collagiert in ihren organischen und architektonischen Formen Wahrnehmungsprozesse, die sie perfekt in die Erscheinung bringt. Sie arbeitet aber auch sehr geschickt mit dem Malmaterial, um die Flächen zu strukturieren.
Sabrina Fritsch hat bei drei sehr unterschiedlichen Lehrern studiert. In Mainz waren es Winfried Virnich, ein Vertreter der radikalen, ungegenständlichen Malerei, und Anne Berning, die eher einen konzeptionellen Ansatz hat und mit kunstgeschichtlichen Zitaten arbeitet. Peter Doig, zu dem sie 2005 an die hiesige Akademie wechselte, lotet in seinen Bildern Stimmungen aus, um die Welt zu fühlen und zu sehen. Sie wurde seine Meisterschülerin. Alle drei Positionen kehren in ihren Arbeiten wieder. Im Gegensatz zu Doig pflegt sie, kein Motiv direkt abzubilden, sondern in Codes zu verschlüsseln und zu transformieren. So ist die Balance zwischen Grafismen und Farbe, Strenge und Auflösung gewahrt. Die intuitive Entscheidung im Malprozess wird rational kontrolliert.
„Der Bauch spielt dabei eine große Rolle, aber entscheidend sind die Augen“