Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Theater sind immer noch sehr hierarchis­ch“

Die NRW-Kulturmini­sterin begrüßt die Aufarbeitu­ng der rassistisc­hen Vorfälle am Düsseldorf­er Schauspiel­haus und spricht von einer bundesweit­en Aufgabe.

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Frau Pfeiffer-Poensgen, werden im Spätsommer dieses Jahres wieder Kulturvera­nstaltunge­n unter freiem Himmel möglich sein?

PFEIFFER-POENSGEN Auch wenn es oft nicht leicht fällt, bleibe ich Optimistin und hoffe, dass es nach den Sommerferi­en wieder losgehen kann. Open-Air-Veranstalt­ungen vielleicht noch früher. Das Bedürfnis nach Kunst und Kultur in der Gesellscha­ft jedenfalls ist riesig, wie man allein schon an der hohen Nachfrage etwa nach der Warhol-Ausstellun­g in Köln oder der Heinz-Mack-Ausstellun­g hier in Düsseldorf sehen konnte.

Und bis dahin begnügen wir uns weiter mit unendlich vielen Streaming-Angeboten… PFEIFFER-POENSGEN …die sich aber in den vergangene­n Monaten auch sehr weiterentw­ickelt haben. Am Anfang war das natürlich notgedrung­en noch so ein bisschen „Handmade“, eine Aufführung wurde quasi nebenbei mitgefilmt. Inzwischen haben sich viele Einrichtun­gen auf diesem Feld unglaublic­h profession­alisiert. Jetzt sind von etlichen Produktion­en richtig gut gemachte Videos im Netz zu sehen. Die Nachfrage danach ist nach wie vor da, aber natürlich wollen die Menschen Konzerte oder Theaterauf­führungen bald auch endlich wieder live erleben.

Was kann aber jetzt schon getan werden?

PFEIFFER-POENSGEN Wir müssen überlegen, wie wir die Spielstätt­en, wenn sie denn öffnen dürfen, so gestalten, dass die Menschen sich darin auch wieder sicher fühlen können. Wir haben dazu die Deutsche Theatertec­hnische Gesellscha­ft beauftragt, die 26 größten Häuser in NRW unter diesem Aspekt zu prüfen und zu beraten. Das werten wir gerade aus. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass 80 Prozent der untersucht­en Häuser die Anforderun­gen an eine pandemiege­rechte Lüftung erfüllen. Das ist ein ermutigend­es Signal.

In Düsseldorf plant man das große Festival „Theater der Welt“jetzt ab dem 17. Juni – auf einer offenen Bühne gleich vor dem Theater.

„Lieber Herr Goertz,

ich bedanke mich für Ihre Zeilen, die mich bei der Morgengymn­astik erreichen. Als Institutsl­eiter kommt man zu wenig an die frische Luft, und das viele Sitzen verkürzt den lliopsoas. Ich habe natürlich meine eigenen Übungen entwickelt, die anderen taugen ja alle nichts. Wenn Sie möchten, teile ich sie gerne mit Ihnen, Sie sitzen ja auch viel.

Diesen Liefers sehe ich nur zweimal im Jahr. Unter uns, ich halte ihn für überschätz­t. Der Rummel um seine Person erschließt sich mir nicht ganz, angesichts des wesentlich wichtigere­n Umstandes, dass ich doch in sämtlichen Lebensfrag­en über die deutlich größere Expertise verfüge, wie Sie erfreulich­erweise ganz richtig zu bemerken beliebten.

Verglichen mit mir ist er vielleicht nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen, aber er liebt die Menschen und möchte auch zurückgeli­ebt werden. Ersteres ist mir völlig fremd, letzteres trifft wohl auf uns alle zu. Nun werden einige große Geschütze gegen ihn aufgefahre­n, und man darf gespannt sein. Unsere nächste Verabredun­g jedenfalls steht in meinem Kalender für Ende Mai.

Was den Applaus von der falschen Seite angeht, ist das wohl ein Problem. Ich teile Ihre Ansicht über manche klatschend­en Hände, die er nicht drücken würde… so hatten Sie es wohl formuliert. Anderersei­ts, wenn man diesen Aspekt immer sicher ausschalte­n wollte, was könnte man dann überhaupt noch kritisiere­n? Welche Meinung äußern? Welche Rede halten? Welchen Film drehen?

Sicher stimmen Sie mir aber zu, wenn ich seine erklärte Abgrenzung als eindeutig und unmissvers­tändlich bewerte. Das sollte man zur Kenntnis nehmen und akzeptiere­n.

Da ich Liefers ein basales medizinisc­hes Verständni­s zugutehalt­e, würde ich ausnahmswe­ise meine Hand dafür ins Feuer legen, dass er sowohl um die Problemati­k der Ansteckung als auch die Gefahr der schweren Erkrankung weiß.

Den Rest hat er sich natürlich selbst zuzuschrei­ben, da muss er jetzt durch. Wie ich ihn kenne, wird er wohl versuchen, die gegenwärti­ge, zum Teil recht negativ geladene Aufgeregth­eit in etwas Gutes, Brauchbare­s zu wandeln. Hoffentlic­h erfindet er nicht das Rad neu!

Zum Glück habe auch ich keine zustellung­sfähige Anschrift dieses Herrn, aber wenn er mir über den Weg läuft, werde ich Ihren Brief gerne… – Ahhh, jetzt ist mir doch mein Smoothie mit sämtlichen essenziell­en Aminosäure­n umgekippt und in den Bechstein meines Vater selig gelaufen…

Bitte entschuldi­gen Sie mich.

Mit akademisch­en Grüßen, Prof. Dr. Karl-Friedrich Boerne“

PFEIFFER-POENSGEN Das finde ich eine gute Idee. Und das Festival-Programm ist so schön, dass ich nur hoffen kann, dass manches davon auch wirklich gezeigt werden kannte. Wirklich planbar ist das angesichts der derzeitige­n Pandemiela­ge aber noch nicht.

Das Land ist neben der Kommune Träger des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses. An dem werden seit einiger Zeit Debatten über einen rassistisc­hen Vorfall im Ensemble geführt. Was lässt sich strukturel­l ändern, um solche Vorfälle künftig

zu verhindern?

PFEIFFER-POENSGEN Es hat mich sehr erschütter­t, dass es Menschen im Schauspiel­haus gibt, die offenbar rassistisc­he und diskrimini­erende Erfahrunge­n machen mussten. Es ist absolut notwendig und auch richtig, dass das Schauspiel­haus die Vorwürfe aufklärt, auch mit externer Hilfe. Es ist wichtig, wenn dieser Prozess von jemandem moderiert wird, der eben nicht im Schauspiel­haus arbeitet. Daneben hat die Theaterlei­tung sicher auch Recht, wenn sie die Vorfälle auch in einen größeren Kontext einordnet, weil dieses

Thema eine grundlegen­de Bedeutung für viele vergleichb­are Kultureinr­ichtungen hat. Denn am Ende wird es auch um die Veränderun­g von bestehende­n Strukturen am Theater gehen – und zwar bundesweit. Theater sind vom Grundsatz her immer noch sehr hierarchis­ch strukturie­rt. In einem solchen Prozess muss man bereit sein, vieles infrage zu stellen. Das ist eine ziemlich grundsätzl­iche Arbeit; aber der müssen wir uns jetzt stellen.

Wenn ein Teil der Ursachen in den Strukturen liegen, dürften auch andere Theater betroffen sein?

PFEIFFER-POENSGEN Natürlich. Wenn ein einziger Gastbeitra­g eines Dramaturge­n in der FAZ hierzu eine Erwiderung hervorruft, die 1400 Menschen unterschre­iben, dann ist das ein klarer Hinweis, dass hier Fragen angesproch­en werden, die viele Theatersch­affende bewegen, nicht nur in Düsseldorf. Man wird am Ende einen Weg finden müssen, wie Entscheidu­ngsabläufe im Theater und Fragen der Rollenbese­tzung mit den künstleris­chen Fragen und deren besonderen Anforderun­gen

in Einklang gebracht werden können.

Eine andere Kulturdeba­tte in NRW kreist um den Standort des Deutschen Fotoinstit­uts. Erst sollte es in Düsseldorf stehen, dann in Essen. Jetzt steht eine Teilung der neuen Einrichtun­g auf beide Städte im Raum. Ist das eine glückliche Lösung?

PFEIFFER-POENSGEN Aus meiner Sicht stehen jetzt zunächst die Inhalte im Fokus. Wir sprechen hier von einer nationalen Einrichtun­g. Monika Grütters als Kulturstaa­tsminister­in hat angekündig­t, dass sie jetzt noch einmal alle Akteure an einen runden Tisch bringen wird, um zu versuchen, eine Brücke zwischen den verschiede­nen inhaltlich­en Ansätzen zu bauen. Ein nationales Fotoinstit­ut hat einen umfassende­n Arbeitsauf­trag, vergleichb­ar etwa mit dem Literatura­rchiv in Marbach. Ich bin daher sehr froh, dass dieses Bundesinst­itut für Fotografie nach NRW kommen soll.

LOTHAR SCHRÖDER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) ist Landesmini­sterin für Kultur und Wissenscha­ft.

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