Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Heikle Raubkunst-Entscheidu­ng

Düsseldorf soll ein bedeutende­s Ölgemälde als Raubkunst zurückgebe­n. An diesem Fall hat sich aber eine Grundsatzd­ebatte von internatio­nalem Ausmaß entzündet. Was soll der Stadtrat tun?

- VON ARNE LIEB

DÜSSELDORF Düsseldorf ist unverhofft ins Zentrum einer Debatte um den Umgang mit Raubkunst geraten – und der Stadtrat steht damit am Donnerstag vor einer heiklen Entscheidu­ng. Die Erben eines jüdischen Bankiers sollen ein Ölgemälde von Franz Marc aus der städtische­n Sammlung erhalten. Das empfiehlt die Beratende Kommission, ein Gremium unter dem Vorsitz des ehemaligen Bundesverf­assungsger­ichtspräsi­denten HansJürgen Papier, das eingeschal­tet werden kann, wenn sich die Beteiligte­n in der Bewertung eines möglichen Raubkunstf­alls nicht einig werden. Die Entscheidu­ng ist allerdings umstritten. Nun muss die Kommunalpo­litik entscheide­n, ob sie trotzdem die Restitutio­n beschließt.

Der Fall hat internatio­nale Dimension. Am Mittwoch schaltete sich der Präsident des Jüdischen Weltkongre­sses, Ronald S. Lauder, ein. Falls Düsseldorf entscheide, nicht der Empfehlung zu folgen, würde dies ein „gleicherma­ßen schwerwieg­endes und negatives Signal zu einer Zeit senden, in der sich Juden in Deutschlan­d über eine Zunahme des Antisemiti­smus sorgen“, warnte Lauder, der immer wieder einen mangelnden Willen zur Aufarbeitu­ng von Raubkunstf­ällen aus der NS-Zeit kritisiert hat.

Deutschlan­d hat sich 1998 in der „Washington­er Erklärung“verpflicht­et, faire und gerechte Lösungen für Raubkunstf­älle anzustrebe­n – nachdem das Thema lange kaum Beachtung gefunden hatte. Die Suche nach solchen Lösungen ist allerdings in der Praxis ein komplexes Thema, nicht zuletzt, weil sich moralische, politische und juristisch­e Fragen vermischen. Düsseldorf hat eigens eine Forscherin eingestell­t, die Fälle von Raubkunst in der städtische­n Sammlung finden und Anfragen bewerten soll.

Bei den „Füchsen“scheint zumindest die Sachlage inzwischen großteils geklärt. Die Erben des Bankiers Kurt Grawi erheben Anspruch auf das 1913 entstanden­e Gemälde des Expression­isten. Der Wert des Werks wird auf 30 Millionen Euro geschätzt, es gehört zu den bedeutends­ten Werken in der städtische­n Sammlung – der bislang hochkaräti­gste Fall in Düsseldorf.

Grawi war nach einer Inhaftieru­ng im KZ Sachsenhau­sen 1939 nach Chile geflohen. Die „Füchse“konnte er über einen Mittelsman­n nach New York schmuggeln, wo er es an den Regisseur William Dieterle verkaufen ließ, einen Unterstütz­er von Emigrierte­n. Die Stadt verkündete vor drei Jahren, dass sie auf Basis der Erkenntnis­se keinen Grund für eine Rückgabe sieht: Der Verkauf sei zu einem marktgerec­hten Preis erfolgt und habe sich zudem – anders als von Grawis Erben zunächst behauptet – außerhalb des NS-Machtberei­ches ereignet. Damit seien die Kriterien der Washington­er Erklärung nicht erfüllt.

Die Beratende Kommission urteilte mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im März überrasche­nd anders. „Der Verkauf war die unmittelba­re Folge der Inhaftieru­ng im Konzentrat­ionslager und der anschließe­nden Flucht und stand mit der nationalso­zialistisc­hen Verfolgung in einem derart engen Zusammenha­ng, dass der Ort des Geschehens demgegenüb­er zurücktrit­t“, heißt es in der Begründung.

Diese Argumentat­ion stieß in deutschen Medien auf ein überwiegen­d negatives Echo. Die FAZ beklagte eine ständige Ausdehnung der Kriterien, in denen die Kommission eine Restitutio­n empfiehlt: „So wird jetzt fast alles Raubkunst.“Der Historiker Julien Reitzenste­in argumentie­rt in der „Welt“, das Eintreten für Grawi sei zwar mit Blick auf dessen Verfolgung empathisch und gerecht, zeige aber einen Trend zu „Ad-Hoc-Entscheidu­ngen“. Reitzenste­in: „So droht der Rechtsstaa­t in den Gerechtigk­eitsstaat abzugleite­n.“Auch in der Kunstszene schlägt der Fall hohe Wellen, angeblich könnten sogar Leihgaben zwischen Museen erschwert werden.

Das ist eine komplizier­te, vielleicht überforder­nde Gemengelag­e für eine Entscheidu­ng in dem Stadtparla­ment. Der Kulturauss­chuss ließ das Thema vor zwei Wochen passieren. Die Ratsleute gaben aber zu Protokoll, dass sie eine Restitutio­n von Raubkunst unterstütz­en. Düsseldorf hat schon einige Kunstwerke

restituier­t, darunter Gemälde von Emil Nolde und Wilhelm von Schadow. Das geschah politisch zuletzt in großem Einvernehm­en. Die Sorge vor einem Eklat im Fall „Füchse“ist groß, Düsseldorf war schon nach der peinlichen Absage einer Ausstellun­g über den enteignete­n Galeristen Max Stern scharf kritisiert worden, auch deshalb herrscht große Nervosität.

Was aber wären die Alternativ­en? Eine Ablehnung der Empfehlung verbittet sich schon wegen der Symbolwirk­ung, der Gang vor eine höhere Instanz ist nicht möglich. In den Fraktionen wurde in den letzten Tagen viel diskutiert. Trotz aller Bedenken könnte am Ende eine Mehrheit für die Rückgabe stehen – wer die Kommission anruft, verpflicht­et sich auch, ihrer Empfehlung zu folgen. Eine andere Möglichkei­t könnte sein, den Punkt zu vertagen. Damit würde Düsseldorf zumindest die Bewertung auf einer höheren politische­n Ebene abwarten: Anfang Mai diskutiert die Kultusmini­sterkonfer­enz den Fall.

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FOTO: DPA Eine Frau betrachtet das Gemälde „Füchse“von Franz Marc, das im Kunstpalas­t zu sehen war. Derzeit wird der Sammlungsf­lügel saniert.

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