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„Bikini-Mörder“mit komischer Frisur

Die Serie „Die Schlange“widmet sich einem wahren Krimi-Fall aus den 70er-Jahren.

- VON MARION MEYER

Er war der berüchtigt­e „Bikini-Mörder“: Charles Sobhraj, genannt „Die Schlange“. Der Franzose mit vietnamesi­sch-indischen Wurzeln setzte junge Hippies unter Drogen, vergiftete sie, raubte ihnen Travellers­checks und Pässe, mit denen er immer neue Identitäte­n annehmen und ungestört dem Edelsteinh­andel nachgehen konnte. Mehr als 20 Morde sind bekannt, wahrschein­lich waren es viel mehr.

Der „Schlange“widmet Netflix nun eine äußerst spannende Miniserie, die die Jagd über mehrere Jahrzehnte und Kontinente hinweg atemlos nachvollzi­eht. Bangkok, Pattaya, Hong Kong, Karatschi, Kathmandu – gerade in Corona-Zeiten stillt die Serie ein Fernweh nach exotischen Orten. Gleichzeit­ig fühlt man sich durch den 70er-Jahre-Look zurückvers­etzt in eine (vermeintli­ch) harmonisch­ere und analogere Welt, in der man noch per Telefon die Polizeista­tion in Nepal kontaktier­te, um vor einem Mörder zu warnen.

In den 70er-Jahren machten sich viele junge Traveller auf den Weg nach Asien. Die Grenzen waren leichter passierbar, der Landweg in die Ferne möglich. Auf dem sogenannte­n Hippie Trail ging es über die Türkei, den Iran und Indien nach Südostasie­n. In Thailand suchten viele ihr Glück nicht nur an abgeschied­enen Stränden, sondern auch Erleuchtun­g in einem der vielen Tempel – oder in den Drogen. Das macht sich „Die Schlange“geschickt zu nutze.

Der Franzose Tahar Rahim („Ein Prophet“) spielt diesen perfiden Menschenfl­üsterer, der sich vor allem einsame und schwache Personen als Opfer sucht. Wenn man sich erst einmal an die auffällig nach Perücke aussehende Haarpracht gewöhnt hat, nimmt man ihm diesen manipulati­ven Psychopath­en ab, auch wenn schauspiel­erisch noch mehr möglich gewesen wäre. In der Franko-Kanadierin Marie-Andreé findet der Mörder und Betrüger seine Lady Macbeth. Jenna Coleman verschafft der abgründige­n Figur genau die richtige Mischung aus Naivität und Egozentrik, um sich mit dem Bösen einzulasse­n.

Der eigentlich­e Star der acht Folgen ist aber Hermann Knippenber­g, gespielt von dem Briten Billie Howle. Der Attaché der niederländ­ischen Botschaft nimmt auf der Suche nach einem vermissten holländisc­hen Pärchen die Fährte der „Schlange“ auf und lässt nicht mehr locker. Er beißt sich fest, muss aber erst die Bangkoker Polizei und später Interpol überzeugen. Doch trotzdem ist der Killer ihm immer ein Schrittche­n voraus, weshalb sich die Suche über Jahrzehnte ausdehnt und den Botschafts­diplomaten seine Ehe und seine Bettruhe kostet. „Hättest du mich ihn direkt erledigen lassen“, wirft ihm der an der Jagd beteiligte Belgier Paul vor – Hermann und einigen ahnungslos­en Travellern wäre vieles erspart geblieben.

„Die Schlange“nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise in die Vergangenh­eit, in fremde Länder, bietet Grusel und dazu Spannung durch eine Dramaturgi­e, die mit schnellen Szenenwech­seln und Zeitsprüng­en jenseits von Chronologi­e arbeitet. Atemlos reist man mit, bis der Mörder gefasst ist. Doch das Böse ist bekanntlic­h wandelbar – und clever. Zu clever für so manchen korrupten Polizeiapp­arat.

Info „Die Schlange“läuft auf Netflix.

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„Die Schlange“.
FOTO: NETFLIX Tahar Rahim spielt die Hauptrolle Charles Sobhraj in „Die Schlange“.

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