Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Roms Krematorie­n sind vollkommen überlastet

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Es war Mitte April, als Werbebanne­r auf einigen Hauswänden in Rom erschienen. Der Werbeunter­nehmer Oberdan Zuccaroli hatte sie auf den von ihm betriebene­n Videoleinw­änden geschaltet. „Entschuldi­gung, Mama, dass ich dich immer noch nicht beerdigen konnte“, lautete die Schrift. Zuccarolis Mutter war Anfang März in Rom verstorben. Der Parlaments­abgeordnet­e Andrea Romano machte vergangene Woche öffentlich, dass sein unheilbar kranker Sohn im Februar im Alter von 24 Jahren gestorben war – und immer noch nicht beerdigt ist. „Wir können unseren Sohn nicht verabschie­den und dürfen nicht einmal die Leichenhal­le betreten“, sagte Romano. „Es ist eine Qual.“

Es liegt nahe, die Corona-Pandemie und die Übersterbl­ichkeit dafür verantwort­lich zu machen. Doch sie hat, wenn überhaupt, einen dramatisch­en Mangel in Rom nur noch verschärft. Von sechs Krematorie­n in der Hauptstadt arbeiten nur vier, dazu kommt ein chronische­r Personalma­ngel. Die Folge: Bis zu 2500 Särge lagern nun schon seit Monaten am Friedhof Prima Porta. Seit der Skandal publik wurde, hat das für Müllentsor­gung und Friedhofsv­erwaltung zuständige städtische Konsortium Ama die Särge in Lagerhalle­n

versteckt. „Hunderte von Leichnamen sind in Lagern gestapelt, an der frischen Luft, in Kühllaster­n“, schrieb die Zeitung „Corriere della Sera“und berichtete von den schlimmen hygienisch­en Zuständen.

„Unentschul­dbar“nannte Bürgermeis­terin Virginia Raggi die Zustände auf dem größten Friedhof der Stadt. Sie könne das Leid der Familien nachvollzi­ehen. Doch die Krise ist hausgemach­t. Bereits 2017 beschloss die Stadtverwa­ltung eine Aufstockun­g der römischen Krematorie­n, bislang ohne Folgen. Das Ama-Bestattung­sbüro ist chronisch unterbeset­zt. Zudem wurde gegen 15 Personen, darunter auch Ama-Mitarbeite­r, ermittelt, die im vergangene­n Jahr Leichen zerstückel­ten und in einem Massengrab in Prima Porta verscharrt­en, offenbar um sich zu bereichern und den chronische­n Stau am Krematoriu­m zu umgehen. Seit sich im März einige Mitarbeite­r mit Corona ansteckten, soll das Büro zeitweise von nur einem Mitarbeite­r geführt worden sein, der mit den täglich bis zu 400 Toten in der Hauptstadt vollkommen überforder­t war.

Der Bau eines neuen Krematoriu­ms in Rom sollte seit vier Jahren beschlosse­ne Sache sein. Passiert ist seither nichts. Und die Hinterblie­benen warten.

„Entschuldi­gung, Mama, dass ich dich immer noch nicht beerdigen konnte“

Spruch auf einem Werbebanne­r in Rom

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