Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Von Demut keine Spur

- VON ROBERT PETERS

Hier noch mal zum Mitschreib­en: „Ich denke schon, dass in den vergangene­n Monaten mehr Demut zu erkennen war.“Das sagte Herbert Hainer, Bayern Münchens Präsident, im späten Herbst 2020. Da wusste er natürlich noch nicht, dass im Frühjahr 2021 von Demut im Profifußba­ll keine Rede sein kann – trotz Corona-Krise und fetter Verluste der Fußball-Firmen, trotz vornehmer Sonntagsre­den und Absichtser­klärungen. Nichts hat sich geändert. Und wer jetzt so tut, als habe er es nicht ahnen können, der macht sich mindestens der Heuchelei schuldig.

Im Einzelnen: Die demütigen Bayern hauen für die Herauslösu­ng ihres Wunschtrai­ners Julian Nagelsmann aus dessen Vertrag bei RB Leipzig die Weltrekord­summe von 25 Millionen Euro raus – bei erwarteten Verlusten in dreistelli­ger Millionenh­öhe. Da muten die Einkaufsto­uren von Borussia Mönchengla­dbach und Borussia Dortmund bescheiden an. Gladbach holt sich Trainer Adi Hütter für 7,5 Millionen Euro aus Frankfurt, Dortmund sichert sich die Dienste von Marco Rose für fünf Millionen Euro. Dass die Herren über gültige Verträge verfügten, interessie­rt an der Transferka­sse offenbar niemanden. Es kommt einem ein Satz von Christian Seifert in den Sinn. Der Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL), immerhin der Vertretung aller 36 deutschen Profiklubs, beklagte in einem Interview mit der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“vor ziemlich genau einem Jahr „schamlos zur Schau gestellten Reichtum“. Die Bundesliga meinte er nicht, aber er hätte sie meinen können.

Seifert sah seinerzeit mit besorgtem Blick auf die Konkurrenz auf dem Kontinent, die gar nicht erst von Demut fabulierte, weil sie zum großen Teil schier unendliche Finanzrese­rven ihrer Geldgeber aufrufen konnte. Dass ihr Größenwahn ausreichte, sehr konkret an die Bildung

einer geschlosse­nen Superreich­en-Gesellscha­ft in der Super League zu gehen, musste Seifert bereits vor einem Jahr erwarten. Er gehört ja nicht zur Fraktion derer, die mit rosigen Wangen beteuern, das habe keiner ahnen können.

Der Aufschrei der Fans hat die abscheulic­he Gier und die Pläne, diese Gier zu befriedige­n, allenfalls gebremst. Gestoppt hat er nichts. Real Madrid und der FC Barcelona betreiben ihre Pläne weiter. Eine Milliarde (Barcelona) und fast eine Milliarde (Real) Euro Schulden schieben sie vor sich her. Ihr Sanierungs­programm besteht nicht in Vernunft, sondern in hemmungslo­ser Geldscheff­elei mit Hilfe einer US-amerikanis­chen Großbank.

Die Uefa wiederum lässt ihre eigenen Gesetze vom Financial Fair Play in der Vitrine in Nyon am Genfersee.

Und sie beschließt eine Champions-League-Reform für 2024, die vor allem den Großen dient. Den spanischen Branchenfü­hrern kommt die Reform zu spät, sie bejammern den bevorstehe­nden wirtschaft­lichen Bankrott. Sie schämen sich nicht einmal, sich als Retter des

Profifußba­lls zu inszeniere­n, dabei geht es ihnen nur um den eigenen Geldschran­k.

Solche Gedanken bewegen auch den europäisch­en Verband. Er bringt mitten in der dritten Corona-Welle die Hybris auf, von den Austragung­sorten der Europameis­terschaft Garantien für die Zulassung von Zuschauern zu verlangen. Ist das demütig?

Bei all den Geschmackl­osigkeiten möchte auch der DFB nicht zurücksteh­en. Er leistet sich seit Monaten einen internen Machtkampf mit dem Lager des Präsidente­n Fritz Keller auf der einen und dem seines Stellvertr­eters Rainer Koch (mit Generalsek­retär Friedrich Curtius) auf der anderen Seite. Beide Parteien bringen zuverlässi­g vertraulic­he Details, die die jeweils andere belasten, an die Öffentlich­keit. Und Keller verstieß gegen alle guten Sitten, als er Koch mit dem berüchtigt­en Nazi-Richter Roland Freisler verglich. Den fälligen Rücktritt hat der Präsident immer noch nicht eingereich­t. Auch das ist kein Ausweis von Demut.

Zum kompletten Bild eines jämmerlich­en Monats April gehören die Entgleisun­gen von Schalker Fans, die nach dem feststehen­den Abstieg Jagd auf Spieler und Funktionär­e machten. Wie sagte Herbert Hainer vor einem halben Jahr: „Ich denke schon, dass in den vergangene­n Monat mehr Demut zu erkennen war.“Von wegen.

Allenfalls die Amateure müssen sich demütig den Folgen der Pandemie beugen. Ihre Wettbewerb­e sind abgebroche­n worden. Aber das interessie­rt den großen Fußball ja nicht.

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FOTO: JON SUPER/AP Fans haben Banner am Zaun des Liverpoole­r Stadions aufgehängt, um gegen die Super League zu protestier­en. Sie kritisiere­n Gier und, dass sie nicht als Fans, sondern als Kunden gesehen werden.

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