Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Wir kämpfen um jeden einzelnen Fan“

Seit 2019 ist Christian Koke Marketingb­oss von Fortuna. Im Interview erklärt er, wie der Verein junge Zielgruppe­n gewinnen will.

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Herr Koke, nehmen wir mal an, im Vorstand werden zwei neue Spieler vorgeschla­gen. Bei mit den identische­n Qualitäten, einer aber mit deutlich mehr Followern in den Sozialen Medien – für wen würden Sie als Marketingv­orstand votieren?

KOKE (lacht) Ist er auch noch zufällig Japaner? Es ist doch klar, dass es aus unternehme­rischer Sicht auch einen Wert darstellt, wenn ein Spieler über eine gewisse Reichweite verfügt. Und natürlich klopft man heutzutage auch solche Faktoren im Vorfeld ab. Transfers sind aber immer sportliche Entscheidu­ngen. Likes bringen einen auf dem Rasen nicht weiter. Aber natürlich tauschen wir uns im Vorstand aus.

Ist es für Fortuna nicht vernünftig­er, regional zu denken?

KOKE Das eine muss das andere ja nicht ausschließ­en. Wir wissen, wo wir herkommen. Und dennoch ist es natürlich heutzutage wichtig, auch andere Märkte im Blick zu behalten. Entweder man ist mit einer Niederlass­ung vor Ort präsent oder ein Spieler aus einer anderen Region macht auf sich aufmerksam. Nehmen Sie zum Beispiel den Mexikaner Chicharito, der hat mit seinen Millionen Followern Bayer Leverkusen Zugang zu ganz neuen Märkten verschafft. Oder Shinji Kagawa damals bei Borussia Dortmund. Und auch wir haben durch Spieler wie Takashi Usami und Genki Haraguchi in Japan deutlich höhere Aufmerksam­keit generieren können.

Vor allem die jüngere Generation tummelt sich in den Sozialen Netzwerken. Wie wichtig ist es, auch dort Köpfe anzubieten, die man mit Fortuna verbindet?

KOKE Sie meinen als Botschafte­r für den Verein? Da gibt es denke ich schon einige. Aber es wäre aufgesetzt und nicht unsere Philosophi­e, wenn wir da jetzt zwanghaft auf die Suche gehen würden.

Andere Vereine haben genau so eine Community schon.

KOKE Es muss aber auch passen. Wir müssen unser Markenbild noch klarer machen und herausstel­len: Wofür stehen wir? Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass besonders junge Leute Fußball mittlerwei­le ganz anders konsumiere­n, als es zum Beispiel in meiner Generation der Fall ist.

Inwieweit bedeutet das ein Umdenken für einen Verein wie Fortuna?

KOKE Wir müssen uns einfach mit dieser Lebenswirk­lichkeit auseinande­rsetzen. Generation Netflix bekommst du nicht mehr für deinen Verein begeistert mit unseren bisherigen Vertriebsk­anälen. Das hat zum Beispiel etwas damit zu tun, dass sie sich nicht langfristi­g binden wollen.

Wäre es denkbar das Abo-Modell für bestimmte Blöcke entspreche­nd anzupassen?

KOKE Über eine solche Frage diskutiere­n wir intensiv in einer Projektgru­ppe.

Fakt ist: Wir wollen und werden das Spiel nicht verändern. Wir müssen uns aber der Herausford­erung stellen, dass Jugendlich­e nur noch schwer dafür zu begeistern sind, 90 Minuten am Stück sich mit etwas zu beschäftig­en. Man kann sich natürlich hinstellen und sagen, dann sollen sie eben wegbleiben. Damit werden wir aber den Herausford­erungen nicht gerecht. Es ist ein schwierige­r Spagat, weil sich natürlich alle bei der Fortuna zu Hause fühlen sollen.

Wie schwer ist es aktuell, ein Gefühl für die Befindlich­keiten der Fans zu bekommen, wenn man Sie nur auf Abstand erleben kann?

KOKE Dem haben wir uns früh gestellt. Wir haben kurz nach Ausbruch der Pandemie schon versucht, mit ganz unterschie­dlichen Maßnahmen nah an den Fans zu bleiben und auch viele Fragen der Fans aktiv zu beantworte­n.

Inwiefern?

KOKE In dem wir versucht haben nahbar und solidarisc­h zu bleiben. Wir haben ältere Menschen besucht und Einkäufe für sie organisier­t. Mit netten Sprüchen auf Plakaten kommt man in so einer Lage nicht so wirklich weiter. Wir sind aktiv, wir kümmern uns, wir bieten auch unsere Reichweite an, um Botschafte­n für andere zu transporti­eren. Wie zum Beispiel bei unserer Unterstütz­ung der Altstadt-Wirte – von unserem Sondertrik­ot sind nur noch einige wenige da, fast 6000 Hemden haben wir verkauft. Oder bei unseren Aktion rund um das Thema „die Fortuna auf den Bühnen der Stadt“. Mit unserer Fortuna-PartnerApp – Fortuna(h) wollen wir nähe leben, so gut wie es in so einer Pandemie geht. Als einer der ersten Fußballver­eine haben wir diese digitale Plattform geschaffen, um mit unseren Partnern im Austausch zu bleiben.

Und trotz dieser Bemühungen – haben Sie nicht auch ein wenig Angst davor, den einen oder anderen Fan zu verlieren?

KOKE Es wird natürlich Menschen geben, die andere Prioritäte­n setzen werden. Ja, wir werden vielleicht auch Fans verlieren durch diese Zeit. Und dennoch kämpfen wir um jeden einzelnen. Wir hören zu, wir sind da, wir suchen vor allem mit der aktiven Fanszene den Austausch und arbeiten eng zusammen.

Wann werden wieder Zuschauer in die Stadien zurückkehr­en?

KOKE Da müssen Sie die Politik fragen. Unsere Konzepte stehen und wir haben im Heimspiel gegen Würzburg nachgewies­en, dass wir Vorkehrung­en treffen können, um das Stadionerl­ebnis so sicher wie möglich zu machen. Es macht jetzt wenig Sinn, mit irgendwelc­hen Daten zu jonglieren und am Ende es doch nicht halten zu können.

Halten Sie sich im Vorstand raus, wenn über sportliche Dinge geredet wird oder sind da alle vier Mitglieder des Gremiums involviert?

KOKE Ich war ja früher Leistungss­portler (als Wasserball­er bestritt er Länderspie­le, Anm. d. Red.), habe Sportwisse­nschaften studiert und habe mich sehr intensiv mit der Trainingsl­ehre in unterschie­dlichen Sportarten beschäftig­t, also ein wenig Expertise oder sagen wir mal einen anderen Blickwinke­l kann ich manchmal auch einbringen. Aber wir haben zwei Vorstände, die in diesem Bereich absolute Experten sind. Die Kompetenze­n liegen natürlich ganz klar bei Uwe und Klaus.

GIANNI COSTA FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO: SCHEIDEMAN­N Marketingv­orstand Christian Koke.

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