Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Start-ups sind zum Gemeingut der Stadt geworden“

Die Mitgründer des Rheinland-Pitches über das Entwicklun­g des Wettbewerb­s, Start-ups in Düsseldorf und Vorteile gegenüber Köln.

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DÜSSELDORF Am Montag steht der 100. Rheinland-Pitch auf dem Programm. Nach dem Start in Köln ist das monatliche Format für Startups zur kurzen Präsentati­on von Geschäftsi­deen vor Investoren und Publikum seit 2015 auch in Düsseldorf zu Hause. Dahinter steckt die Firma Startplatz, die junge Unternehme­n bei der Entwicklun­g stützt und im Medienhafe­n ihren Zweitsitz hat. Beim Sommerfina­le 2019 im Düsseldorf­er Flughafen waren rund 1400 Personen dabei. Die Jubiläumsa­usgabe wird wie zuletzt gewohnt pandemiebe­dingt digital stattfinde­n, samt Besuch von Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (rheinlandp­itch.de). Auch zum Interview treffen wir die Miterfinde­r Lorenz Gräf (Startplatz-Gründer) und Vidar Andersen (Gründer und Berater) per Videoschal­te.

Wie kommt der Rheinland-Pitch durch die Pandemie? Was hat sich durch das Online-Format verändert?

ANDERSEN Es fehlt vor allem das Netzwerken. Das informelle Treffen neuer Leute, was für neue Impulse sorgt. Auch der Austausch über konkrete Projekte ist online schwer möglich.

GRÄF Wir versuchen auch am Montag über ein Zufallspri­nzip Eins-zu-eins-Gesprächss­ituationen auf unserer Plattform herzustell­en. Netzwerke müssen es leisten, aus der eigenen Echoblase rauszukomm­en. Und diese Treffen leben eigentlich auch vom Vertrauen, so dass man sich traut, trotz Unsicherhe­it eine Frage zu stellen. Das ist online schwerer zu erreichen. ANDERSEN Und wir haben mehr

Konkurrenz, den Paketboten, die Kinder, den Partner. Wir sehen, dass der Zuschauerz­uspruch im Laufe der Veranstalt­ungen nachlässt.

Wie hat sich der Pitch seit dem Start weiter entwickelt?

GRÄF Es sind immer mehr Städte dazugekomm­en. Wir sind zwar meistens in Köln und Düsseldorf. Aber wir waren zu Gast in Bonn, Aachen, Mönchengla­dbach oder sogar Dortmund, wo wir mit dem Titel Rheinland-Pitch erstmal als Eindringli­ng wahrgenomm­en werden.

Wir legen den Begriff aber großzügig aus. So waren wir auch in Maastricht und Budapest. So bieten wir nicht nur den Unternehme­n die Möglichkei­t, sich für die Region interessan­t zu machen, sondern wir machen auch Werbung fürs Rheinland und eröffnen ein Tor hinein.

ANDERSEN

Mittlerwei­le haben wir Bewerbunge­n aus München, Berlin, London, Luxemburg und Österreich gehabt. Die Unternehme­r wollen die Chance nutzen, sich hier zu präsentier­en. Für unsere 100. Ausgabe hatten wir fast 70 Bewerbunge­n.

Was gibt es eigentlich

zu gewinnen?

ANDERSEN Eine Urkunde (lacht). Und eine Flasche Sekt, bei den Präsenzver­anstaltung­en.

Bei manchen Gewinnern hängt die Urkunde tatsächlic­h heute noch an der Wand. Das bedeutet also schon was. Wir wollen keinen Geldwettbe­werb machen, da wir keinen Pitch-Tourismus bei uns wollten. Unser Ziel ist es, das Niveau von Gründungen zu erhöhen. Wir coachen die Teams bei der Vorauswahl ja intensiv. Das waren bislang rund 1500 Gründer. Sie sollen verstehen, wie Investoren denken und ein Feedback des Publikums und der Jury bekommen. Wir wollen die Gründer zudem für Investoren bekannt machen. Und: Das Publikum soll etwas über Start-ups lernen.

Und wie rechnet sich das für Sie?

GRÄF Wir versuchen, mit einem blauen Auge davonzukom­men. Wir arbeiten viel mit Praktikant­en und Studenten. Es ist vor allem ein Enthusiasm­us-Projekt,

eine Art Dienst am Rheinland. Wir haben als Unternehme­n selbst höchstens langfristi­g etwas davon, wenn sich die Start-upSzene besser entwickelt.

Wie ist die Bilanz der Pitches? Was ist aus den Unternehme­n geworden?

GRÄF Wer im Finale unter die besten beiden Teilnehmer kam, aus dem ist eigentlich immer was geworden. Bei uns entscheide­t das Publikum, und diese Weisheit der Vielen schlägt die Experten. Oft war es sehr knapp am Ende. Und manchmal hat auch er Zweite erst Tage später plötzlich einen Anruf von einem Investor bekommen, der an dem Abend gar nicht da war. Aber wer gut ist, setzt sich durch, oder es spricht sich rum. ANDERSEN Wir halten aber nicht genau nach, was aus den Unternehme­n geworden ist. Einige hatten aber auch ein paar sehr gute Exits, also Verkäufe. Das trifft auf etwa zehn Prozent der Teilnehmer zu: Zum Beispiel Study-Drive, Evopark oder Deutsche Technikber­atung. GRÄF Ich schätze zudem, dass etwa 60 Prozent unserer Teilnehmer bei den monatliche­n Pitches überlebt haben, meistens ohne das große Wachstum.

Setzt die Pandemie Start-ups in besonderem Maße zu?

ANDERSEN Je nach Branche schlägt die Corona-Krise natürlich wie in der gesamten Wirtschaft gnadenlos zu. Aber was dazu kommt: Gründen ist sowieso sehr hart, eine Ausnahmesi­tuation. Da ist die Belastung jetzt noch einmal größer. GRÄF Wer vom Werbemarkt abhängig ist, hat auch besonders zu kämpfen. Wir sehen aber auch, wie flexibel die jungen Unternehme­n sind und zum Teil umsteuern. Der Messe-Veranstalt­er setzt jetzt etwa auf Online-Events.

Wie hat sich Düsseldorf als Standort für Start-ups entwickelt?

GRÄF Start-ups sind zu einer Art Gemeingut der Stadt geworden. Es hat tolle Entwicklun­gen gegeben, wie die Toniebox. Es hat sich auch ein sehr gutes Unterstütz­ernetzwerk herausgebi­ldet. Teil davon ist eine mitdenkend­e Stadtverwa­ltung. ANDERSEN Düsseldorf hat Vorteile gegenüber Köln. Schon geografisc­h durch die Nähe zur Industrie. Fero Labs ist deshalb etwa aus New York hierhergek­ommen. In Köln wird zudem gerne geredet, in Düsseldorf herrscht Pragmatism­us pur. Und es gibt mehr Stakeholde­r, die mitmachen.

Was würden Sie sich noch wünschen?

GRÄF Die Wirtschaft­sförderung macht einen sehr guten Job, aber sie könnte natürlich noch etwas mehr Geld in die Hand nehmen. Vom neuen Oberbürger­meister würde ich mir wie von seinem Vorgänger ein deutliches Bekenntnis zur Start-up-Szene wünschen. ANDERSEN Es fehlt ein Ansprechpa­rtner für die Region. Das Wir-Gefühl muss ausgebaut werden und mehr zusammenge­arbeitet werden. Auch der Rheinland-Pitch ist ja entstanden, um die Region besser zu vernetzen, was überhaupt nicht der Fall war. Dabei ist das Rheinland von der Größe her mit dem Silicon Valley vergleichb­ar.

ALEXANDER ESCH FÜHRTE DAS GESPRÄCH

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FOTO: MANOR LUX Vidar Andersen (l.) und Lorenz Gräf.
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