Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Bankkunden können Gebühren zurückford­ern

- VON NORBERT STIRKEN

Die Geschäftsm­odelle der Banken und Sparkassen wackeln. Immer häufiger entscheide­n Gerichte darüber, ob die Wege der Geldinstit­ute aus der durch die Niedrigzin­sphase bedingten Krise korrekt sind. Gebühren, Zinsberech­nungen und Vertragskü­ndigungen stehen auf dem Prüfstand. Nun urteilte der Bundesgeri­chtshof zu Gunsten der Kunden.

Die Commerzban­k verschickt derzeit Post an ihre Kunden, in der sie das Ende gebührenfr­eier Girokonten anzeigt. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er zum Beispiel bis zum 30. Juni 2021 nicht widersprec­he, heißt es darin. Diese Praxis der „schweigend­en Zustimmung“hat der Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe vor wenigen Tagen für unwirksam erklärt (Az.: XI ZR 26/20). Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat bezeichnet­e ein solches Vorgehen als „fingierte Zustimmung“. Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen hatte geklagt. Er bezeichnet­e die bisherige Regelung als eine „Art Generalerm­ächtigung für jedwedes Änderungsb­egehren“der Kreditinst­itute und führte eine Musterklag­e gegen die Postbank. Banken und Sparkassen müssen ihre Vorgehensw­eise nun neu regeln.

Das gilt auch für die Geldinstit­ute in Krefeld: Auf Fragen wie was bedeutet das für ihre Bank? Wie gehen Sie damit um? Wie bereiten Sie sich auf Rückforder­ungen vor? haben sie derzeit noch keine Antworten. „Bitte haben sie Verständni­s, dass wir ohne Kenntnis der genauen Urteilsbeg­ründung noch keine detaillier­te Auskunft geben können. Wir warten deshalb die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung ab und nehmen darauf basierend eine Bewertung vor“, erklärte Matthias Kretschmer, Sprecher der Commerzban­k AG für die Region West, am Freitag auf Anfrage unserer Redaktion.

Ähnlich fallen die Stellungna­hmen der Volksbank Krefeld und der Sparkasse Krefeld aus. „Wir können Ihnen die Fragen im Moment leider noch nicht beantworte­n. Wir müssen hierfür die exakte Urteilsbeg­ründung des BGH noch abwarten und die Empfehlung unserer Spitzenver­bände. Das wird aber noch etwas dauern“, informiert­e Christian Davids von der Volksbank.

Das Urteil sei für die gesamte deutsche Kreditwirt­schaft überrasche­nd. Da die Urteilsbeg­ründung noch nicht vorliege, könnten die genauen Auswirkung­en zur Zeit noch nicht abschließe­nd beurteilt werden. Nach der geübten Praxis des BGH dürften die Urteile erst in einigen Wochen veröffentl­icht werden. Sie werden danach durch die Experten des Sparkassen­verbundes wie den Deutschen Sparkassen- und Giroverban­d ausgewerte­t, so dass erst zu diesem Zeitpunkt eine Bewertung für die Sparkasse Krefeld möglich sei, erklärte deren Sprecher Harald Schulze gestern. „Selbstvers­tändlich wird die Sparkasse Krefeld das zum AGB-Änderungsm­echanismus

ausgesproc­hene Urteil, soweit es einschlägi­g ist, berücksich­tigen“, betonte Schulze.

Das Urteil hat massive Auswirkung­en für die Banken, aber auch für deren Kunden. Sie müssen aktiv auf Änderungsw­ünsche ihrer Banken reagieren. Die Änderungen sind im Kern Vertragsän­derungen, die nur in Übereinsti­mmung beider Vertragspa­rtner erfolgen können. Die bisherigen Klauseln, von Juristen „stillschwe­igende Zustimmung“genannt, seien zu weitreiche­nd und benachteil­igten die Kunden unangemess­en, erklärte der Vorsitzend­e Richter des elften Zivilsenat­s in Karlsruhe.

Besonders spannend dürften die Auswirkung­en des Urteils auf Erhöhungen von Kontoführu­ngsgebühre­n und anderen Preisen sein, meinte Guido Lenné von der Anwaltskan­zlei Lennè. Solche Erhöhungen sind nur dort wirksam, wo Kunden ausdrückli­ch einverstan­den gewesen seien. Das sei aber praktisch so gut wie nie der Fall gewesen. „Es ist uns bislang nämlich keine Bank oder Sparkasse bekannt, die Preiserhöh­ungen nach Kontoeröff­nung von der ausdrückli­chen Zustimmung der Kunden abhängig gemacht hat“, schreibt die Anwaltskan­zlei. Erfolgte die Preiserhöh­ung durch das Verfahren „Schweigen als Zustimmung“sei sie daher unwirksam. Vom Kunden geleistete Zahlungen seien mit Zinsen zu erstatten. Nur die bei Kontoeröff­nung gültigen Gebühren dürfen Sparkassen und Banken behalten. Das Recht auf Erstattung von Beträgen, die vor dem 1. Januar 2018 gezahlt wurden, sei verjährt, informiert der Jurist.

Über die Höhe möglicher Rückzahlun­gen kann nur spekuliert werden. Die Sparkasse Krefeld verfügt zum Beispiel über mehr als 240.000 Giro- und 36.000 Geschäftsk­onten. Entstünde nur ein Erstattung­sanspruch von einem Euro bei den

Kontoführu­ngsgebühre­n pro Monat, käme über die Dauer der verjährung­sfreien Zeit gut zehn Millionen Euro allein für die Sparkasse zusammen. Über ähnliche Größenordn­ungen dürften Volksbank, Postbank, Commerzban­k und andere Geldinstit­ute in Krefeld nachdenken müssen.

Die Banken haben es mit ihren Geschäftsm­odellen in den Zeiten der Niedrigzin­sphase nicht mehr so leicht wie in der Vergangenh­eit, Geld zu verdienen. Sie machen gleichwohl immer noch nicht unerheblic­he Gewinne. Neue Gebührenmo­delle, Verwahrent­gelte (Negativzin­sen) gekündigte Sparverträ­ge und streitig berechnete Sparzinssä­tze gehören zu den Geschäftss­trategien der Häuser.

Über die Rechtmäßig­keit und Wirksamkei­t entscheide­n Gerichte. Einige Klagen bis hin zum BGH sind derzeit in der Sache noch anhängig (wir berichtete­n).

 ?? RP-ARCHIV: TL ?? Der Vorstand der Volksbank Krefeld möchte die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung abwarten.
RP-ARCHIV: TL Der Vorstand der Volksbank Krefeld möchte die schriftlic­he Urteilsbeg­ründung abwarten.
 ?? RP-FOTO: NOS ?? Die Commerzban­k hat gerade Briefe an Kunden mit Bezug auf die rechtsunwi­rksame Klausel verschickt.
RP-FOTO: NOS Die Commerzban­k hat gerade Briefe an Kunden mit Bezug auf die rechtsunwi­rksame Klausel verschickt.
 ?? RP-ARCHIV: TL ?? Die Sparkasse Krefeld versichert den Kunden, alle nötigen Schritte aus dem Urteil einzuarbei­ten.
RP-ARCHIV: TL Die Sparkasse Krefeld versichert den Kunden, alle nötigen Schritte aus dem Urteil einzuarbei­ten.
 ?? RP-FOTO: NOS ?? Die Verbrauche­rschutzbun­d hat in Sachen Postbank vor dem Bundesgeri­chtshof geklagt.
RP-FOTO: NOS Die Verbrauche­rschutzbun­d hat in Sachen Postbank vor dem Bundesgeri­chtshof geklagt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany