Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Bankkunden können Gebühren zurückfordern
Die Geschäftsmodelle der Banken und Sparkassen wackeln. Immer häufiger entscheiden Gerichte darüber, ob die Wege der Geldinstitute aus der durch die Niedrigzinsphase bedingten Krise korrekt sind. Gebühren, Zinsberechnungen und Vertragskündigungen stehen auf dem Prüfstand. Nun urteilte der Bundesgerichtshof zu Gunsten der Kunden.
Die Commerzbank verschickt derzeit Post an ihre Kunden, in der sie das Ende gebührenfreier Girokonten anzeigt. Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er zum Beispiel bis zum 30. Juni 2021 nicht widerspreche, heißt es darin. Diese Praxis der „schweigenden Zustimmung“hat der Bundesgerichtshof in Karlsruhe vor wenigen Tagen für unwirksam erklärt (Az.: XI ZR 26/20). Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat bezeichnete ein solches Vorgehen als „fingierte Zustimmung“. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatte geklagt. Er bezeichnete die bisherige Regelung als eine „Art Generalermächtigung für jedwedes Änderungsbegehren“der Kreditinstitute und führte eine Musterklage gegen die Postbank. Banken und Sparkassen müssen ihre Vorgehensweise nun neu regeln.
Das gilt auch für die Geldinstitute in Krefeld: Auf Fragen wie was bedeutet das für ihre Bank? Wie gehen Sie damit um? Wie bereiten Sie sich auf Rückforderungen vor? haben sie derzeit noch keine Antworten. „Bitte haben sie Verständnis, dass wir ohne Kenntnis der genauen Urteilsbegründung noch keine detaillierte Auskunft geben können. Wir warten deshalb die schriftliche Urteilsbegründung ab und nehmen darauf basierend eine Bewertung vor“, erklärte Matthias Kretschmer, Sprecher der Commerzbank AG für die Region West, am Freitag auf Anfrage unserer Redaktion.
Ähnlich fallen die Stellungnahmen der Volksbank Krefeld und der Sparkasse Krefeld aus. „Wir können Ihnen die Fragen im Moment leider noch nicht beantworten. Wir müssen hierfür die exakte Urteilsbegründung des BGH noch abwarten und die Empfehlung unserer Spitzenverbände. Das wird aber noch etwas dauern“, informierte Christian Davids von der Volksbank.
Das Urteil sei für die gesamte deutsche Kreditwirtschaft überraschend. Da die Urteilsbegründung noch nicht vorliege, könnten die genauen Auswirkungen zur Zeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Nach der geübten Praxis des BGH dürften die Urteile erst in einigen Wochen veröffentlicht werden. Sie werden danach durch die Experten des Sparkassenverbundes wie den Deutschen Sparkassen- und Giroverband ausgewertet, so dass erst zu diesem Zeitpunkt eine Bewertung für die Sparkasse Krefeld möglich sei, erklärte deren Sprecher Harald Schulze gestern. „Selbstverständlich wird die Sparkasse Krefeld das zum AGB-Änderungsmechanismus
ausgesprochene Urteil, soweit es einschlägig ist, berücksichtigen“, betonte Schulze.
Das Urteil hat massive Auswirkungen für die Banken, aber auch für deren Kunden. Sie müssen aktiv auf Änderungswünsche ihrer Banken reagieren. Die Änderungen sind im Kern Vertragsänderungen, die nur in Übereinstimmung beider Vertragspartner erfolgen können. Die bisherigen Klauseln, von Juristen „stillschweigende Zustimmung“genannt, seien zu weitreichend und benachteiligten die Kunden unangemessen, erklärte der Vorsitzende Richter des elften Zivilsenats in Karlsruhe.
Besonders spannend dürften die Auswirkungen des Urteils auf Erhöhungen von Kontoführungsgebühren und anderen Preisen sein, meinte Guido Lenné von der Anwaltskanzlei Lennè. Solche Erhöhungen sind nur dort wirksam, wo Kunden ausdrücklich einverstanden gewesen seien. Das sei aber praktisch so gut wie nie der Fall gewesen. „Es ist uns bislang nämlich keine Bank oder Sparkasse bekannt, die Preiserhöhungen nach Kontoeröffnung von der ausdrücklichen Zustimmung der Kunden abhängig gemacht hat“, schreibt die Anwaltskanzlei. Erfolgte die Preiserhöhung durch das Verfahren „Schweigen als Zustimmung“sei sie daher unwirksam. Vom Kunden geleistete Zahlungen seien mit Zinsen zu erstatten. Nur die bei Kontoeröffnung gültigen Gebühren dürfen Sparkassen und Banken behalten. Das Recht auf Erstattung von Beträgen, die vor dem 1. Januar 2018 gezahlt wurden, sei verjährt, informiert der Jurist.
Über die Höhe möglicher Rückzahlungen kann nur spekuliert werden. Die Sparkasse Krefeld verfügt zum Beispiel über mehr als 240.000 Giro- und 36.000 Geschäftskonten. Entstünde nur ein Erstattungsanspruch von einem Euro bei den
Kontoführungsgebühren pro Monat, käme über die Dauer der verjährungsfreien Zeit gut zehn Millionen Euro allein für die Sparkasse zusammen. Über ähnliche Größenordnungen dürften Volksbank, Postbank, Commerzbank und andere Geldinstitute in Krefeld nachdenken müssen.
Die Banken haben es mit ihren Geschäftsmodellen in den Zeiten der Niedrigzinsphase nicht mehr so leicht wie in der Vergangenheit, Geld zu verdienen. Sie machen gleichwohl immer noch nicht unerhebliche Gewinne. Neue Gebührenmodelle, Verwahrentgelte (Negativzinsen) gekündigte Sparverträge und streitig berechnete Sparzinssätze gehören zu den Geschäftsstrategien der Häuser.
Über die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit entscheiden Gerichte. Einige Klagen bis hin zum BGH sind derzeit in der Sache noch anhängig (wir berichteten).