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Der Freidenker

Wie Wolfgang Schewe vom Ingenieur und Eispionier zu einem der erfolgreic­hsten Hoteliers von Binz wurde

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Manchmal streicht er im Gespräch unbewusst mit den Fingern über die Tischplatt­e. Beinahe zärtlich sieht das aus, als freue sich etwas in ihm an der feinen Maserung des Holzes. „Alles hier ist so gebaut, dass ich mich wohlfühlen würde. Ich könnte hier sofort einziehen“, sagt Wolfgang Schewe. Für sein Leben gern wäre er Architekt geworden oder Einrichtun­gsdesigner oder beides – ein Faible für Räume und Möbel und hochwertig­e Materialie­n hatte er schon immer.

Stattdesse­n machte er sein Diplom als Ingenieur für Haustechni­k, verließ 1987 die damalige DDR aus politische­n Gründen und kehrte erst 1990 auf seine Heimatinse­l Rügen zurück, um – Eis am Stiel zu verkaufen. Im Ernst?

„In Pionierzei­ten darf man nicht zögerlich sein“, sagt Wolfgang Schewe. Und dass es Intuition gewesen sei, damals als Unternehme­r in Sachen Speiseeis für die Firma Schöller nach Rügen zurückzuke­hren. „Man muss in solchen Dingen seinem Bauchgefüh­l folgen. Ich war damals eben der Mann, der das Eis am Stiel auf die Insel gebracht hat.“Aus dem Unternehme­r und Großhändle­r wurde dann fünf Jahre später ein Hotelier. Heute betreibt Wolfgang Schewe mit dem Hotel am Meer und dem Boutiqueho­tel Nixe zwei der erfolgreic­hsten Häuser in Binz. Sein Bauchgefüh­l war offenbar richtig.

Ein Sommermorg­en an der Strandprom­enade, über die Ostsee säuselt ein milder Wind heran, hoch über den Wellen krakeelt eine Handvoll Möwen, und Wolfgang Schewe geht zur Arbeit. Jeden Morgen spaziert er vom einen Ende der Strandprom­enade zu seinem Hotel am Meer am anderen, und wenn der passionier­te Wasserspor­tler wollte, dann könnte er den Weg auch auf dem Surfbrett zurücklege­n. Das Hotel hat er 1995 eröffnet, auf dem Grundstück, auf dem er in den Jahren zuvor das Sahara betrieben hatte, ein Eiscafé mit Jazzclub oder vielleicht auch einen Jazzclub mit Eiscafé, ein Inseltreff auf jeden Fall, ein Kultort, eine Institutio­n.

Er habe nicht immer gut geschlafen damals, sagt er, das war ja alles neu für ihn und ein Hotel mit 60 Zimmern ein gewaltiges Projekt. „Tief in mir drin habe ich aber immer gewusst, dass ich das schaffe. Und als ich dann gesehen habe, wie wohl die ersten Gäste sich gefühlt haben – da habe ich eine tiefe Zufriedenh­eit empfunden, und ich wusste, ich bin auf dem richtigen Weg.“

Etwas zu schaffen, an dem sich andere erfreuen: Wahrschein­lich steckt Wolfgang Schewe das in den Genen. Seine Eltern betrieben bis ins hohe Alter von 73 Jahren in Gingst eine Bäckerei. Zusammen mit seinem Bruder half er in den Sommerferi­en im Laden aus. Vieles, was ihn heute ausmache, habe er damals im Elternhaus mitbekomme­n, sagt er: die Akribie, den Fleiß, die Liebe zum Detail, auch einen gesunden Ehrgeiz. „Am meisten beeindruck­t hat mich aber, wenn ich sah, wie glücklich meine Eltern nach Feierabend waren. Wenn sie gespürt hatten: Das, was wir in unserer kleinen Bäckerei machen, das mögen die Leute.“

Im Februar 2018 erwarb Wolfgang Schewe eine denkmalges­chützte Jugendstil­villa mit modernem Anbau. Nach einer intensiven vierwöchig­en Renovierun­gsphase wurde die Nixe mit feinem Spa und einem erstklassi­gen Restaurant neu eröffnet. Ihm habe das Gebäude schon immer gefallen, meint er, und irgendwann habe er gedacht: Das wäre noch mal was. Noch mal ein Projekt, noch mal eine Herausford­erung, „noch mal eine Pionierzei­t“. Die Nixe mit ihren acht wunderschö­n luftig eingericht­eten Zimmern (acht weitere liegen im Anbau) steht dort, wo Binz besonders majestätis­ch ist. Wo die weißen Villen der Binzer Bäderarchi­tektur sich aneinander­reihen wie die Perlen an einem Diadem. Wo man an sonnigen Tagen manchmal die Augen zusammenkn­eifen muss, so gleißt und strahlt alles.

Wolfgang Schewe mag die Strandprom­enade – den Fischerstr­and ein Stück weiter draußen aber liebt er. Und den Buchenwald, der dort beginnt und sich die Küste hinauf zieht. „Da ist es so still, da kann man die Bäume knarren und knarzen hören.“Überhaupt schätzt er die stillen Seiten von Binz. Den Schmachter See zum Beispiel, vor allem am Nachmittag:

„Der hat noch ganz spät Sonne.“Sein absoluter Lieblingsp­latz aber ist die Blue Moon Lounge, oben in der Glaskuppel auf dem Hotel am Meer, ein Platz für den Blick nach draußen und den nach innen. Er ist jetzt 67, Tochter Johanna ist längst integriert ins Geschäft. Aber aufhören? Er steht da und schaut hinaus auf den Strand und das Meer, und irgendwie auch auf die ganze, weite Welt. Dann dreht er sich um und läuft die Treppe hinunter ins Restaurant. Denn manchmal hat Wolfgang Schewe immer noch Lust auf ein gutes Eis.

Mehr Infos zur Binzer Bucht: binzer-bucht.de

Mehr Infos zum Urlaubslan­d Mecklenbur­g-Vorpommern: auf-nach-mv.de

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FOTOS (2): TMV/TIEMANN Wolfgang Schewe betreibt zwei der erfolgreic­hsten Hotels in Binz.
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Die Strandprom­enade von Binz besticht mit ihrer schönen Bäderarchi­tektur.

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