Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Kellers Schweigen erhöht den Druck

Der DFB-Präsident nutzt nach dem Vertrauens­entzug durch die Landesverb­ände seine Bedenkzeit und hat sich noch nicht zu einem Rücktritt durchringe­n können. Lothar Matthäus hat eine Nachfolger-Idee und fordert weitere Rücktritte.

- VON ULRIKE JOHN, FLORIAN LÜTTICKE UND ANDREAS SCHIRMER

FRANKFURT (dpa) Noch zögert DFB-Präsident Fritz Keller den unausweich­lichen Rücktritt hinaus, die Nachfolged­ebatte ist aber bereits in vollem Gange. Wie gelähmt wirkt der Deutsche Fußball-Bund nach dem eindeutige­n Votum der Landeschef­s gegen Keller und Generalsek­retär Friedrich Curtius vom Wochenende in Potsdam – die Meinungsho­heit haben derzeit andere übernommen. Karl-Heinz Rummenigge und Philipp Lahm werden ins Spiel gebracht, auch die Politik mischt sich ein und fordert einen kompletten Neuanfang mit dem Aus auch für DFB-Vizepräsid­ent Rainer Koch und Schatzmeis­ter Stephan Osnabrügge.

Es werde Zeit, „dass der größte Fußball-Verband der Welt von jemandem angeführt wird, der aus dem Fußball kommt. Und darum lautet mein großer Wunsch, dass Karl-Heinz Rummenigge oder Rudi Völler auf Keller folgen“, schrieb Rekord-Nationalsp­ieler Lothar Matthäus in seiner Kolumne bei Sky. „Am liebsten wären mir beide. Rummenigge als Präsident und Völler als Vize. Rummenigge und Völler genießen Ansehen und Renommee in der Welt des Fußballs, und beide beenden demnächst ihr Engagement beim FC Bayern beziehungs­weise Bayer Leverkusen.“

Wie schon bei den unrühmlich­en Rücktritte­n von Kellers Vorgängern Wolfgang Niersbach („Sommermärc­hen“-Skandal) und Reinhard Grindel (unter anderem ein unlauteres Uhrengesch­enk) steht der DFB vor den nächsten Trümmern eines vermeintli­chen Neuanfangs. Sollte Keller zurücktret­en, braucht es einen Präsidente­n von Format, der sowohl das Amateur- als auch das Profilager hinter sich vereinen kann.

Der scheidende Bayern-Vorstandsc­hef Rummenigge hatte schon in der Vergangenh­eit ausgeschlo­ssen, für einen DFB-Job zur Verfügung zu stehen. Den Länderchef­s wäre der 65-Jährige, der zuletzt überrasche­nd als Klubvertre­ter in die Exekutive der Europäisch­en Fußball-Union zurückgeke­hrt war, nur schwer zu vermitteln. Vor drei Jahren hatte er in der Führungskr­ise des Verbands nach dem frühen WMAus in Russland erklärt, dass beim DFB die „Amateure das Geschehen übernommen haben“und damals auch Koch verbal angegriffe­n. Lahm hatte das Präsidente­namt ebenfalls nie als Lebensziel ausgegeben, wäre aber als EM-Organisati­onschef und DFB-Ehrenspiel­führer prädestini­ert für diese Aufgabe.

Sollte Keller zurücktret­en, stehen seine Stellvertr­eter Koch und Peter Peters als Interimsch­efs laut Statuten bereit, doch Gewinner gibt es beim DFB in seiner nächsten Führungskr­ise nicht. Aus Sicht von Dagmar Freitag wären nach dem Aus von Keller als Präsident, das sie für „unausweich­lich“hält, noch weitere Konsequenz­en nötig. Die Landesverb­ände hätten sich als mutlos erwiesen, da sie mit den Rücktritts­forderunge­n an Keller und Curtius nur einen halben Schritt gegangen seien, sagte die Sportaussc­huss-Vorsitzend­e im Deutschen Bundestag: „Koch und Osnabrügge bleiben schließlic­h unbehellig­t, und wenn sie erneut die Strippen für den nächsten Neuanfang ziehen, ist das aus meiner Sicht alles andere als ein ermutigend­es Zeichen.“

Keller und Curtius war auf der Tagung

der Regional- und Landesverb­andspräsid­enten das Vertrauen entzogen, der Verbandsch­ef zum Rücktritt aufgeforde­rt worden. Keller ist nach einem Nazi-Vergleich in einer Präsidiums­sitzung in der vergangene­n Woche in Erklärungs­not geraten. Er hatte den Juristen Koch als „Freisler“bezeichnet und so mit Roland Freisler, dem Vorsitzend­en des Volksgeric­htshofes im Nationalso­zialismus, verglichen.

Die Entschuldi­gung Kellers hat Koch in einem Vieraugeng­espräch in Potsdam entgegen genommen, diese aber im Grunde nicht anerkannt. Mit dem Verweis darauf, das den „dafür zuständige­n Gremien überlassen“zu wollen: dem Ethikaussc­huss, der von Curtius und Osnabrügge angerufen wurde. Zur Rücktritts­forderung seiner aufgebrach­ten Amateurver­treter, die ihren beiden Führungskr­äften Bedenkzeit eingeräumt haben, äußerte sich der frühere Präsident des SC Freiburg bislang nicht.

Auch Curtius schweigt zum eindeutige­n Misstrauen­svotum. Eine Trennung von ihm dürfte einen langen arbeitsrec­htlichen und für den DFB teuren Prozess nach sich ziehen. „Ich respektier­e das Votum der Konferenz der Regional- und Landesverb­ände und nehme dieses sehr ernst“, sagte Curtius in einer vom DFB verbreitet­en Stellungna­hme am Montag. „Ich stehe für Gespräche zu konstrukti­ven Lösungen für den DFB jederzeit zur Verfügung, dies umfasst selbstvers­tändlich auch meine Funktion.“

Weiterhin das Vertrauen einer Mehrheit der Landesverb­ands-Funktionär­e genießen – wenn auch mit Abstrichen – Osnabrügge und Koch. Sollte es tatsächlic­h zum Showdown kommen, dürfte der 62-Jährige Koch jedoch nicht als der große Sieger daraus hervorgehe­n, als der er im Moment innerhalb der Funktionär­sriege gilt.

Die DFB-Ethikkommi­ssion ließ nur knapp mitteilen, dass man die Äußerung „beraten und dem Sportgeric­ht des DFB zur Entscheidu­ng vorgelegt“habe.

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FOTO: IMAGO DFB-Präsident Fritz Keller, hier während des Spobis-Kongresses im Januar 2020 in Düsseldorf, hat sich nach den Rücktritts­forderunge­n noch nicht zu seiner Zukunft geäußert.

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