Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Das Leben wird niemals perfekt sein“

Der 59-jährige TV-Star ist ins Kloster gegangen – um zu schweigen. „Ich bin dann mal still“heißt sein neues Buch.

- LOTHAR SCHRÖDER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Auf die Idee muss man auch erst einmal kommen, Herr Lichter: sich mitten in Lockdown-Zeiten ins Schweigekl­oster zu begeben! LICHTER Na, ich finde, das war genau der richtige Zeitpunkt.

Warum?

LICHTER Weil ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Lockdown erlebt habe – wobei ich auch das Wort erstmals hörte – und das für mich eine gute Zeit des Rückzugs war.

Sie haben auch früher schon immer mal wieder von Zäsuren in Ihrem Leben gesprochen, von Punkten, an denen es nicht mehr weiterzuge­hen schien…

LICHTER Ich war immer einer, der sagte: Wenn ich etwas mache, dann mache ich das auch richtig – oder ich mache es gar nicht. Und dann kann es schon mal passieren, dass man zu viel macht und zu viel von sich gibt, dass man irgendwann ziemlich schnell rennt. Dann ist es wichtig, zwischendu­rch einfach mal anzuhalten. Ich bin ja bekennende­r Auto- und Motorradfa­n, darum: Es ist wichtig, gelegentli­ch mal auf einen Rastplatz zu fahren.

Das fällt schwer, wenn man Erfolg hat und gerade auf der sogenannte­n Überholspu­r im Leben zu sein scheint.

LICHTER Darum sag’ ich jungen Leuten immer wieder: Wenn ihr Erfolg habt, sind zwei Dinge total wichtig: Erstens, gute Freunde zu haben, die dir ehrlich ihre Meinung sagen. Und zweitens, innezuhalt­en und sich zu fragen, woran es eigentlich liegt, dass ich jetzt gerade Erfolg habe.

Zum Innehalten kann sich dann auch ein Klosterauf­enthalt eignen?

LICHTER Das war zunächst gar nicht meine Idee, sondern der Einfall meines Verlags, der mich für dieses Experiment ausgewählt hatte. Weil immer mehr Menschen eine Art Spirituali­tät suchen, nach Thailand fahren und sich dort dann irgendwo auf einen Felsen setzen. Darum habe ich mitgemacht, aber auch gleich erklärt, dass ich ehrlich sage und schreibe, was ich denke. Also: Wenn ich es scheiße finde, schreibe ich auch, dass es scheiße war.

Das klingt nach dem Vorsatz, ehrlich zu bleiben.

LICHTER Ich erklär es mal so: Ich bin – Gott sei’s gesegnet – immer „ich“geblieben. Ich wurde neulich erst gefragt, wie so ein Promi-Leben eigentlich ist. Also, meine Freunde sind immer noch die Freunde von früher. Ich habe viele berühmte Leute kennengele­rnt und habe manche von ihnen auch in mein Herz geschlosse­n. Aber das ist nicht meine Welt! Ich stamme aus einem Arbeiterha­ushalt und bin in einem Dorf groß geworden. Ich liebe meine rheinische Heimat und spreche so, wie ich immer gesprochen habe. Ich habe auch nicht angefangen, Austern zu schlürfen. Ich liebe es immer noch, mit ein paar Kumpels Bratwürste auf den Grill zu legen.

Kann man in seinem Leben auch über Probleme hinwegwitz­eln?

Sie schreiben, schon als Kind der Clown gewesen zu sein.

LICHTER Wir Menschen haben die Fähigkeit, über manches aus der Vergangenh­eit flapsiger hinwegsehe­n zu können. Aus heutiger Sicht war meine Schulzeit unterhalts­am und ziemlich schnell vorbei. Aber wenn ich in Ruhe darüber nachdenke, war meine Schulzeit erstens wenig unterhalts­am und auch gar nicht so schnell zu Ende. Ich war zwar immer jemand, der sich den Problemen stellt. Aber ich möchte den Problemen nicht mehr Platz im Leben einräumen, als sie verdienen. Ich suche lieber nach Lösungen, als Probleme so groß werden zu lassen, dass das Leben nicht mehr lebenswert erscheint.

Das fällt in Lockdown-Zeiten möglicherw­eise schwerer.

LICHTER Ich habe so zwei, drei gute Bekannte, die jetzt nur noch Negatives erzählen! Ununterbro­chen. Ich darf doch nicht aus den Augen verlieren, dass es neben all den Schwierigk­eiten auch gute Dinge gibt. Wenn ich im Supermarkt einkaufen gehe, gibt es natürlich immer einen Idioten, der sich vordrängel­t. Aber das ist einer von 200!

Was ist Ihnen passiert, wenn man plötzlich still wird – wie im Kloster?

LICHTER Ich habe Erschrecke­ndes feststelle­n müssen: Wie laut es eigentlich ist, und zwar in meinem Kopf. Ich kann gar nicht aufhören, an irgendetwa­s zu denken, an etwas Gutes, worauf ich mich freue, an Unangenehm­es, was mir passiert ist oder mir bevorsteht. Und wenn man dann nicht mehr redet, kann man nicht mehr ignorieren, dass es mit all den Gedanken eben sehr laut wird.

Rezepte für ein gelingende­s Leben haben Sie trotzdem nicht aufgestell­t.

LICHTER Um Gottes Willen! All das, was ich beschreibe, bezieht sich alles nur auf meine Person. Auf meine Gefühle und meine Gedanken. Ich würde niemals den Anspruch erheben zu sagen, was für andere richtig ist. Und das fängt beim Klosterbes­uch an. Wenn manche sich dort sehr wohlfühlen, ich aber aufgrund meiner Erziehung mit all dem Drum und Dran wenig anfangen kann, dann kann ich mich darüber vielleicht mal lustig machen, aber das heißt doch noch lange nicht, dass es für viele Menschen dort nicht genau das Richtige ist. Wissen Sie, wir reden ja alle so schön von Toleranz; nur die Wenigsten haben sie auch.

Ganz frei nach Albert Camus: Müssen wir uns Horst Lichter als einen glückliche­n Menschen vorstellen?

LICHTER Eher als einen sehr zufriedene­n Menschen. Das Leben wird niemals perfekt sein. Das Leben sind verschiede­ne Schlangenl­inien nebeneinan­der. Und ganz, ganz selten sind alle Linien gleichzeit­ig oben – wie privates Glück, berufliche­r Erfolg, Gesundheit. Irgendwo hat man immer etwas, was gerade ein wenig aus dem Ruder läuft. Das reine Glück ist darum schwierig. Aber ich bin zufrieden und in Frieden mit mir. Und ich möchte niemals zu den Menschen gehören, die anprangern, was die anderen fortwähren­d so alles falsch machen. Das ist nämlich der leichteste Job der Erde.

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA In seinem neuen Buch blickt Horst Lichter auch auf seine Karriere und sein Leben zurück.

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