Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
So leben Senioren in Meerbusch
Ältere sind gesellig und auch im Alter in Vereinen aktiv. In den Rheingemeinden und Ossum-Bösinghoven bemängeln Senioren die schlechte Nahversorgung. In allen Stadtteilen fehlen Fachärzte. Das hat eine Umfrage der Stadt ergeben.
MEERBUSCH Seit 1960 lebt Inge Rose nun schon in Nierst. Damals, als Zwölfjährige, hat sie dort sogar noch die Alte Schule besucht. Inzwischen wohnt die 73-Jährige gemeinsam mit ihrem Mann Gerd in einer Wohnung über der ehemaligen Schule, in der auch die Kita Mullewapp und der Bürgerverein ihre Räume haben. „Wir fühlen uns hier in Nierst sehr wohl“, sagt Inge Rose.
Ihr Sohn ist zwar weit weg – er wohnt mit seiner Familie in Bayern – und auch die vier Enkel und drei Urgroßenkel leben verstreut in ganz Deutschland. „Aber in Nierst geht es sehr familiär zu.“Stolz erwähnt sie, dass Nierst zweimal beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“die Goldmedaille gewonnen habe. „Jeder findet hier in der Nachbarschaft schnell Kontakt“, berichtet sie, „Jung und Alt sind eng miteinander verbunden.“So besucht Inge Rose beispielsweise regelmäßig die Kita Mullewapp, um den Kindern vorzulesen.
Die engagierte Seniorin, die auch in der Pfarre, im Nierster Bürgerverein und im Seniorenbeirat der Stadt aktiv ist, ist eine von 12.748 Meerbuschern, die älter als 65 Jahre sind. Deren Anteil beträgt 22 Prozent aller Einwohner (Stand Dezember 2020). Um zu erfahren, wie die älteren Bürger in der Stadt leben, wie sie ihre Heimat bewerten und was sie sich wünschen, hat die Stadtverwaltung 5000 zufällig ausgewählte Senioren über 65 Jahren angeschrieben und nach deren Meinung gefragt. Die Adressen wurden nach dem prozentualen Anteil in den verschiedenen Ortsteilen ausgewählt. Die Ergebnisse wurden nun im Sozialausschuss vorgestellt.
„1492 Senioren haben geantwortet“, sagt Anja Flintrop vom zuständigen Fachbereich. „Mit fast 30 Prozent ist das eine sehr große Resonanz, üblich sind bei solchen Umfragen nur acht bis zehn Prozent.“Von den knapp 1500 Meerbuscher Senioren, die ihre Meinung geäußert haben, wünscht sich der Großteil, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben und dort bei Bedarf Unterstützung zu bekommen. Flintrop: „Das Bedürfnis nach Eigenständigkeit mit gleichzeitiger Unterstützung in angemessener Form ist sehr groß.“Sobald diese Eigenständigkeit nicht mehr möglich sein sollte, ist das betreute Wohnen die bevorzugte Wohnform der meisten Meerbuscher Senioren. „Schon jetzt gibt es in dem Bereich aber Wartelisten“, sagt Flintrop und empfiehlt: „Es ist daher sinnvoll, in diesem Bereich aufzustocken.“
Eine wichtige Rolle für ein selbstständiges Leben im Alter spielt die Nahversorgung im Ort: Supermärkte, Ärzte, Apotheken. „Die Zufriedenheit in den großen Ortsteilen wie Büderich und Osterath ist hoch“, sagt die Fachfrau. In den Rheingemeinden sowie Ossum-Bösinghoven
bewerten die meisten Senioren das Angebot hingegen mit mangelhaft bis ungenügend. Anja Flintrop fordert: „Die Infrastruktur in den kleinen Ortsteilen muss dringend verbessert werden.“
Auch Inge Rose kennt dieses Problem. „Mein Mann und ich können noch mit dem Auto fahren, das ist unser Glück“, sagt sie. „Zum Großeinkauf fahren wir deshalb nach Krefeld oder Osterath, weil wir dort direkt vor dem Geschäft parken können.“Sie hätte es gut gefunden, wenn in Lank ein Discounter gebaut worden wäre. Aber bislang haben entsprechende Pläne in der Politik keine Mehrheit gefunden.
Das Gesundheitssystem könnte ebenfalls besser sein, so das Umfrageergebnis: In ganz Meerbusch fehlen Fachärzte, speziell Augenärzte und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. In den kleinen Orten wie Nierst gibt es sogar überhaupt keine Ärzte und Apotheken. Inge Rose erzählt: „Wir müssen mindestens bis Lank fahren. Die Busse fahren aber nur einmal stündlich, da muss man als älterer Mensch auf jeden Fall mobil sein.“Aber wenigstens gibt es von Montag bis Samstag einen Apotheken-Lieferdienst für die Rheingemeinden. Auch Inge Rose und ihr Mann sind seit rund elf Jahren als Boten für die Apotheken auf Tour: „Zweimal in der Woche bringen wir Arzneimittel zu den Menschen“, berichtet sie. Außer mit ihrem Auto fahren die Eheleute Rose auch gerne mit dem Rad. „Auch das ist typisch“, sagt Seniorenbeauftragte Anja Flintrop. „Das Lieblingskind der Meerbuscher ist definitiv das Auto.“Sie macht sich aber dafür stark, mehr Anreize für Senioren zu schaffen, häufiger auf das Auto zu verzichten. „Kurze Strecken sind auch mit dem Rad oder zu Fuß machbar. Dafür müsste das Fahrradwegenetz besser gepflegt und teilweise ausgebaut und müssten in einigen Stadtteilen mehr Fahrradständer und Sitzgelegenheiten aufgestellt werden.“Mit dem Thema Bänke hat Inge Rose bereits gute Erfahrungen gemacht. Sie erzählt: „Hier in Nierst haben wir zwei Mal neue Bänke angeregt, in beiden Fällen wurde das schnell und unbürokratisch erledigt.“
Was Meerbusch für viele Senioren lebenswert macht, ist das Miteinander. „Die Meerbuscher Senioren sind gesellig“, sagt Anja Flintrop. „97 Prozent der Befragten gaben an, in Vereinen oder ähnlichem aktiv zu sein.“Viele Senioren wünschen sich daher mehr Begegnungsstätten, etwa ein Bürgerhaus. Und sie hätten gerne einen besseren Überblick über Angebote für Senioren. Flintrop: „Ein Beispiel: Die Nachfrage nach Kultur- und Bildungsangeboten am Nachmittag ist groß.“
Das kann Inge Rose bestätigen: Außerhalb der Corona-Pandemie sind die Senioren-Angebote der Pfarrei Hildegundis von Meer wie der Adventskaffee, die Karnevalsfeier oder der regelmäßige Spielenachmittag beliebt und gut besucht. Die Treffen finden in Räumen im Anbau der Alten Schule statt, den auch der Kindergarten nutzt. Rose: „Deshalb müssen wir jedes Mal umräumen – eigene Räume wären daher schön!“
Die vielfältigen und teils sehr konkreten Ergebnisse der Seniorenbefragung wollen die Mitglieder im Sozialausschuss nun diskutieren und zur Grundlage ihrer Arbeit machen. Vorsitzender Hans-Gerd Focken kündigt an: „Daraus wird für die Politik sicherlich der ein oder andere Arbeitsauftrag entstehen.“