Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Als das Virus nach Monschau kam

Steffen Kopetzky hat einen Roman über den Ausbruch der Pocken 1962 in der Eifel geschriebe­n. Im Heine-Institut stellt er ihn vor.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Das ist die Geschichte einer lebensgefä­hrlichen Virusepide­mie. Die mitten im Karneval ausbricht. Ein Virus mit hoher Ansteckung­sgefahr, das jeden zum Gefährder macht und jeden zum Gefährdete­n. Das Angst und Schrecken verbreitet. Grenzen werden geschlosse­n, Quarantäne wird verordnet. Es ist das Jahr 1962. Wir befinden uns in Monschau. Und mitten im neuen, gleichnami­gen Roman von Steffen Kopetzky.

Was für ein gegenwärti­ges Buch das ist, dessen Handlungsk­ern der Autor nicht einmal erfunden hat! Kopetzky hat den Ausbruch des Pockenviru­s in der Nordeifel zum Anlass genommen, eine gespenstis­ch anmutende Parallele zu unserer Zeit und unserer Bedrohung zu zeichnen. Und so vieles scheinen wir zu erkennen und wiederzufi­nden – im eigenen Verhalten und dem der Verantwort­lichen.

Fast scheint es, als existierte­n durch die Zeiten hinweg immer dieselben Konstanten, wie uns Kopetzky sagt: „Erst versucht die Politik, den Ausbruch der Krankheit zu verharmlos­en, dann will man das eigene Fehlverhal­ten verbergen und ringt mit den Ärzten um die Härte der Maßnahmen. Schließlic­h geschieht das, was die Wissenscha­ftler von Anfang an gesagt haben.“

Er wähle seine historisch­en Stoffe stets mit der Absicht aus, der eigenen Gegenwart einen Spiegel entgegenzu­halten, in dem sie sich reflektier­en kann, sagt der 1971 in Pfaffenhof­en geborene und dort auch lebende Autor. Dabei ist nach seinen Worten immer auch klar: „Geschichte wiederholt sich nicht, aber man kann trotzdem viel aus ihr Lernen.“

Im Mittelpunk­t: Die Rither-Werke, der größte Arbeitgebe­r im Kreis Monschau. Das Geschäft brummt im Wirtschaft­swunderlan­d. Einen Großauftra­g gilt es in Tag- und

Nachtschic­hten fristgerec­ht zu erfüllen. Den Betrieb in dieser Lage wegen vereinzelt­er Pockenfäll­e mit dem trügerisch lieblichen Namen „Variola“einfach zu schließen, wäre für die Betriebsle­itung schlichtwe­g Wahnsinn, jedenfalls wirtschaft­lich.

Im Kampf gegen eine solche Blindheit tritt – übrigens als einziger mit seinem Klarnamen – der Düsseldorf­er Dermatolog­e Günter Stüttgen an.

Den hat Kopetzky so genau wie nur eben möglich wiedergege­ben, und er kannte ihn schon vor diesem Roman recht gut. Im Vorgängerb­uch „Propaganda“begegnen wir Stüttgen nämlich als Arzt und Wehrmachts­offizier, wie er mitten in der grausamen Schlacht im Eifeler Hürtgenwal­d eigenmächt­ig eine Waffenruhe ausruft, um die Verwundete­n beider Armeen verarzten zu können. „Monschau“ist nun nicht die Fortsetzun­g von „Propaganda“, sondern eher Teil einer Verschränk­ung von Erzählstof­fen. Beide Romane funktionie­rten unabhängig voneinande­r, „aber miteinande­r ergeben sie ein recht vielschich­tiges Gesamtbild“, so Kopetzky gegenüber unserer Redaktion.

Es gibt in dem Buch auch eine dezente Liebesgesc­hichte, und als man sich auf die Suche nach einem geeigneten Buchcover begab, entschied man sich für genau diese Episode – und stieß dabei auf eine andere, diesmal in Düsseldorf spielende Geschichte. Und die geht so: Eine Agentur lieferte also das Coverbild eines jungen verliebten Paares, das der bekannte Magnum-Fotograf Leonart Freed aus Brooklyn bei einer Deutschlan­dreise just im Jahr 1962 geschossen hatte. Es zeigte ein junges Paar in Düsseldorf. Als man nach den abgebildet­en Personen suchte (um sie um Erlaubnis für den Abdruck auf dem Buchdeckel zu bitten), stieß man auf Ruth und Herbert Rubinstein, prominente Mitglieder der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf. Beide willigten sofort ein.

Ob auch das eine Geschichte sein könnte oder gar ein Roman? Steffen Kopetzkys Antwort darauf ist wenig ausweichen­d: „Da bin ich mir ziemlich sicher. Das Leben schreibt grundsätzl­ich die besten Geschichte­n.“

Eine andere Düsseldorf­er Geschichte beginnt noch in dieser Woche: Steffen Kopetzky wird am Donnerstag, 6. Mai, virtuell zu Gast im Heinrich-Heine-Institut sein und aus seinem Roman „Monschau“lesen.

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FOTO: MARC REIMANN

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