Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Der Kosmos des Kandidaten
Seine Sympathiewerte sind übersichtlich, und doch hat Armin Laschet das Rennen um Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur gewonnen. Mit welchem Netzwerk? Ein Blick hinter die Kulissen.
BERLIN/DÜSSELDORF Im Rennen um das Kanzleramt führt Armin Laschet zumindest beim Bekanntheitsgrad mit 90 Prozent gegenüber Olaf Scholz (88) und Annalena Baerbock (76). Und doch hapert es bei den Vertrauens- und Zustimmungswerten. Um das zu drehen, kommt es für ihn auch auf die richtigen Berater an. Wer steht an welcher Stelle für und gegen ihn?
Private Ratgeber
Als die Opposition die Geschäftsbeziehung von Laschets Sohn Johannes mit dem Gladbacher Unternehmer Van Laack aufspießte und einen Interessenkonflikt bei der Maskenbeschaffung witterte, ging Laschet auf die SPD in ungewohnter Schärfe los. „Schäbig und unanständig“seien die Vorwürfe. Laschet ist die Familie heilig. Hier holt er sich Rat. Bei Johannes in Stilfragen und über Social Media, bei den drei Brüdern Remo, Carsten und Patrick zur Politik. Auch seine Frau Susanne ist eine wichtige Vertraute. Mit der Bergarbeitermedaille von Vater Heinz setzte er den entscheidenden Akzent im Rennen um den CDU-Vorsitz. Ein verstorbener Freund dient ihm als moralischer Kompass: der Merkel-Vertraute Peter Hintze. In schwierigen Situationen fragt er sich oft, was Hintze wohl getan hätte.
NRW-Netzwerk
Laschets wichtigste Personalentscheidung war die Rekrutierung von Nathanael Liminski, zunächst als Fraktionsgeschäftsführer, inzwischen als Chef der Staatskanzlei. Der hochintelligente Strippenzieher organisiert still die Dienstgeschäfte. Gilt Laschet oft als chaotisch, ist Liminski der Durchgetaktete. Dass Laschet ihn mit nach Berlin nimmt, gilt als sicher. In der Hauptstadt gut vernetzt ist Regierungssprecher Christian Wiermer. Auch wenn er etwa bei der Kommunikation eines vermeintlichen Hackerangriffs unglücklich agierte, hielt Laschet treu an ihm fest. Ähnlich wie Liminski und Wiermer hält auch Katrin Kohl dem Chef den Rücken frei. Die Abteilungsleiterin ist für Veranstaltungen und Protokoll zuständig, kennt ihn schon seit der Regierung Rüttgers.
Bundes-Netzwerk
Qua Amt verfügt Laschet über gute Verbindungskanäle in die Hauptstadt. Da sind Mark Speich, Staatssekretär für Europa und den Bund, CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und NRW-Landesgruppenchef Günter Krings. Ein mächtiges Kaliber drehte seine Kanzlerkandidatur in kritischer Phase auf die Gewinnerspur: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Vertrauensvolle Gesprächspartner sind Volker Bouffier, Thomas Strobl und Christian Wulff. Ins Kabinett wirkt er mit Jens Spahn. Tipps kommen vom Neusser Weggefährten Hermann Gröhe. Aus Zeiten der Pizza-Connection haben sie Kontakte zu Grünen wie Cem Özdemir oder Katrin Göring-Eckardt. Das Schmieden von Schwarz-Gelb in NRW führte zu einer Achse mit FDP-Chef Christian Lindner. Und doch ist klar, dass er weitere Ratgeber im Berliner Politikbetrieb hinzugewinnen muss.
Aspiranten
In Laschets Team müsse mehr Platz für junge Köpfe sein, heißt es aus Berliner CDU-Kreisen. Mit Fraktionsvize Andreas Jung (45) aus Baden-Württemberg trat Laschet bereits zum Thema Klimaschutz auf. Häufig wird die Fraktionsvize Nadine Schön (37) aus dem Saarland genannt, die sich als Digitalpolitikerin in Berlin bewährt hat. Überhaupt fehle es an Frauen, was auch die Niedersächsin und Parteivize Silvia Breher (47) ins Spiel bringt. Nicht zu vergessen Serap Güler (40), Staatssekretärin für Integration in NRW, mit der Laschet schon als Integrationsminister zusammenarbeitete. Mehr Sichtbarkeit wünschen sich viele für Carsten Linnemann (43), der neben Merz das Wirtschaftsprofil schärfen soll. Der Ost-Beauftragte Marco Wanderwitz (45) aus Sachsen ist nicht nur Fürsprecher des Ostens – sondern auch Laschets.
Nachfolger
Das Rennen um die Nachfolge Laschets in NRW wurde zwar offiziell auf die Zeit nach der Bundestagswahl verlegt, doch im Hintergrund gärt es. Aussichtsreichster Kandidat ist NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst. Laschet berief den früheren Generalsekretär der Landes-CDU und Chef der Mittelstandsvereinigung in sein Kabinett, um den konservativen Flügel einzubinden. Wüst hätte bereits jetzt wohl eine Mehrheit der NRW-CDU hinter sich, um Landeschef zu werden, und bringt auch das nötige Landtagsmandat mit – ein Vorteil gegenüber Kommunalministerin Ina Scharrenbach, der ebenfalls Ambitionen nachgesagt werden. Auch der Name von Innenminister Herbert Reul fällt regelmäßig. Doch er hat wie Scharrenbach keinen Sitz im Landtag.
Gegner
Auch drei Wochen nach der Entscheidung über die Kanzlerkandidatur reißen die Seitenhiebe aus München nicht ab. CSU-Chef Markus Söder kündigte nun ein eigenes „Schnellboot“neben dem „Flugzeugträger“des gemeinsamen Wahlprogramms an. CSU-General Markus Blume macht Laschet offen für das Umfragetief der Union verantwortlich. Angespannt soll auch das Verhältnis zu Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sein. Dahinter steckt die Laschet-Spahn-Teamlösung, nach der Spahn nach einem Wahlsieg als Fraktionschef gesetzt scheint. Ein Gespräch darüber mit Brinkhaus habe es, wie es aus Laschets Umfeld heißt, nicht gegeben. Dieser revanchierte sich, indem er sich bei Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur weder intern noch öffentlich klar für Laschet aussprach.