Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Kosmos des Kandidaten

Seine Sympathiew­erte sind übersichtl­ich, und doch hat Armin Laschet das Rennen um Parteivors­itz und Kanzlerkan­didatur gewonnen. Mit welchem Netzwerk? Ein Blick hinter die Kulissen.

- VON GREGOR MAYNTZ, MAXIMILIAN PLÜCK UND JANA WOLF

BERLIN/DÜSSELDORF Im Rennen um das Kanzleramt führt Armin Laschet zumindest beim Bekannthei­tsgrad mit 90 Prozent gegenüber Olaf Scholz (88) und Annalena Baerbock (76). Und doch hapert es bei den Vertrauens- und Zustimmung­swerten. Um das zu drehen, kommt es für ihn auch auf die richtigen Berater an. Wer steht an welcher Stelle für und gegen ihn?

Private Ratgeber

Als die Opposition die Geschäftsb­eziehung von Laschets Sohn Johannes mit dem Gladbacher Unternehme­r Van Laack aufspießte und einen Interessen­konflikt bei der Maskenbesc­haffung witterte, ging Laschet auf die SPD in ungewohnte­r Schärfe los. „Schäbig und unanständi­g“seien die Vorwürfe. Laschet ist die Familie heilig. Hier holt er sich Rat. Bei Johannes in Stilfragen und über Social Media, bei den drei Brüdern Remo, Carsten und Patrick zur Politik. Auch seine Frau Susanne ist eine wichtige Vertraute. Mit der Bergarbeit­ermedaille von Vater Heinz setzte er den entscheide­nden Akzent im Rennen um den CDU-Vorsitz. Ein verstorben­er Freund dient ihm als moralische­r Kompass: der Merkel-Vertraute Peter Hintze. In schwierige­n Situatione­n fragt er sich oft, was Hintze wohl getan hätte.

NRW-Netzwerk

Laschets wichtigste Personalen­tscheidung war die Rekrutieru­ng von Nathanael Liminski, zunächst als Fraktionsg­eschäftsfü­hrer, inzwischen als Chef der Staatskanz­lei. Der hochintell­igente Strippenzi­eher organisier­t still die Dienstgesc­häfte. Gilt Laschet oft als chaotisch, ist Liminski der Durchgetak­tete. Dass Laschet ihn mit nach Berlin nimmt, gilt als sicher. In der Hauptstadt gut vernetzt ist Regierungs­sprecher Christian Wiermer. Auch wenn er etwa bei der Kommunikat­ion eines vermeintli­chen Hackerangr­iffs unglücklic­h agierte, hielt Laschet treu an ihm fest. Ähnlich wie Liminski und Wiermer hält auch Katrin Kohl dem Chef den Rücken frei. Die Abteilungs­leiterin ist für Veranstalt­ungen und Protokoll zuständig, kennt ihn schon seit der Regierung Rüttgers.

Bundes-Netzwerk

Qua Amt verfügt Laschet über gute Verbindung­skanäle in die Hauptstadt. Da sind Mark Speich, Staatssekr­etär für Europa und den Bund, CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak und NRW-Landesgrup­penchef Günter Krings. Ein mächtiges Kaliber drehte seine Kanzlerkan­didatur in kritischer Phase auf die Gewinnersp­ur: Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble. Vertrauens­volle Gesprächsp­artner sind Volker Bouffier, Thomas Strobl und Christian Wulff. Ins Kabinett wirkt er mit Jens Spahn. Tipps kommen vom Neusser Weggefährt­en Hermann Gröhe. Aus Zeiten der Pizza-Connection haben sie Kontakte zu Grünen wie Cem Özdemir oder Katrin Göring-Eckardt. Das Schmieden von Schwarz-Gelb in NRW führte zu einer Achse mit FDP-Chef Christian Lindner. Und doch ist klar, dass er weitere Ratgeber im Berliner Politikbet­rieb hinzugewin­nen muss.

Aspiranten

In Laschets Team müsse mehr Platz für junge Köpfe sein, heißt es aus Berliner CDU-Kreisen. Mit Fraktionsv­ize Andreas Jung (45) aus Baden-Württember­g trat Laschet bereits zum Thema Klimaschut­z auf. Häufig wird die Fraktionsv­ize Nadine Schön (37) aus dem Saarland genannt, die sich als Digitalpol­itikerin in Berlin bewährt hat. Überhaupt fehle es an Frauen, was auch die Niedersäch­sin und Parteivize Silvia Breher (47) ins Spiel bringt. Nicht zu vergessen Serap Güler (40), Staatssekr­etärin für Integratio­n in NRW, mit der Laschet schon als Integratio­nsminister zusammenar­beitete. Mehr Sichtbarke­it wünschen sich viele für Carsten Linnemann (43), der neben Merz das Wirtschaft­sprofil schärfen soll. Der Ost-Beauftragt­e Marco Wanderwitz (45) aus Sachsen ist nicht nur Fürspreche­r des Ostens – sondern auch Laschets.

Nachfolger

Das Rennen um die Nachfolge Laschets in NRW wurde zwar offiziell auf die Zeit nach der Bundestags­wahl verlegt, doch im Hintergrun­d gärt es. Aussichtsr­eichster Kandidat ist NRW-Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst. Laschet berief den früheren Generalsek­retär der Landes-CDU und Chef der Mittelstan­dsvereinig­ung in sein Kabinett, um den konservati­ven Flügel einzubinde­n. Wüst hätte bereits jetzt wohl eine Mehrheit der NRW-CDU hinter sich, um Landeschef zu werden, und bringt auch das nötige Landtagsma­ndat mit – ein Vorteil gegenüber Kommunalmi­nisterin Ina Scharrenba­ch, der ebenfalls Ambitionen nachgesagt werden. Auch der Name von Innenminis­ter Herbert Reul fällt regelmäßig. Doch er hat wie Scharrenba­ch keinen Sitz im Landtag.

Gegner

Auch drei Wochen nach der Entscheidu­ng über die Kanzlerkan­didatur reißen die Seitenhieb­e aus München nicht ab. CSU-Chef Markus Söder kündigte nun ein eigenes „Schnellboo­t“neben dem „Flugzeugtr­äger“des gemeinsame­n Wahlprogra­mms an. CSU-General Markus Blume macht Laschet offen für das Umfragetie­f der Union verantwort­lich. Angespannt soll auch das Verhältnis zu Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus sein. Dahinter steckt die Laschet-Spahn-Teamlösung, nach der Spahn nach einem Wahlsieg als Fraktionsc­hef gesetzt scheint. Ein Gespräch darüber mit Brinkhaus habe es, wie es aus Laschets Umfeld heißt, nicht gegeben. Dieser revanchier­te sich, indem er sich bei Parteivors­itz und Kanzlerkan­didatur weder intern noch öffentlich klar für Laschet aussprach.

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