Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Der Mann hinter Lindner
Der 39 Jahre alte Johannes Vogel aus Wermelskirchen soll am Freitag zum neuen stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP gewählt werden.
BERLIN Ein Spaziergang im Park, morgens um acht. Johannes Vogel, hellwach und fröhlich, genießt die Sonne im Tiergarten – und spricht vom Sauerland. Dort wohnt er, dort hat er seinen Wahlkreis. Gerade mal 60 Kilometer von seinem Geburtsort entfernt. Kindheit und Jugend verbrachte er in Wermelskirchen, leistete seinen Zivildienst als Rettungssanitäter in seiner Geburtsklinik. Dann das Politikstudium in Bonn. Ein Leben, das sich räumlich überschaubar zu gestalten schien. Und das ihn nun an die Spitze bringt. Freitag wird Vogel aller Voraussicht nach neuer FDP-Vize und damit zum Mann nach Christian Lindner.
Das wird ihn noch häufiger in die Talkshows bringen, in denen er sich schon seit 2005 beachtlich schlägt.
Seinerzeit war er gerade Chef der Jungen Liberalen geworden – und parierte als 22-Jähriger selbst heftigste Attacken mit dem Vogel-typischen Lächeln. Anerkennung brachte ihm das in breiten Kreisen. Das mag mit seinem ganzheitlichen Verständnis von Liberalismus zu tun haben. Als er 2013 aus dem Bundestag flog, verzog er sich erst einmal für mehrere Monate nach China zum Sprachenlernen, um sich mit reichlich Abstand zu überlegen, was er denn nun tun sollte. Heraus kam eine Führungskräfte-Ausbildung bei der Bundesagentur für Arbeit, der Wiederaufbaujob für deren Internationale Abteilung, gefolgt von der Chefposition einer 400-Mitarbeiter-Agentur in Wuppertal.
Heraus kam aber auch ein Nebenamt mit der Mission, an der Seite Lindners als dessen NRW-Generalsekretär
den Wiederaufbau der Liberalen zu bewerkstelligen. Als die FDP den Sprung in die Regierung am Rhein schaffte, war das auch Vogels Verdienst. Und der Nachweis, als tragende Säule auf dem Weg zu einer schwarz-gelben Koalition fungieren zu können, dient ihm nun auch als lebendiges Dementi, als eingefleischter Sozialpolitiker automatisch eher zu Ampelbündnissen zu tendieren.
Als überzeugter Liberaler ist er ein überzeugter Sozialpolitiker. „Auf dem Feld der Sozialpolitik werden die ordnungspolitischen Schlachten der sozialen Marktwirtschaft geschlagen“, sagt Vogel. Seine Selbstverortung war in Teenager-Zeiten beim Fußballclub Turu Wermelskirchen das rechte Mittelfeld, in Zeiten des Juli-Chefs eher der linke Sturm, der Parteitage dreht, um die FDP auf eine Abschaffung von Lauschangriff und Vorratsdatenspeicherung festzulegen. Aktuell könnte er in die Rolle des Libero wechseln. Eine zentrale Figur, die die Verteidigung absichert und das Umschalten auf Angriff koordiniert. Sollte der FDP der Sprung in die Regierung gelingen, wird Lindner
Minister – und sein
Vize erhält mehr
Raum für ein Wirken in der Partei und der Fraktion. „Ich habe Lust auf mehr Verantwortung“, sagt Vogel und schaut auf die Uhr. Die nächsten Termine rücken näher. Und es nicht mal neun. Wie war das mit dem Sprichwort vom „frühen Vogel“? Mit 22 ist er gestartet, beherrscht den selbstsicheren Auftritt: „Frei zu reden, gelingt mir besser als abzulesen.“Das wirkt auch besser auf sein Publikum. Das Feld der Sozialpolitik als alleiniges Erkennungszeichen hat Vogel längst verlassen, ist zu Hause selbst in der internationalen Politik, Vizevorsitzender der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe. Nach einem kurzen intellektuellen Auftanken an der Harvard-Universität schüttelt er Analysen über den „Systemwettbewerb
ganz neuer Art“zwischen Deutschland und China jederzeit aus dem Ärmel – verbunden mit Initiativen: In dieser Herausforderung für die westlichen Demokratien sollte Europa „groß denken“, nicht nur mit den USA, sondern auch mit den marktwirtschaftlichen Demokratien Asiens mehr Freihandel betreiben. Vogel: „Wir brauchen auch eine Organisation dafür, eine Demokratische Allianz“.
Es ist wieder ein Baustein für eine andere FDP, die sich in der Neuformierung der Parteienlandschaft nachhaltig positioniert. Vogel kann sich daran erinnern, wie die kurzfristige Mobilisierung 2009 ganz gut gelang, „aber die langfristige Milieubindung ist wichtiger“. Vogel eilt zum nächsten Termin, nimmt das nächste 0,1 Prozent langfristiger Bindung in Angriff.