Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Neuaufstellung beim DFB wird dauern
Nach den Rücktritten beginnt die Suche nach Nachfolgern. Nur wer soll übernehmen?
BERLIN (dpa) Der schwere Gang vor das Sportgericht wird der letzte große Auftritt von Fritz Keller als DFB-Präsident, die komplizierte Nachfolgesuche zur Feuerprobe für den wankenden Deutschen Fußball-Bund. Am Freitag muss sich Keller in Frankfurt am Main für seinen folgenschweren Nazi-Vergleich verantworten, am Montag soll seine Rücktrittserklärung folgen. Wer bereit und in der Lage wäre, den DFB dann aus der tiefen Führungskrise zu lotsen, scheint völlig offen.
„Der Verband braucht einen kompletten Neustart in der Verbandskultur“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil der Deutschen Presse-Agentur. „Dazu gehört auch eine gründliche, ehrliche Aufarbeitung dessen, was in den letzten Jahren im DFB alles schief gelaufen ist.“Eine schnelle Personalentscheidungen, „die von oben durchgedrückt wird“, sei kontraproduktiv, ergänzte er. In Nordrhein-Westfalen hoffen die Verbände, dass nun endlich etwas Ruhe beim DFB einkehrt. „Leider haben die jüngsten Debatten über die Personalthemen im DFB wichtige Themen für die Fußball-Familie in Nordrhein-Westfalen überlagert, wie etwa die Ausübung des Breitensports während der Pandemie mit der anvisierten Rückkehr der Kinder und Jugendlichen – aber auch der Erwachsenen – in den Trainingsbetrieb in den Vereinen. Dafür hatten und haben die Vereine an der Basis kein Verständnis und dies haben die Landes- und Regionalverbände in den vergangenen Wochen auch in den internen Diskussionen wiederholt deutlich gemacht“, sagte Peter Frymuth, Präsident des Westdeutschen Fußballverbandes und DFB-Vizepräsident unserer Redaktion. „Wir haben nach intensiven Wochen nun Entscheidungen, die hoffentlich dazu beitragen, den Fokus wieder auf ,auf den Platz’ zu richten“, hofft Frymuth.
„Die Weichen für eine Neuaufstellung des DFB“seien gestellt, hatte der DFB am Dienstagabend mitgeteilt. Mit Generalsekretär Friedrich Curtius wird über eine Vertragsauflösung verhandelt. Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge werden beim kommenden Bundestag, der auf Anfang 2022 vorgezogen werden soll, nicht mehr zur Wiederwahl antreten. Das Trio und Keller hatten sich den folgenschweren Streit geliefert, der darin gegipfelt war, dass der DFB-Präsident seinen Vize Koch als „Freisler“bezeichnet hatte. Ein Vergleich also mit Roland Freisler, dem Vorsitzenden des Volksgerichtshofes im Nationalsozialismus.
Der radikale Umbau war deshalb von etlichen gefordert worden. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus hatte Noch-Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge (65) im Zusammenspiel mit Rudi Völler (61) ins Gespräch gebracht. Ein Interesse der beiden im Profifußball angesehenen Ex-Nationalspieler ist aber unwahrscheinlich. Ex-Bundestrainer Berti Vogts sagte unserer Redaktion: „Für mich braucht es an der Spitze des Verbandes einen starken Mann – und das kann eigentlich nur Uli Hoeneß sein.“
Interesse bekundet hatte zuletzt die Anti-Korruptions-Expertin Sylvia Schenk (68). Sie stehe bereit, „mit einem Team von unabhängigen Personen den DFB in ruhiges Fahrwasser zu bringen. Dann kann man einen DFB-Präsidenten wählen“, hatte die langjährige Sportfunktionärin der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“gesagt. Die Amateursportvertreterin Ute Groth, die 2019 gegen Keller am Ende nicht zur Wahl zugelassen worden war, sagte am Mittwoch der dpa, sie arbeite derzeit mit einem Team an tiefgreifenden Reformvorschlägen. „Es gibt überall fähige Leute, die Erfahrung und Wissen einbringen können“, sagte sie. Die Entfremdung der Basis, zwischen den Amateuren und Profifußballern, sei „eklatant – da müssen wir aufeinander zugehen“. Weg von der „Kultur der Vorwürfe“und hin zu „Verständigung“und „Unterstützung“.
Koch will diesen Prozess bis zur Neuwahl zum dritten Mal als Interimspräsident begleiten. Ob er seine Funktionärskarriere komplett beendet, ist nach dpa-Informationen offen. Der 62-Jährige strebt aber keine Position im Präsidium oder
DFB-Vorstand mehr an. Koch führt derzeit auch den Bayerischen sowie den Süddeutschen Fußball-Verband und sitzt zudem noch im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union, was laut Uefa-Statuten auch nach seinem Abschied als DFB-Vize weiter möglich wäre. Wenn der DFB nicht die Abberufung fordert.
Ein Briefwechsel zwischen Koch und DFL-Geschäftsführer Christian Seifert hatte tiefe Gräben zwischen den beiden Funktionären offenbart, die für den aktuell kaum zu lösenden Konflikt der beiden Lager stehen. Peters ist Stellvertretender Sprecher des Präsidiums der Deutschen Fußball-Liga – entsprechend schwer ist vorstellbar, dass er und Koch in den kommenden Monaten harmonisch zusammenarbeiten. Mindestens konstruktiv muss es aber sein.