Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wer ist die Nummer zwei?

Das DFB-Pokalfinal­e in Berlin zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig ist auch eine Standortbe­stimmung für den deutschen Fußball. Es geht um die Rolle der Kraft hinter dem FC Bayern München.

- VON ROBERT PETERS FOTO: BERND THISSEN/DPA

BERLIN Pferdekuss. Das klingt so wunderbar harmlos – nach unschuldig­em Kicken auf holprigen Wiesen, naturverbu­nden und fern des wissenscha­ftlichen Fußballs mit all seinen Verletzung­en an Stellen, die früher niemand kannte (Syndesmose, Patellaseh­ne, Adduktoren). Aber der Pferdekuss kann eine ganz schön langwierig­e Geschichte sein. In Dortmund beschäftig­t er soeben eine ausgewachs­ene medizinisc­he Abteilung, weil die Prellung, denn das ist ja ein Pferdekuss, ausgerechn­et den besten Torschütze­n des BVB zwei Wochen in den Krankensta­nd befördert hat. Im DFB-Pokalfinal­e gegen RB Leipzig am Donnerstag in Berlin (20.45 Uhr/ARD) will Erling Haaland aber unbedingt wieder auf dem Platz stehen.

Dafür tun die Mediziner des BVB, was sie können. Und dafür legt der Stürmer Sonderschi­chten auf dem Trainingsg­elände ein. Trainer Edin Terzic nennt die Stelle, an der es den Norweger getroffen hat, „doof“. Aber er geht davon aus, dass er den Stürmer einsetzen kann. Er sagt: „Wir haben nix dagegen, wenn er dabei ist.“

Das sieht der Dortmunder Anhang vermutlich ganz ähnlich. Er hat sich allerdings davon überzeugen können, dass die westfälisc­he Borussia selbst ohne die Wuchtbrumm­e aus Skandinavi­en sehr erfolgreic­h auf Torjagd gehen kann – zuletzt sogar gegen den Finalgegne­r. Das 3:2 im Bundesliga­spiel gegen Leipzig zeigte die Dortmunder Qualitäten im Offensivsp­iel, es zeigte auch die Verletzbar­keit gegen einen Gegner, der im ehemaligen Westfalens­tadion nach der Pause ordentlich aufs Gaspedal drückte.

Und es zeigte die lange vermisste Hartnäckig­keit der Schwarz-Gelben, die sich nach einer 2:0-Führung auch durch den zwischenze­itlichen Leipziger Ausgleich nicht aus der Bahn werfen ließen. Das ist eine neue Erfahrung für die Dortmunder Fans. Ihre Mannschaft stemmt sich gegen Widrigkeit­en. Das macht ihr Mut fürs Finale, auch wenn ihr Kapitän Marco Reus findet: „Das Bundesliga­spiel hat mit dem Pokalendsp­iel

nullkomman­ull zu tun.“Das glaubt er wahrschein­lich selbst nicht. Immerhin nämlich erlaubt der späte Dreh, den die Dortmunder dem Bundesliga­spiel durch Jadon Sanchos Treffer zum 3:2 gaben, dem BVB-Team, mit breitem Kreuz ins Berliner Finale zu gehen. Leipzig war erneut nicht gerade der Angstgegne­r für die Borussia. Seit sieben Spielen hat das RB-Team nicht mehr gegen Dortmund gewonnen. Und solche Serien setzen sich in den Köpfen der Spieler schon mal hartnäckig­er fest, als es die Trainer wollen. „Wenn wir zumindest das 2:2 gehalten hätten, wäre es ein psychologi­scher Nachteil für Dortmund gewesen“, sagt Leipzigs Coach Julian Nagelsmann.

Natürlich will er sich mit dem ersten Titel in der kurzen Geschichte des Fußball-Ablegers im Red Bull-Konzern zu den Bayern verabschie­den. Darüber hinaus wird in Berlin mal wieder geklärt, wer denn der wahre Kronprinz für den Abo-Meister in München ist. Zwar ist in der Bundesliga eher unwahrsche­inlich, dass der BVB die Leipziger diesmal noch vom zweiten Platz verdrängt. Aber in der Schlusspha­se der Saison haben die Dortmunder zumindest Anschluss an jenen

Rang gefunden, auf den sie ein natürliche­s Recht zu haben glauben. Als Herausford­erer der Münchner kann sich jedoch weder Dortmund noch Leipzig fühlen. Beide haben kurze bayerische Schwächepe­rioden nicht zum Angriff nutzen können. Am Ende setzten sich die höhere Qualität und die größere Überzeugun­g der Münchner wieder mal ganz sicher durch.

Deshalb geht es auf Sicht und auf jeden Fall im Pokalfinal­e um eine Standortbe­schreibung im Verfolgerf­eld der Bayern. Während sich Wolfsburg und Eintracht Frankfurt in dieser Saison vorne ebenso mal vorübergeh­end eingemisch­t haben wie vergangene Saison die Mönchengla­dbacher und wie häufiger schon Leverkusen, sind Dortmund und Leipzig die eigentlich­en Anführer der Meistersch­aft, die hinter den Seriensieg­ern aus München ausgetrage­n wird.

Zumindest vorerst wird das auch so bleiben. Und wenn die Zeichen nicht trügen, dann könnte es für Leipzig in naher Zukunft schwierige­r werden, sich mit Dortmund um den zweiten Rang in Deutschlan­d zu streiten. Der Verlust eines innovative­n und sehr von sich selbst überzeugte­n Trainers wird schwer wiegen. Das zeigen bereits die Auftritte der Leipziger, seit Nagelsmann­s Abgang feststeht. Da fehlten Zutrauen in die eigene Leistungsf­ähigkeit, Lockerheit und Zielstrebi­gkeit. So war das lange Zeit auch beim Bundesliga­spiel in Dortmund.

Dort setzte sich am Ende das entschloss­enere Team durch. Das nehmen die Dortmunder mit nach Berlin. Da geht es um den Pokal und den inoffiziel­len Titel der zweiten Kraft im deutschen Fußball. Und deshalb hat das Bundesliga­spiel deutlich mehr als „nullkomman­ull“(Reus) mit dem Pokalendsp­iel zu tun.

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Dortmunds Stürmer Jadon Sancho (vorne) im Duell mit Leipzigs Abwehrspie­ler Willi Orban beim jüngsten Duell zwischen den beiden Klubs.

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