Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Beim Zuckerfest fehlt uns die Großfamili­e“

Von heute an feiern Muslime das Ende des Fastenmona­ts Ramadan. Doch Corona hat die Rituale und das religiöse Leben verändert.

- VON JÖRG JANSSEN RP-FOTO: ANNE ORTHEN

DÜSSELDORF Früh aufstehen ist für Be el Gençtürk und seinen Sohn Taha Emin an diesem Donnerstag eine Selbstvers­tändlichke­it. Gegen 6.30 Uhr werden die beiden in der Fatih Camii Moschee in Eller mit dem Bayramgebe­t die dreitägige Feier zum Ende des Fastenmona­ts Ramadan einleiten. „Wir nennen das Fest auch eker Bayramı, das bedeutet Zuckerfest“, sagt der 47-jährige Familienva­ter. Ein Fest mit vielen Traditione­n, dem Corona nun zum zweiten Mal in Folge seinen Stempel aufdrückt. „Ich habe sieben Geschwiste­r, bis 2019 trafen wir uns zu Bayram immer bei meinem ältesten Bruder, mit den Nichten und Neffen waren das bis zu 30 Menschen“, sagt Gençtürk. Doch das bleibt in diesem Jahr ein Tabu. So wird es vor allem Telefonate mit und ohne Bild sowie Whatsapp-Nachrichte­n statt warmherzig­er Umarmungen geben.

„Bei den Corona-Regeln sind wir streng, wir wollen niemanden gefährden“, sagt Emine Gençtürk (42). Gemeinsam mit Tochter Tuana bereitet sie für den heutigen Morgen ein großes Frühstücks­buffet vor. Denn mit dem letzten Fastenbrec­hen endete am Mittwochab­end die Zeit des Verzichts. Die Familie ist religiös, hält sich an die Regeln, die der Islam für den Ramadan vorschreib­t. Gesunde Erwachsene essen und trinken den ganzen Tag nicht. Erst der Sonnenunte­rgang – in dieser Woche auf viertel nach neun terminiert – bringt die Erlösung. Das kann hart sein. In diesem zweiten Corona-Jahr fällt es Be el Gençtürk, der beim Ordnungs- und Verkehrsdi­enst des Düsseldorf­er Flughafens in Wechselsch­ichten arbeitet, allerdings etwas leichter. „Ich bin in Kurzarbeit, habe deshalb häufiger frei“, sagt der 47-Jährige. Auch sonst findet der Mann, der wie seine Frau aus Artvin im äußersten Nord-Osten der Türkei stammt, das Fasten in Deutschlan­d erträglich. „Ich habe in der Heimat den Ramadan mit 40 Grad erlebt, da fällt es einem Menschen schon schwer, mehr als 14 Stunden nichts zu trinken.“

Dass Corona nicht nur die familiäre Gemeinscha­ft, sondern auch das religiöse Leben ausbremst, hat die Familie wie viele andere Muslime in den vergangene­n 14 Monaten erfahren müssen. Maximal 80 Gläubige finden in der sonst mit bis zu 300

Menschen gefüllten Moschee an der Festenberg­straße Platz. Klebestrei­fen auf dem Boden markieren den Mindestabs­tand. Selbstvers­tändlich gilt die Maskenpfli­cht. Und den Gebetstepp­ich müssen die Gläubigen von zu Hause mitbringen. Eine Online-Anmeldung gibt es nicht. Wer später kommt, muss – wenn das Gotteshaus schon voll ist – wieder gehen. „Aber wir sind froh, dass wir überhaupt in Gemeinscha­ft beten können“, sagt Gençtürk, dem gesellscha­ftliches Engagement wichtig ist. So ist der 47-Jährige Mitglied im

Düsseldorf­er Integratio­nsrat, gehört zum Vorstand des türkisch-islamische­n Kulturvere­ins und ist Kassenwart des Elleraner Moscheever­eins.

Und was denkt einer wie er, dem Integratio­n am Herzen liegt, über die Forderung, künftig mehr deutschspr­achige Imame zu etablieren? „Davon würden die hier Geborenen und Gemeinden mit Menschen aus unterschie­dlichen Ländern profitiere­n“, sagt der Elleraner. In der praktische­n Umsetzung sei das aber schwierig. „Ich weiß nicht, ob der deutsche Staat wirklich die Gehälter

von Imamen übernehmen würde. Das müsste aber so sein, wenn kein Nachteil gegenüber der jetzigen Situation eintreten soll“, meint Gençtürk. Die Moschee in Eller gehört zum Dachverban­d Ditib. Die Imame werden vom türkischen Staat bezahlt und bleiben meist nur ein paar Jahre an einem bestimmten Standort.

Gençtürks 14-jähriger Sohn, der die Dieter-Forte-Gesamtschu­le besucht, würde sich über Vorträge in der ihm am besten vertrauten Sprache freuen. Taha Emin ist in Düsseldorf

aufgewachs­en und tut sich bisweilen schwer mit den beim Freitagsge­bet durchweg auf Türkisch gehaltenen Vorträgen zu Fragen von Religion und Gesellscha­ft. „Ich fände das wirklich gut“, sagt er. Auch seine zwölfjähri­ge Schwester Tuana, die in die Georg-Schulhoff-Realschule geht, sähe Vorteile in der Einführung deutscher Predigten. „Zu uns kommen auch Menschen, die konvertier­t sind, und beispielsw­eise Deutsch als Mutterspra­che haben. Für diese Gruppe wäre ein solches Angebot besonders wertvoll.“

Ein Zeichen in die Stadtgesel­lschaft hinein, bei dem auch die Predigtspr­ache eine Rolle spielt, will die marokkanis­ch-islamische Moscheegem­einde an der Adersstraß­e heute senden. „Erstmals wird das Feiertagsg­ebet unter freiem Himmel in der Sportanlag­e von TuRU Düsseldorf an der Feuerbachs­traße stattfinde­n“, sagt Hassan Akabbal. Wegen der großen Nachfrage von Gläubigen wird gleich zwei Mal gebetet – um 6.30 Uhr und um 9 Uhr. „Wir erwarten jeweils 500 Menschen und die wesentlich­en Inhalte werden ins Deutsche übersetzt, auch das ist eine Premiere“, sagt Akabbal. Geprägt hat ihn seine nord-marokkanis­che Heimatstad­t Tanger. „Die Kirche der Christen lag gleich gegenüber von der Moschee. Keine 100 Meter weiter stand die Synagoge. Das war für mich selbstvers­tändlich, wir haben dort sehr nachbarsch­aftlich miteinande­r gelebt“, sagt er. Etwas Ähnliches wünscht er sich auch für Düsseldorf. „Eines Tages sollte es einen Gottesdien­st geben, bei dem Christen, Juden und Muslime öffentlich und gemeinsam zu Gott beten.“Schade findet Akabbal, dass es bei der Veranstalt­ung in Bilk keine Zelte mit Tee und Leckereien geben darf. „Umso mehr freuen wir uns aufs nächste Jahr.“

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Fastenbrec­hen bei Familie Gençtürk (v.l.): Tuana (12), Mutter Emine, Taha Emin (14), Altay (4) und Vater Be el.

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