Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Telefonseelsorge hilft jetzt auch per App
Per Telefon wurde natürlich schon immer beraten, dann kamen die Mails dazu. Und mit der Pandemie auch eine App, der Krisenkompass.
RHEIN-KREIS Offensichtlich genau zur richtigen Zeit, nämlich im März 2020, ging die App „Krisenkompass“der Telefonseelsorge an den Start. Allein im vergangenen März wurde sie 22.000 Mal heruntergeladen. „Die App wurde für all diejenigen entwickelt, die sich nicht trauen, mit uns am Telefon zu sprechen oder per Mail zu schreiben“, sagt Barbara Keßler, Leiterin der Telefonseelsorge. Sie richte sich, wie Keßler erklärt, an drei Gruppen: an Menschen, die sich deprimiert fühlen oder bereits Suizidgedanken haben, an Menschen, die bei Angehörigen oder Freunden solche Stimmungen wahrnehmen oder an Menschen, die den Suizid einer ihnen nahestehenden Person verarbeiten müssen. Doch in der Corona-Krise zeigte sich, dass sie vielen generell eine Unterstützung in einer schwierigen Lebenssituation ist. Der Krisenkompass sei eine Art Notfallkoffer, so Keßler. Mit verschiedenen Funktionen wie Tagebuch und persönlichen Archiven, um Fotos oder Lieder zu speichern, könne jeder seinen persönlichen Rucksack für schlechte Momente packen. Und wichtig: Die App sei jederzeit in Griffweite auf dem Handy und so immer dabei, wenn es nötig sei.
Dennoch ist der „Klassiker“, wie ja schon im Namen des Angebots enthalten, der Anruf, das persönliche
Gespräch mit einem der ehrenamtlichen Mitarbeiter, und mittlerweile auch der Kontakt über E-Mail. Beide haben in den ersten vier Monaten des Jahres gegenüber dem gleichen Zeitraum 2020 zugenommen.
Waren es von Januar bis April 2020 3395 Anrufer und 289 Mailschreiber, die das kostenlose Angebot in Anspruch nahmen, waren es im gleichen Zeitraum in diesem Jahr 4932 Anrufer und 601 Menschen, die sich schriftlich an die Mitarbeiter gewandt haben. Einsamkeit und Isolation waren die Themen, die die Menschen dabei am häufigsten beschäftigten (knapp 18 Prozent sowohl im ersten Quartal 2020 als auch 2021) neben depressiver Stimmung (15 Prozent) und Ängsten (2020: 15,7 Prozent; 2021: 13,5 Prozent). Anrufe und Mails zum Thema Corona stiegen im vergangenen Jahr im April deutlich an: So waren es im ersten Quartal 2020 (Januar bis März) erst 11,7 Prozent der Anrufer und gar nur 0,5 Prozent derjenigen, die mailten, um über ihre Ängste und Unsicherheiten zu sprechen, im April dann schon 33,7 Prozent (Anrufe) und 17,7 Prozent (Mail). Nach über einem Jahr Leben mit der Pandemie hat sich diese Zahl 2021 deutlich verringert: „Corona-Anrufe“April 2021: 19,3 Prozent,; „Corona-Mails“April 2021: zwei Prozent.
Am stärksten vertreten bei den Telefonaten war 2020 mit 22,1 Prozent die Gruppe der 50- bis 59-Jährigen. Das setzte sich 2021 fort: Mit 23,3 Prozent steht diese Gruppe auch in der Statistik Januar bis April 2021 an der Spitze. Bei den Mailkontakten sind es die 20- bis 29-Jährigen, die 2020 mit 36,1 Prozent am stärksten vertreten waren, was auch bis April 2021 mit bis dahin 28,4 Prozent so blieb. Sabine Gerl, hauptamtliche Mitarbeiterin bei der Telefonseelsorge Neuss, möchte den Blick auch auf die ehrenamtlichen Mitarbeiter legen. Denn auch die seien durch die Pandemie viel höher belastet. „Corona betrifft uns alle. Von daher rücken die Schicksale und Probleme der Anrufenden und Mailer*innen nochmal ein Stück näher.“