Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Als Latum noch ein richtiges Dorf war
Mit dem Vorsitzenden des Heimatkreises Lank Franz-Josef Jürgens, genannt „Franz von Latum“, auf einem Spaziergang durch ‚sein‘ Dorf. Er weiß viele Geschichten von früher zu erzählen.
LANK-LATUM Franz-Josef Jürgens ist ein echter Fan von Latum, dem Zwillingsort von Lank. Erst 1910 kam es zur Vereinigung der beiden Dörfer. „Die Bewohner waren seit jeher in einer Hassliebe verbunden, die noch lange nach dem Zusammenschluss weiter bestand. Insider sagen dies gar bis heute“, erklärt der 71-jährige Vorsitzende des Heimatkreises Lank, der sich gerne scherzhaft „Franz von Latum“nennt. Er ist ein echter Eingeborener, wurde in Latum geboren und hat seine Heimat nie verlassen, höchstens einmal zu einer Urlaubsreise. Wir begleiten den ausgewiesenen Heimatfreund und Experten von Lokalgeschichte(n) auf einen fünf Kilometer langen Spaziergang rund um das Dorf.
Dabei ist es wichtig zu wissen, dass nicht die Uerdinger Straße die beiden Ortsteile trennt, sondern dass auch Teile jenseits der ehemaligen Landstraße bis zum Krankenhaus zu Latum gehören. Startpunkt der kleinen Wanderung ist der Parkplatz am Latumer See, von wo aus es zunächst in die Wiesen Richtung Herrenbusch geht. Die Sonne scheint, einige Hühner gackern und Spaziergänger mit und ohne Hunden erfreuen sich an der frühlingshaften Natur. „Latum zeichnete sich früher durch große Höfe mit viel Landwirtschaft aus, während in Lank gewohnt wurde“, berichtet Jürgens. Noch heute ist viel Grün rund um Latum zu sehen. Knorrige Bäume säumen den Wirtschaftsweg. An einem von ihnen bleibt Jürgens stehen und zeigt auf einen kleinen Bilderstock, der an einem Stamm befestigt ist. Ein Rosenkranz und einige Blümchen schmücken ihn. Darinnen befindet sich ein bronzenes Marienbild. „Das hat Christoph Münks vom benachbarten Hof einst aus Kevelaer mitgebracht“, weiß Jürgens zu berichten.
Über den Waldweg kommen wir zur Mittelstraße, die früher „Angere Stroot“(andere Straße) hieß – im Gegensatz zur Landstraße, der heutigen Uerdinger Straße. Beide Straßen sind die Lebensadern des Dorfes. Während die Uerdinger Straße schnurgerade als Durchgangsstraße verläuft, schlängelt sich die Mittelstraße durch Wohngebiete, wie es früher in Dörfern üblich war. „Rechts und links befanden sich hier früher Gehöfte und Felder, die leider alle verschwunden sind“, erklärt Jürgens. Zum Beispiel der Lipperhof an der Kreuzung zur Rottstraße und der Hekschenhof an der Kreuzung zur Bismarckstraße. „Außerdem gab es früher hier viele Geschäfte“, ergänzt der Heimatfreund, der mit zwei Brüdern und drei Schwestern im Dorf aufwuchs.
In Haus Nr. 45 war das Fischgeschäft „Fischkutter Heini“. „Da musste ich immer grüne Heringe kaufen, weil meine Schwestern keinen Fisch riechen konnten“, erinnert sich Jürgens. Gleich daneben befand sich die Gaststätte Frangen, wo es nur samstags und sonntags eisgekühltes Flaschenbier gab. Haus 49 beherbergte den Bäcker und in der ehemaligen Gaststätte Haus Latum befand sich der Lebensmittelladen Sanche. „Wir sind zum Einkauf einfach quer über die Felder über kleine Pfade gelaufen“, berichtet Jürgens. Denn seine Familie wohnte an der Landstraße. An der Kreuzung von Mittel- und Bismarckstraße befand sich ein weiteres Lebensmittelgeschäft: „Kini“. Hier steht heute der Latumer Dorfbrunnen von Christoph Wilmsen-Wiegmann, ein großes Granitrondell, das an einen Mühlstein erinnert. Auf der Oberseite befinden sich drei Objekte der Latumer Geschichte: der Rittersitz Haus Latum, Symbole des Schützenbrauchtums und ein römischer Sarkophag, dessen Original 1868 in Latum gefunden wurde.
Der Spaziergang führt uns nun nach links zum Ortsausgang, den der Bursbach markiert. Früher querte die „Märjesbröck“den Wasserlauf,
was ein großer Quarzit am Wegesrand erklärt. „Da soll mal ein Pfarrer ertrunken sein, der nachts zu Fuß von Ossum kam und wohl zu viel gebechert hatte“, erzählt Jürgens. Über die Krahnengasse geht es zum Kaldenberg, wo die Schützen die traditionelle Brennnesselschlacht zelebrieren. Von dort weiter zur Uerdinger Straße, Haus Nr. 80, dem Elternhaus von Franz Jürgens. Hier war sein Vater als Schmied und Hufschmied tätig. „Ich hatte eine sehr schöne und unbeschwerte Kindheit“, erinnert er sich. Und auch zwei Unfälle in der Schmiedewerkstatt steckte er ganz locker weg. Nebenbei führte die Familie ein Geschäft, wo es alles rund um den Ofen gab. „Vor unserer Haustür verkehrte die Straßenbahn“, erinnert sich Jürgens. „Im Winter haben wir schon mal Schneebälle hineingeworfen.“Gut kann er sich auch noch an die Zigarrenfabrik Baase an der Hauptstraße erinnern, die heimische Tabakblätter verwendete. Oder an die Sattlerei Hannen, die der Opa von Angelika Mielke-Westerlage betrieb.
Am Krankenhaus vorbei, wo der kleine Franz-Josef am 11.11.1949 geboren wurde, geht es über die Claudiusstraße wieder zum Latumer See, wo man sich von der Wanderung etwas erholen und die Natur genießen kann. Hier befindet sich auch ein alter jüdischer Friedhof mit 14 Grabstellen ehemaliger Mitbürger. Von dort ist es nicht mehr weit bis zum Parkplatz.