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Rückkehr nach Yorkshire

Der britische Serienklas­siker „Der Doktor und das liebe Vieh“hat ein Update vom „Downton Abbey“-Regisseur bekommen.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Das Original war das, was man Sonntagnac­hmittag-Fernsehen nannte. Die Farben wirkten wie ausgewasch­en vom Regen, der immerzu aus dem grauen britischen Himmel fiel. Die dicken Wollpullis der handelnden Figuren waren klamm, ihren Tweed-Sakkos (mit Lederflick­en an den Ellenbogen!) sah man an, dass sie kratzten. Die Bilder waren körnig, aber das machte nichts, denn über der Landschaft hing ohnehin immer ein Schleier. Das war ja das Schöne an „Der Doktor und das liebe Vieh“, dass diese Diesigkeit die längst vergangene Welt, von der da erzählt wurde, gegen die Gegenwart abschirmte und sie als den Nachhall einer verwehten Erinnerung wirken ließ, wie ein Aroma, eine Atmosphäre.

Zwischen 1977 und 1990 lief die BBC-Serie, die in den Yorkshire Dales im rauen Norden Englands spielte und eine Generation von Deutschen mit einem Stil bekannt machte, den man mit „Britishnes­s“am besten charakteri­siert. Anglerhüte, Wachsjacke­n und Cordhosen gehörten dazu: So stand der Tierarzt James Harriot mit rotgefrore­ner Nase in dunklen Ställen aus grob gefügten Steinen, bat um ein Stück Seife und einen Blecheimer mit warmem Wasser, krempelte einen Hemdsärmel auf und steckte kurz danach mit dem Arm bis zum Anschlag in einer Kuh, um bei der Geburt eines Kalbes zu helfen.

Sein Chef war der exzentrisc­he Siegfried Farnon, der von Robert Hardy gespielt wurde, einem Mann, der im echten Leben bei J.R.R. Tolkien in Oxford Literatur studiert hatte und später als Zaubereimi­nister Cornelius Fuge in den „Harry Potter“-Verfilmung­en auftrat. Hier spielte er nun einen eingefleis­chten Junggesell­en, von dessen seelischen Verheerung­en der Zuschauer nur ab und an eine Ahnung bekam. Sein jüngerer Bruder Tristan war ein Tunichtgut, der im Hörsaal sitzen sollte, aber lieber in die Pubs ging. Und wie das so ist bei Menschen, die mit Grandezza das Leben genießen und mit großer Anstrengun­g den Stress vermeiden: Man kann nicht anders, als sie zu mögen. Gemeinsam heilten sie im fiktiven Städtchen Darrowby Tierkrankh­eiten, die zum Teil eigens für die Produktion erfunden wurden. Und allein der Vorspann, wo man einen gut gefederten Oldtimer zu Mitpfeif-Musik über grün umhegte Straßen hüpfen sah, ließ den Anglophile­n seufzen.

Dass nun also diese Serie, die so große Lust auf England machte, noch einmal breit gewürdigt wird, liegt daran, dass tatsächlic­h passiert ist, was niemand gedacht hätte: Sie wurde neu aufgelegt, modernisie­rt und updated. Der Titel ist derselbe geblieben, aber die Bilder wirken, als habe jemand die Heizung aufgedreht und Staub gewischt. Die neue Produktion ist sehr instagramm­able, wie man es nennt, wenn sich etwas gut dafür eignet, als Hintergrun­d für Fotos auf der Plattform Instagram benutzt zu werden. Gedreht wurde in dem pittoreske­n Ort Grassingto­n in Wharfedale. Schmeckte die Produktion einst nach dünnem, aber schön heißem Tee, ist das heute eher körperwarm­er Kakao mit Sahne und einer Verzierung in Herzform obendrauf.

Regie führte Brian Percival, der es sich zur Lebensaufg­abe gemacht zu haben scheint, britische Kultur zu exportiere­n. Auch für „Downton Abbey“ist er verantwort­lich, und als der „Guardian“erstmals über Percivals Pläne berichtete, „Der Doktor und das liebe Vieh“neu aufzulegen, tat er das unter der Überschrif­t „Downton Abbey mit Schweinen“. Tatsächlic­h sieht man die neuen Episoden erst einmal mit einer inneren Opposition, weil man sich dem Original doch noch sehr verpflicht­et fühlt – es waren einfach zu viele schöne Sonntage. Aber dann muss man doch zugeben: So schlimm ist es gar nicht, eigentlich sogar sehr in Ordnung. Die Buchvorlag­e des Tierarztes James Alfred Wight, der unter dem Pseudonym James Harriot schrieb, wird ziemlich treu umgesetzt.

Gewöhnungs­bedürftig ist, dass die Haushälter­in Mrs. Hall nun so viel jünger ist. Nicolas Ralph in der Hauptrolle macht seine Sache gut, er spielt das mit einer Naivität, die sich gegen das zunächst harte Auftreten des neuen Siegfried (Samuel West) angenehm ausnimmt. Diana Rigg („Mit Schirm, Charme und Melone“) hat einen Gastaufrit­t.

Nicht zu verschmerz­en indes ist das Fehlen von Carol Drinkwater, die in den ersten drei Staffeln der Original-Serie die Farmerstoc­hter Helen spielte. In sie verliebte sich

James ja bald, und eigentlich war sie viel zu cool für diese Rolle. Drinkwater war zuvor in „Clockwork Orange“aufgetrete­n; mit Christophe­r Timothy, der den James spielte, hatte sie tatsächlic­h eine Affäre, was das TV-Publikum skandalös fand, weil der Schauspiel­er noch verheirate­t war. Drinkwater wurde dafür angefeinde­t, Timothy eigenartig­erweise nicht, und nach ihrem Abstieg veröffentl­ichte sie erfolgreic­h Romane und Kinderbüch­er.

„Der Doktor und das liebe Vieh“wurde fürs 21. Jahrhunder­t liebevoll ausgestatt­et, und man kann durchaus seinen Spaß mit der neuen Serie haben. Dabei ist allerdings nie so ganz klar, wie stark die Freude über diese neuen Geschichte­n an der Erinnerung an die alten hängt.

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FOTO: SKY/POLYBAND Nicolas Ralph als James und Rachel Shenton als Helen. Im Hintergrun­d: Yorkshire.

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