Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Nasse Keller: Boykottaufruf im Nordbezirk
Krefelder Bürger wollen sich nicht „mit inhaltsleeren Floskeln“weiter hinhalten lassen und fordern die Stadt auf, unverzüglich die Pumpen anzuschalten, um damit für trockene Keller zu sorgen.
Die Stadtverwaltung rund um Bürgermeister Frank Meyer (SPD) scheint auf Tauchstation gegangen zu sein. Nicht viel anders geht es den Hauseigentümern am Kliedbruch – nur mit dem Unterschied, dass sie es nicht freiwillig tun. Ihnen laufen die Keller mit Wasser voll. Drängendes Grundwasser sucht sich den Weg durch die Bodenplatte aus Beton und das Mauerwerk. Das Problem ist seit vielen Jahren bekannt. So lange das Grundwasser abgepumpt und in die benachbarten Niepkuhlen geleitet wurde, war das Problem im Griff. Doch die Pumpen sind abgeschaltet. Den markigen Worten des Oberbürgermeisters – „Ich lasse niemand im Nordbezirk absaufen“– folgten keine Taten. Darauf wies auch FDPFraktionschef Joachim C. Heitmann in seiner Laudatio am Dreikönigentreff zur Verleihung des Preises für bürgerschaftliche Zivilcourage an die Arbeitsgemeinschaft Krefelder Bürgervereine (AKB) hin.
Doch mit solchen Äußerungen ist den Hunderten Betroffenen nicht geholfen. Die Krefelder aus den Dyks sind der Fensterreden und Alibitreffen müßig. Sie müssen zusehen, wie ihr Zuhause feucht wird und sich gesundheitsgefährdender Schimmel ausbreitet. Wasser schippen und auf die Straße pumpen ist keine Lösung.
Caroline und Joachim Spicker haben einen Brandbrief und einen Aufruf zum Boykott verfasst. „Die Stadt Krefeld hat für Mittwoch, 17. Januar, zu einer Online-Informationsveranstaltung zu Sanierungsmaßnahmen (durch die jeweiligen Betroffenen) eingeladen. Meine Familie empfindet diesen Termin mit dem vorgeschlagenen Inhalt schlichtweg als Frechheit der Stadt gegenüber uns als Betroffene. Wir bitten Sie, diese Veranstaltung zu boykottieren“, heißt es.
Die Stadt habe auf viele Beschwerden der Bürger über das Ausbleiben der Pump-Aktivitäten nur mit inhaltsleeren Floskeln geantwortet. „Uns geht es jetzt nicht um mittelfristige Sanierungskonzepte. Uns geht es darum, dass die Stadt unverzüglich die Pumpen anstellt und das Stadtviertel von den Grundwasserspitzen befreit“, forderte das Ehepaar.
Eine Forderung, die im Übrigen auch die CDU im Nordbezirk geäußert at, ohne das sich an der Situation irgendetwas geändert hätte. Die Spickers verlangen, dass die Stadt in einer Präsenz-Veranstaltung den Anwohnern darstellt, was sie in den Wochen seit dem Auftreten der Grundwasserspitzen unternommen hat, um Schäden von
den Bürgern abzuwenden. Die Stadt möge darstellen, was sie in der Frage Anschalten der Pumpen oder nicht seit 21. Dezember 2023 geprüft habe und was das Ergebnis der Prüfung sei. Die Stadt möge den Mut haben, mit den betroffenen Bürgern von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. Die Stadt möge erklären, wie sie mit Menschen umzugehen gedenkt, die Schäden jenseits von 100.000 Euro erlitten hätten und teilweise nun altersbedingt vor dem Ruin stehen, heißt es in dem Brandbrief.
„Wir erwarten nicht den erneuten Hinweis auf den (nachträglichen) Bau einer weißen Wanne, denn eine große Anzahl der Wannen erweist sich jetzt als undicht“, betonte Joachim Spicker. „Um es klar auszudrücken: wir erwarten von einer kommenden Veranstaltung keine Ratschläge seitens der Stadt, sondern die Stadt soll sich für ihre fehlenden Aktivitäten erklären. Danke Stadt Krefeld, dass Ihr uns beraten wollt, aber schmeißt erst einmal die Pumpen an!“
An die Nachbarn und die ebenfalls Betroffenen richtet er den Appell: „Wir, die Familie Spicker, bitten sie unter Protest der kommenden Online-Veranstaltung fernzubleiben und einen direkten Präsenzaustausch zwischen der Stadt und den Menschen einzufordern. Bitte schreiben sie der Stadt Krefeld und dem Oberbürgermeister Meyer ihren Protest und zeigen sie die erlittenen Schäden auf. Bewerten sie die Schäden auch finanziell und senden sie eine Kopie Ihrer Mail an die Interessensgemeinschaft „Trockene Keller im Nordbezirk“. Es hilft der Interessensgemeinschaft, die Gesamtheit der Schäden zu quantifizieren und ein Schadensregister zu erstellen. Bitte sprechen Sie auch betroffene Nachbarn und Freunde an, damit die Gesamtheit der Schäden erfasst werden kann.“
Das Grundwasserproblem geht inzwischen weit über die Dyks heraus. Barbara Driesen und Haymo Pelz wohnen am Schleitershof und bestätigen, dass eine weiße Wanne keinen sicheren Schutz biete. Aufgrund des extrem hohen Grundwasserstandes komme es trotz Wanne zu massiven Wassereinbrüchen in ihrem und etlichen anderen Häusern am Schleitershof und in der Umgebung. „Angesichts der Lage bitten wir sie dringend um Einschalten der ehemaligen funktionsfähigen LEG-Pumpen für den Nordbezirk – etwaige juristische Bedenken sind hier nicht länger angebracht, denn „Not kennt kein Gebot“, schon Helmut Schmidt wusste das“, schreiben die beiden.
Nun, der ehemalige Bundeskanzler war 1962 noch Polizeisenator in Hamburg als er die Folgen einer Sturmflut für die Hansestadt und ihre Menschen unbürokratisch und zielstrebig in den Griff bekam. Von Sturmflut kann im Nordbezirk natürlich keine Rede sein, aber mit den Füßen im Wasser standen sowohl die Hamburger vor mehr als 60 Jahren als auch zahlreiche Krefelder heute.
Die Stadtverwaltung reagierte auf Anfragen unserer Redaktion, wer, was, wann, wo mit welcher Zielsetzung prüfe, mit Ausflüchten. „Leider können wir Ihnen im Moment nicht viel Neues sagen“, lautete die Antwort. Aufgrund der aktuellen Niederschläge sei auch in Krefeld bei der Entwicklung des Grundwasserspiegels nicht mit einer kurzfristigen Entspannung zu rechnen. Entsprechend gebe es in Krefeld wie auch in vielen anderen Städten in bestimmten Bereichen des Stadtgebietes hohe Grundwasserstände, und die Grabensysteme seien mancherorts an der Kapazitätsgrenze. „Die Stadt ist in dieser Ausnahmesituation weiter bestrebt, der Problematik lösungsorientiert zu begegnen und ist im Dialog mit Experten zu möglichen Maßnahmen“, betonte ein Stadtsprecher. Von weiteren Nachfragen – etwa mit welchen Experten, was erörtert werden soll – bittet die Stadt abzusehen. Dieser Hinweis sei nicht als offizielles Zitat zu verwenden, hieß es.
Unterdessen bezeugen Wasserschläuche und Sanierungsarbeiten allerorten im Viertel die Notlage. „Wir selbst haben seit dem 27. November durchgängig Grundwasser bis zu einer Höhe von zwölf Zentimetern im Keller, berichtete Joachim Spicker. Der WDR plane in der nächsten Woche, ausführlich im Fernsehen zu berichten und habe sich selbst bereits ein Bild vor Ort geschaffen. Ein Kurzbericht der Lokalzeit Düsseldorf vom 3. Januar sei in der WDR-Mediathek zu finden.