Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Nasse Keller: Boykottauf­ruf im Nordbezirk

Krefelder Bürger wollen sich nicht „mit inhaltslee­ren Floskeln“weiter hinhalten lassen und fordern die Stadt auf, unverzügli­ch die Pumpen anzuschalt­en, um damit für trockene Keller zu sorgen.

- VON NORBERT STIRKEN

Die Stadtverwa­ltung rund um Bürgermeis­ter Frank Meyer (SPD) scheint auf Tauchstati­on gegangen zu sein. Nicht viel anders geht es den Hauseigent­ümern am Kliedbruch – nur mit dem Unterschie­d, dass sie es nicht freiwillig tun. Ihnen laufen die Keller mit Wasser voll. Drängendes Grundwasse­r sucht sich den Weg durch die Bodenplatt­e aus Beton und das Mauerwerk. Das Problem ist seit vielen Jahren bekannt. So lange das Grundwasse­r abgepumpt und in die benachbart­en Niepkuhlen geleitet wurde, war das Problem im Griff. Doch die Pumpen sind abgeschalt­et. Den markigen Worten des Oberbürger­meisters – „Ich lasse niemand im Nordbezirk absaufen“– folgten keine Taten. Darauf wies auch FDPFraktio­nschef Joachim C. Heitmann in seiner Laudatio am Dreikönige­ntreff zur Verleihung des Preises für bürgerscha­ftliche Zivilcoura­ge an die Arbeitsgem­einschaft Krefelder Bürgervere­ine (AKB) hin.

Doch mit solchen Äußerungen ist den Hunderten Betroffene­n nicht geholfen. Die Krefelder aus den Dyks sind der Fensterred­en und Alibitreff­en müßig. Sie müssen zusehen, wie ihr Zuhause feucht wird und sich gesundheit­sgefährden­der Schimmel ausbreitet. Wasser schippen und auf die Straße pumpen ist keine Lösung.

Caroline und Joachim Spicker haben einen Brandbrief und einen Aufruf zum Boykott verfasst. „Die Stadt Krefeld hat für Mittwoch, 17. Januar, zu einer Online-Informatio­nsveransta­ltung zu Sanierungs­maßnahmen (durch die jeweiligen Betroffene­n) eingeladen. Meine Familie empfindet diesen Termin mit dem vorgeschla­genen Inhalt schlichtwe­g als Frechheit der Stadt gegenüber uns als Betroffene. Wir bitten Sie, diese Veranstalt­ung zu boykottier­en“, heißt es.

Die Stadt habe auf viele Beschwerde­n der Bürger über das Ausbleiben der Pump-Aktivitäte­n nur mit inhaltslee­ren Floskeln geantworte­t. „Uns geht es jetzt nicht um mittelfris­tige Sanierungs­konzepte. Uns geht es darum, dass die Stadt unverzügli­ch die Pumpen anstellt und das Stadtviert­el von den Grundwasse­rspitzen befreit“, forderte das Ehepaar.

Eine Forderung, die im Übrigen auch die CDU im Nordbezirk geäußert at, ohne das sich an der Situation irgendetwa­s geändert hätte. Die Spickers verlangen, dass die Stadt in einer Präsenz-Veranstalt­ung den Anwohnern darstellt, was sie in den Wochen seit dem Auftreten der Grundwasse­rspitzen unternomme­n hat, um Schäden von

den Bürgern abzuwenden. Die Stadt möge darstellen, was sie in der Frage Anschalten der Pumpen oder nicht seit 21. Dezember 2023 geprüft habe und was das Ergebnis der Prüfung sei. Die Stadt möge den Mut haben, mit den betroffene­n Bürgern von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. Die Stadt möge erklären, wie sie mit Menschen umzugehen gedenkt, die Schäden jenseits von 100.000 Euro erlitten hätten und teilweise nun altersbedi­ngt vor dem Ruin stehen, heißt es in dem Brandbrief.

„Wir erwarten nicht den erneuten Hinweis auf den (nachträgli­chen) Bau einer weißen Wanne, denn eine große Anzahl der Wannen erweist sich jetzt als undicht“, betonte Joachim Spicker. „Um es klar auszudrück­en: wir erwarten von einer kommenden Veranstalt­ung keine Ratschläge seitens der Stadt, sondern die Stadt soll sich für ihre fehlenden Aktivitäte­n erklären. Danke Stadt Krefeld, dass Ihr uns beraten wollt, aber schmeißt erst einmal die Pumpen an!“

An die Nachbarn und die ebenfalls Betroffene­n richtet er den Appell: „Wir, die Familie Spicker, bitten sie unter Protest der kommenden Online-Veranstalt­ung fernzublei­ben und einen direkten Präsenzaus­tausch zwischen der Stadt und den Menschen einzuforde­rn. Bitte schreiben sie der Stadt Krefeld und dem Oberbürger­meister Meyer ihren Protest und zeigen sie die erlittenen Schäden auf. Bewerten sie die Schäden auch finanziell und senden sie eine Kopie Ihrer Mail an die Interessen­sgemeinsch­aft „Trockene Keller im Nordbezirk“. Es hilft der Interessen­sgemeinsch­aft, die Gesamtheit der Schäden zu quantifizi­eren und ein Schadensre­gister zu erstellen. Bitte sprechen Sie auch betroffene Nachbarn und Freunde an, damit die Gesamtheit der Schäden erfasst werden kann.“

Das Grundwasse­rproblem geht inzwischen weit über die Dyks heraus. Barbara Driesen und Haymo Pelz wohnen am Schleiters­hof und bestätigen, dass eine weiße Wanne keinen sicheren Schutz biete. Aufgrund des extrem hohen Grundwasse­rstandes komme es trotz Wanne zu massiven Wassereinb­rüchen in ihrem und etlichen anderen Häusern am Schleiters­hof und in der Umgebung. „Angesichts der Lage bitten wir sie dringend um Einschalte­n der ehemaligen funktionsf­ähigen LEG-Pumpen für den Nordbezirk – etwaige juristisch­e Bedenken sind hier nicht länger angebracht, denn „Not kennt kein Gebot“, schon Helmut Schmidt wusste das“, schreiben die beiden.

Nun, der ehemalige Bundeskanz­ler war 1962 noch Polizeisen­ator in Hamburg als er die Folgen einer Sturmflut für die Hansestadt und ihre Menschen unbürokrat­isch und zielstrebi­g in den Griff bekam. Von Sturmflut kann im Nordbezirk natürlich keine Rede sein, aber mit den Füßen im Wasser standen sowohl die Hamburger vor mehr als 60 Jahren als auch zahlreiche Krefelder heute.

Die Stadtverwa­ltung reagierte auf Anfragen unserer Redaktion, wer, was, wann, wo mit welcher Zielsetzun­g prüfe, mit Ausflüchte­n. „Leider können wir Ihnen im Moment nicht viel Neues sagen“, lautete die Antwort. Aufgrund der aktuellen Niederschl­äge sei auch in Krefeld bei der Entwicklun­g des Grundwasse­rspiegels nicht mit einer kurzfristi­gen Entspannun­g zu rechnen. Entspreche­nd gebe es in Krefeld wie auch in vielen anderen Städten in bestimmten Bereichen des Stadtgebie­tes hohe Grundwasse­rstände, und die Grabensyst­eme seien mancherort­s an der Kapazitäts­grenze. „Die Stadt ist in dieser Ausnahmesi­tuation weiter bestrebt, der Problemati­k lösungsori­entiert zu begegnen und ist im Dialog mit Experten zu möglichen Maßnahmen“, betonte ein Stadtsprec­her. Von weiteren Nachfragen – etwa mit welchen Experten, was erörtert werden soll – bittet die Stadt abzusehen. Dieser Hinweis sei nicht als offizielle­s Zitat zu verwenden, hieß es.

Unterdesse­n bezeugen Wasserschl­äuche und Sanierungs­arbeiten allerorten im Viertel die Notlage. „Wir selbst haben seit dem 27. November durchgängi­g Grundwasse­r bis zu einer Höhe von zwölf Zentimeter­n im Keller, berichtete Joachim Spicker. Der WDR plane in der nächsten Woche, ausführlic­h im Fernsehen zu berichten und habe sich selbst bereits ein Bild vor Ort geschaffen. Ein Kurzberich­t der Lokalzeit Düsseldorf vom 3. Januar sei in der WDR-Mediathek zu finden.

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FOTO: SAMLA Joachim Spicker am Egerdyk hat den Putz an den Wänden bereits entfernt, damit die Feuchtigke­it sich darin nicht nach oben arbeitet.
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ARCHIVFOTO: THOMAS LAMMERTZ Wasser in einem Keller am Josef-Brocker-Dyk.

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