Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Auch vegane Kinder leben gesund

Christina Calderon ist Expertin für die pflanzlich­e Ernährung und findet, dass Eltern zu Unrecht angefeinde­t werden. Ihre Tipps.

- VON SEMIHA ÜNLÜ

DÜSSELDORF Christina Calderon war kaum zehn Jahre alt, als sie entschied, Vegetarier­in zu werden. „Mein Vater ist Jäger“, sagt die Düsseldorf­erin und so habe sie daheim im Keller immer wieder erlegte Tiere sehen müssen und erfahren, dass Tiere sterben müssen, um später zur Wurst verarbeite­t zu werden oder als Schnitzel auf dem Teller zu landen. „Ich bin überzeugt davon, dass die pflanzenba­sierte Ernährung vieles verändern kann, angefangen bei Zivilisati­onskrankhe­iten, über unnötiges Tierleid und bis hin zu einer Umwelt, die auch für unsere Kinder noch lebenswert ist“, sagt Calderon heute, die Ernährungs­beraterin und -expertin für vegane Ernährung ist.

Das Interesse an der veganen Ernährung und eben auch an der von Kindern wächst. Doch wenn es um die rein pflanzlich­e Ernährung bereits von Babys geht, erhitzen sich schnell schon mal die Gemüter. Christina Calderon weiß, dass Eltern dann auch schnell angefeinde­t werden können. Zu ungesund, ja gefährlich für die Entwicklun­g des Kindes sei das, heißt es dann rasch. Zu Unrecht, meint die Ernährungs­expertin.

Eltern sollten sich allerdings frühzeitig damit beschäftig­en, was es heißt, das Kind rein pflanzlich zu ernähren und wie sich das im Alltag umsetzen lässt. Erst recht, wenn man sich selbst auch noch gar nicht so ernährt. Mit Beginn der Beikost sei es eigentlich schon zu spät, findet Calderon, und man setze sich als Eltern dann auch zusätzlich unter Druck, sagt die Mutter eines fünfjährig­en Sohnes. „Wichtig ist mir, faktenbasi­ert über Vor- und Nachteile aufzukläre­n, Transparen­z zu schaffen und dazu beizutrage­n, dass Gesundheit­spersonal und Eltern das richtige Wissen an die Hand bekommen, um eine fundierte Entscheidu­ng treffen zu können“, sagt Calderon.

Der größte Fehler, sagt Christina Calderon, sei es, bei der Ernährung einfach etwas wegzulasse­n, also zum Beispiel Milch-, Fleisch- oder Fischprodu­kte. Unerlässli­ch sei es immer, für ausgewogen­en Ersatz zu sorgen, sagt Christina Calderon, die unter anderem eine Fachfortbi­ldung zur veganen Ernährung von Schwangers­chaft bis Jugend absolviert hat und zum Beispiel Dozentin für „Vegane Beikost“und „Vegane Schwangers­chaft“beim Familienbi­ldungszent­rum Efa in Düsseldorf ist.

Denn egal ob vegan oder nicht: Für eine gesunde Ernährung und Entwicklun­g braucht der Mensch sehr unterschie­dliche Mineralsto­ffe, Vitamine und Nährstoffe, etwa Kalcium, Eisen, Jod, Selen, Zink, Vitamin D, B2, B12 oder langkettig­e Omega-3-Fettsäuren.

Calderons Tipp für Eltern: Sie sollten ihrem Kind täglich alle fünf Lebensmitt­elgruppen anbieten (Gemüse, Obst, Vollkorn und Kartoffeln, Hülsenfrüc­hte, Nüsse und Saaten), auf ausreichen­d pflanzlich­e Kalzium-Quellen achten, Vollkornpr­odukte denen mit Weißmehl vorziehen und zum Beispiel Mikroalgen­öl verwenden, wenn auf den Fischverze­hr verzichtet wird.

Eltern sollten keine Angst vor Hülsenfrüc­hten haben und sie schon ab der Beikost einsetzen. Statt Fleisch könnte man auf Hülsenfrüc­hte, Vollkorn und B12 als Supplement setzen, statt Milch zum Beispiel Brokkoli, Grünkohl, Kichererbs­en, Trockenfrü­chte oder Kalzium-reiches Wasser zu sich nehmen. Auch auf eine ausreichen­de Vitamin-DVersorgun­g solle man achten und zum Beispiel Nori-Flocken für eine ausreichen­de Jodversorg­ung zu sich nehmen.

Christina Calderon sieht viele Vorteile in der veganen Ernährung und das nicht nur aus ethischen Gründen. So verweist sie etwa auf Studien, die sich allerdings auf Erwachsene beziehen, die zeigen, dass

Diabetes Typ 2 seltener auftrete, ebenso Bluthochdr­uck, zu hohes Cholesteri­n oder Krebs- und Herzkreisl­auferkrank­ungen.

Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung (DGE) ist zurückhalt­end, was die vegane Ernährung bei Kindern angeht – das aber vor allem aufgrund noch mangelnder Studien dazu. „In der Beratung von Schwangere­n, Stillenden, Kindern und Eltern, die sich oder ihre Kinder vegan ernähren möchten, sollen Fachkräfte dabei auf die Risiken einer veganen Ernährung hinweisen, Handlungso­ptionen aufzeigen und gleichzeit­ig eine bestmöglic­he Unterstütz­ung bei der Umsetzung einer bedarfsger­echten veganen Ernährungs­weise bieten, um so einem Nährstoffd­efizit und damit einer Fehlentwic­klung vorzubeuge­n bzw. diese zu vermeiden“, heißt es in einem sogenannte­n Positionsp­apier. Darin heißt es aber auch: „Die wenigen, nicht repräsenta­tiven Daten deuten darauf hin, dass sich der Vitamin-B12-Gehalt der Frauenmilc­h und die Energiezuf­uhr der Kinder statistisc­h nicht signifikan­t zwischen vegan, vegetarisc­h und omnivor ernährten Studientei­lnehmer*innen unterschei­den.“Nachgewies­en wurden demnach sogar positive Effekte: „Die Lebensmitt­elauswahl der vegan ernährten Kinder zeigte einen höheren Ballaststo­ffgehalt und einen geringeren Anteil an zugesetzte­m Zucker, was ernährungs­physiologi­sch positiv zu bewerten ist.“

Und egal, wie Eltern ihre Kinder ernähren wollen: Es sei immer wichtig, den Kleinen von Anfang an Freude und Spaß beim Essen zu vermitteln, meint Christina Calderon.

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FOTO: CALDERON Christina Calderon empfiehlt eine breite, ausgewogen­e Ernährung mit Grünkohl, Hülsenfrüc­hten, Vollkornpr­odukten oder Mikroalgen­öl.

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