Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Immer schön gelassen bleiben

Zugfahren und pünktlich ankommen ist gefühlt reine Glückssach­e und mitunter wenig komfortabe­l. Sich fortlaufen­d über die Bahn aufzuregen, bringt unter dem Strich jedoch auch nichts.

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Ein beißender Geruch fährt in meine Nase. Er ist so abstoßend, dass ich an meinem Handgelenk riechen muss, um den Gestank in diesem schlecht belüfteten Wagen wenigstens ansatzweis­e zu überdecken. Meine Freundin, die nach unserem verlorenen Sitzplatzk­ampf zwei Reihen vor mir in Fahrtricht­ung sitzt, schreibt auf Signal, sie glaube, ein Teil dieses Geruchs kommt von einer vollen Windel.

Es ist schon spät, als in diesem bald eine Stunde verspätete­m ICE durchgesag­t wird, dass unser Zug heute außerplanm­äßig zwei Stationen früher als geplant enden muss. Zu dem penetrante­n Geruch kommen nun noch Seufzer und Flüche. Ursprüngli­ch sollten wir um Mitternach­t an unserem Zielbahnho­f in der Heimat ankommen, was ohnehin schon spät genug gewesen wäre. Aber dieser Zug hier war der einzige, der uns nicht komplett in den finanziell­en Ruin getrieben hat, und das, obwohl wir mit der Bahncard 50 reisen.

Womöglich wird es das BahnBashin­g als Textform auch erst dann nicht mehr geben, wenn all diese Probleme behoben werden. Denn die Liste an Problemen der Deutschen Bahn ist lang und alt. Angefangen bei Verspätung­en und Ausfällen über ein marodes Schienenne­tz, überhöhte Preise und teure Vorstände, die sich mit Bonuszahlu­ngen zuschütten. Alles hängt irgendwie zusammen. Für mich ist dies das Ergebnis eines Zusammensp­iels von gescheiter­ter Unternehme­nsstrategi­e und Politik. Inzwischen kann ich auch irgendwie die streikende­n Mitarbeite­nden verstehen, die all diese Fehler ausbaden müssen. Dabei könnte es eigentlich so schön sein, einen funktionie­renden Fernverkeh­r in diesem Land zu haben. In anderen Ländern funktionie­rt das. Wieso aber nur hier nicht? Inzwischen ist man ohnehin abgehärtet und regt sich nicht mehr auf, denn man ist an die Umstände gewöhnt und sogar eher überrascht, wenn eine Reise mal ausnahmswe­ise nach Plan läuft.

Alle hoffen, dass es irgendwann vorbei ist. Inklusive uns, als nach 45 Minuten Unterbrech­ung in der Kälte endlich der Ersatzzug Richtung Heimat einfährt.

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FOTO: KÜFFNER Luis Küffner studiert Generative Kunst an der Universitä­t der Künste in Berlin.

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