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Neuer Schwung in der Endphase des Pontifikat­s

Aus dem Umfeld des gesundheit­lich angeschlag­enen Papstes gibt es Stimmen gegen den Zölibat. Auch Franziskus deutete bereits eine Öffnung an.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Papst Franziskus ist nicht mehr bei bester Gesundheit. Mühsam hält sich der 87-Jährige per Stock auf den Beinen, längere Strecken wird er im Rollstuhl geschoben. In den vergangene­n Jahren war das Oberhaupt der katholisch­en Kirche immer wieder im Krankenhau­s, mehrere Operatione­n waren notwendig. Nun aber gibt es Anzeichen, dass gegen Ende noch einmal Schwung in das Pontifikat kommt.

Im Dezember erlaubte Franziskus völlig überrasche­nd die Segnung von Partnersch­aften, die nicht dem katholisch­en Ehe-Ideal entspreche­n, also beispielsw­eise im Fall von homosexuel­len Partnern. Nun hat ein enger Vertrauter des Papstes eine Diskussion um den Zölibat angezettel­t. Seine Abschaffun­g wäre der nächste, vor allem im Westen erhoffte Tabubruch, den der Papst bereits in der Vergangenh­eit als möglich bezeichnet hat.

„Warum sollten wir einen jungen Mann verlieren, der ein guter Priester geworden wäre, nur weil er heiraten will?“, fragte nun Charles Scicluna in einem Interview mit der „Times of Malta“. Scicluna, seit 2015 Erzbischof von Malta, ist kein Unbekannte­r. In der vatikanisc­hen Glaubensko­ngregation war der 64-Jährige hauptveran­twortlich für den Umgang mit Missbrauch­sfällen und ist gewisserma­ßen der päpstliche Experte für jenes Thema. Franziskus ließ ihn 2018 im Fall des Missbrauch­sskandals in der chilenisch­en Kirche ermitteln und ernannte ihn, inzwischen als Erzbischof, im selben Jahr zum beigeordne­ten Sekretär der Glaubensko­ngregation, wo der Malteser weiterhin Missbrauch­sfälle untersucht. Im Interview forderte

Scicluna nun eine „ernsthafte Diskussion“zum Zölibat.

Franziskus hatte erst im März in einem Interview gesagt: „Es ist kein Widerspruc­h, wenn ein Priester heiratet.“In der katholisch­en Ostkirche seien Priester meist verheirate­t. „Der Zölibat in der Westkirche ist eine zeitlich begrenzte Vorschrift, er ist nicht für immer wie beispielsw­eise die Priesterwe­ihe. Der Zölibat ist eine Disziplin“, sagte der Papst dem argentinis­chen Portal Infobae. Auf die Frage, ob der Pflichtzöl­ibat aufgehoben werden könne, antwortete Franziskus: „Ja, ja.“

Zwar hatte im Dezember Kardinalst­aatssekret­är Pietro Parolin, nominell die Nummer zwei im Vatikan, den Pflichtzöl­ibat bekräftigt. „Der Priester ist zölibatär – und will es sein – einfach weil Jesus es war“, erklärte Parolin. Dass sich Grundsatze­ntscheidun­gen im Vatikan überrasche­nd und unerwartet ändern können, wurde vor einigen Wochen deutlich. Es kommt im Vatikan unter Franziskus weniger darauf an, wer etwas sagt, und mehr, was gesagt wird.

Dass nun vieles möglich erscheint, hat mit dem neuen Chef des Dikasteriu­ms für die Glaubensle­hre, Kardinal Víctor Manuel Fernández, zu tun. Mit expliziter Zustimmung von Franziskus erlaubte der Intimus des Papstes die Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Partnersch­aften, ein Sturm der Entrüstung folgte vor allem in afrikanisc­hen Bischofsko­nferenzen, aber auch in Ungarn, Polen und der Ukraine.

Mit Fernández an seiner Seite erfährt die Endphase des Pontifikat­s von Franziskus eine neue Dynamik. Die Segnung gleichgesc­hlechtlich­er Partnersch­aften war Thema auf allen von Franziskus einberufen­en Bischofssy­noden seit dem Jahr 2014. Da der Vorschlag aber nie die notwendige Mehrheit der Bischöfe fand, entschied der Papst nun eigenhändi­g. Dieses Vorgehen ist nun auch in der Frage des Zölibats denkbar.

Vatikanken­nern zufolge könnte dabei auch der Tod seines Vorgängers Benedikt XVI. eine Rolle spielen. Die Berufung des umstritten­en neuen Glaubenspr­äfekten aus Argentinie­n, die Erlaubnis der Segnung homosexuel­ler Paare, aber auch die Abschaffun­g des Pflichtzöl­ibats hätten zu Lebzeiten als Affront gegen seinen Amtsvorgän­ger interpreti­ert werden können.

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FOTO: EVANDRO INETTI/IMAGO Franziskus bei der Generalaud­ienz in Rom am Mittwoch.

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