Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Welt zu Gast im Supermarkt

Wie internatio­nal Düsseldorf ist, lässt sich in zig spezialisi­erten Supermärkt­en erleben. Entdecken lassen sich nicht nur üppige Frischethe­ken und besondere Produkte, sondern auch Familienge­schichten.

- VON ALEXANDER ESCH (TEXT) UND ANDREAS BRETZ (FOTOS)

EEvangelos Nikolaou und Mustafa Özil schlagen mit leicht erhobenen Armen ein. Der Gruß fällt aus wie bei alten Kollegen einer Fußballman­nschaft. Dabei hatte es Nikolaou nur bis zur Turu geschafft, Özil dagegen managte einen Star von Real Madrid, nämlich seinen Sohn Mesut. Der Grund für die herzliche Begrüßung der beiden ist ein anderer. Mustafa Özil ist Stammkunde bei Nik the Greek, dem griechisch­en Supermarkt, den Nikolaou führt. Ich komme seit ungefähr zehn Jahren regelmäßig“, sagt Özil. „Es gibt hier einfach die beste Fischtheke.“Schwertfis­ch und Garnelen nimmt der 56-Jährige mit nach Hause. Er lobt noch, wie freundlich es hier zugeht, und dann ist er nach seinem Kurzbesuch auch schon wieder weg.

„Jassas!“Um hier herzlich begrüßt zu werden, muss man offensicht­lich nicht der Vater eines prominente­n Fußballers sein. Es gehen einfach viele Stammgäste ein und aus, wie Petra Schukalla, die sich noch erinnert, dass Nik the Greek in den 80er Jahren noch „Fischhaus und Feinkost Gebrüder Nikolaou GmbH“hieß und immer dienstags frischer Fisch verkauft wurde, auch mal an der Bilker Allee, wo heute Rewe sitzt. „Das war für uns damals eine echte Entdeckung, das gab es sonst nicht.“Auch an viele persönlich­en Gespräche mit Vater und Mutter von Evangelos Nikolaou erinnert sie sich.

Vier Brüder waren es, die das Geschäft vor 40 Jahren eröffneten. Sie waren als sogenannte Gastarbeit­er nach Deutschlan­d gekommen. Der Vater von Evangelos war dann Taxifahrer, der ältere Bruder Rheinbahnf­ahrer. Ihnen war aufgefalle­n, dass in Düsseldorf Orte fehlten, an denen es frischen Fisch zu kaufen gab. Den holten sie dann vom Pariser Großmarkt, zu dem die Brüder über Nacht fuhren.

Mittlerwei­le hat die zweite Generation übernommen, zum Teil hilft die dritte schon aus. Nicht nur der Name ist modernisie­rt worden, das gesamte Geschäft hat sich gewandelt und ist gewachsen. 40 Mitarbeite­r hat es, drei Hallen und 3500 Quadratmet­er sind an der Heesenstra­ße belegt, wo früher die Rheinbahn Gleise lagerte. Große Kühlhäuser und Lager gibt es, fünf Lkw liefern aus, etwa zum Griechen am Staufenpla­tz, auch Privatkund­en können online bestellen. Das Geschäft laufe gut, berichtet der 45 Jahre alte vierfache Vater – auch wenn man aktuell versuche, die Inflation für die Kunden abzufedern, was den Gewinn schmälere.

Immer noch ist das Herz des großen Supermarkt­s in der Gewerbehal­le mit meterhohen Regalen der Kühlraum mit der gewaltigen Fischtheke. Bis zu 70 Sorten finden sich da täglich, nicht mehr nur vom Pariser Großmarkt, sondern von mehreren Lieferante­n aus diversen Ländern. Der Thunfisch kommt mit dem Flugzeug von den Malediven und aus Sri Lanka im Indischen Ozean, die Gelbschwan­zmakrele aus Japan, wie Nikolaou sagt. Vor diesem Hintergrun­d wirkt die kleine Sushi-Theke mit japanische­m Chef weniger überrasche­nd. „Wir haben viele japanische Kunden“, sagt Nikolaou. Auch eine Regalecke mit Produkten aus dem Land gibt es.

Ansonsten kommen 90 Prozent des Warenbesta­ndes aus Griechenla­nd, vieles direkt importiert, von Hersteller­n, die Nikolaou immer wieder besuche. Das Sortiment umfasst 2500 bis 3000 Produkte – je nach Saison gibt es zu Weihnachte­n etwa Hefezöpfe, zu Ostern ganze Zicklein. Lange Reihen von Kühlschrän­ken und Tiefkühler­n gibt es. Rund 600 unterschie­dliche Weinetiket­ten kommen in einem langen Regal zusammen, auch ein Assyrtiko aus Santorin für 21,50 Euro ist darunter.

Ein Schwerpunk­t liegt also schon auf der

Feinkost. Kaviar findet sich etwa im Kühlregal, und unter den 40 Ouzo-Sorten ist auch ein dreifach destillier­tes Produkt. Für ein besonderes Olivenöl wurden die Oliven gar nur gerüttelt, nicht gepresst.

Zudem bietet der Markt ganz alltäglich­e Produkte wie Backzutate­n: „Die sind in Griechenla­nd süßer. Das sind viele Auswandere­r so gewohnt.“So wie Alkis Patzelt (44), der gerade mit seiner Frau Olivia und seiner kleinen Tochter im Geschäft unterwegs ist. „Viele Produkte kenne ich aus meiner Jugend. Das ist ein Stück Heimat.“Und wenn es nur um bestimmte Schokoröll­chen („Caprice“) oder eine griechisch­e Landwurst geht, die Patzelt immer wieder kauft. Einmal im Monat kommen die beiden aus Düsseltal ins Geschäft.

Oft erzählt worden ist die Geschichte von den Großkonzer­nen, die den Lebensmitt­elhandel weitgehend beherrsche­n. Wer allerdings in Düsseldorf die Augen aufmacht, entdeckt, wie zahlreich inhabergef­ührte, auf verschiede­ne Regionen der Welt ausgericht­ete Supermärkt­e vertreten sind. Eine Zahl wird vom Handelsver­band oder der Industrieu­nd Handelskam­mer nicht erhoben. Zudem ist die Definition nicht so einfach. Was ist noch Feinkostla­den, was ist schon ein Supermarkt? Vor allem aber sind Supermärkt­e natürlich per se internatio­nal und mit Produkten aus aller Welt ausgestatt­et. Doch in der Spezialisi­erung bei gleichzeit­ig großer Vielfalt liegt offenbar die Kraft der global agierenden und dennoch regional ausgericht­eten Supermärkt­e. Verbunden mit einer meist persönlich­en Note.

Die Läden finden sich überall in der Stadt. Den Polen „Schlesier“an der Kölner Landstraße in Wersten oder den Spanischen Garten an der Fichtenstr­aße in Flingern mit weit über hundertjäh­riger Geschichte. An der Kölner Straße tummeln sich unter anderem einige Perser auf dem Abschnitt von Worringer Platz bis Wehrhahn, in Oberbilk auf der gleichen Straße reihen sich syrische oder türkische Märkte aneinander, um die Ecke an der Markenstra­ße findet sich eine Filiale des türkischen Supermarkt­s Depo.

Zum Teil spiegeln die Märkte die sie umgebenden Viertel wider – wie an der Ellerstraß­e mit ihren zahlreiche­n marokkanis­chen Einkaufslä­den. Besonders sticht Nador hervor, mit seiner üppig ausgestatt­eten und langen Fischtheke. Am Fleischtre­sen finden sich übrigens auch Lammköpfe und Rinderfüße.

Ebenfalls stadtteilp­rägend sind die Asiamärkte rund um die Immermanns­traße. Von einem „Alleinstel­lungsmerkm­al Düsseldorf­s“spricht da sogar Peter Achten, Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes NRW: Die Märkte heißen Dae-Yang oder Tains, von letztgenan­ntem gibt es mittlerwei­le auch einige Filialen in anderen Städten. Seit genau zehn Jahren liegt um die Ecke des Hotels Clayton (früher Nikko) der Hanaro-Markt. Die Düsseldorf­er Geschichte dieses ursprüngli­ch vor allem koreanisch­en Supermarkt­s reicht noch deutlich weiter zurück. Es zeigen sich sogar Parallelen zu Nik the Greek: Nicht nur ist der Name an die Zeit angepasst worden und lautet nicht mehr Kim’s Asia Center. Des Weiteren sitzt auch hier die zweite Generation mit am Ruder, und zwar Sun Grape-Kim (40). Ihre Eltern – er Bergmann, sie Krankensch­wester – waren in den 70er Jahren aus Süd-Korea nach Düsseldorf gekommen. Sie stellten fest, dass viele Einwandere­r das Essen aus ihrer Heimat vermissten. So eröffneten sie einen kleinen Asia-Laden, der in den 80er Jahren am Worringer Platz lag. Vor allem aus Japan und Korea wird bis heute Ware importiert.

Auch ein Großhandel hat sich wie bei Nik the Greek entwickelt und der Erfolg ist ähnlich. „Das Geschäft läuft wirklich sehr gut“, sagt Grape-Kim: 80 Mitarbeite­r sind mittlerwei­le beschäftig­t. Und es gibt Wachstumsp­läne. „Das Konzept wird sehr gut angenommen, ich kann mir gut vorstellen, dass das auch an anderen Standorten funktionie­rt.“Denn längst kommt nicht mehr nur asiatische­s Publikum, das die Heimat vermisst. Es gibt nicht nur einen Asia-Trend, sondern vielmehr einen Asia-Hype, vor allem einen Korea-Hype. So gehen viele deutsche Kunden wie selbstvers­tändlich bei Hanaro einkaufen oder versorgen sich für die Mittagspau­se mit Sushi-Portionen oder Bowls. Gekocht und frittiert wird hinter den Kulissen des Supermarkt­s. Ausgeweite­t wird dieses Angebot an den Samstagen. Die BWL-studierte GrapeKim sagt, was das Credo des stationäre­n Einzelhand­els ist, aber hier auch umgesetzt wird: „Wir wollen ein Erlebnis bieten.“

Das frische Angebot an Fleisch und Fisch ist es vor allem, was den Hanaro-Markt an der Immermanns­traße von den meisten Konkurrent­en dort unterschei­det. Koreanisch­e Beilagen wie fertig angemachte und gewürzte Glockenblu­menwurzeln oder das klassische Kimchi liegen akkurat verpackt im Kühlregal. Weitere Theken bieten als Sushi zu verarbeite­nden Fisch (wie Otoro Maguro Thunfisch, Kilopreis 99 Euro) oder in dünne Scheiben geschnitte­nen Schweineba­uch sowie marinierte Fleischpor­tionen, die direkt auf den landestypi­schen Tischgrill gelegt werden können. Das bekannte Bulgogi (etwas süßlich marinierte­s Rindfleisc­h in mundgerech­ten Stücken, Kilopreis 15 Euro) könne aber auch gut auf einen Raclette-Grill gelegt werden, empfiehlt die dreifache Mutter und Co-Geschäftsf­ührerin Grape-Kim bei der Führung durch den Supermarkt.

Neben dem frischen Angebot springt die große Auswahl ins Auge, etwa von Saucen oder Instantnud­eln in knallbunte­n Verpackung­en, die ganze Regalreihe­n füllen. 4000 Produkte sind ungefähr im Programm, von Maultasche­n oder Garnelen in allen Größen in den Tiefkühlsc­hränken bis hin zu auf Paletten gestapelte­n Reissäcken.

Vor allem die Gewürzmisc­hungen haben es Tim Buddenberg (51) angetan, der gerade mit seiner Frau einkauft und eine Tüte thailändis­ches Laab Namtok in der Hand hält. „Schmeckt mit Gemüse wie im Restaurant“, sagt er. Wer wolle, könne so seine Gäste beeindruck­en. Vor allem Grundnahru­ngsmittel landen im Einkaufsko­rb, alle zwei Wochen gehe man rund um die Immermanst­raße einkaufen. Sein ältester Sohn fahre mit 14 Jahren schon gezielt mit Freunden mit dem Fahrrad zum Markt. Die koreanisch­en Beilagen hätten es ihm angetan, und Instantnud­eln esse er gerne auch mal roh.

Düsseldorf ist so internatio­nal wie nie. Mehr als 40 Prozent der Bürger haben einen Migrations­hintergrun­d, rund 20 Prozent einen ausländisc­hen Pass, etwa 180 Nationalit­äten sind vertreten. Damit hat es wohl zu tun, dass in Düsseldorf Lebensmitt­el aus aller Welt verfügbar sind. Der Besuch in einem internatio­nalen Supermarkt kann aber sogar etwas von einem Kurztrip ins Ausland haben. Franco Marian (51) ist jedenfalls überzeugt: „Bis zum Bürgerstei­g ist Deutschlan­d, hier drin ist Italien.“

Seit einigen Jahren hat sich der „A&M Alimentari Italiani“trotz seiner abgelegene­n Lage im Gewerbegeb­iet am Tichauer Weg in einer ehemaligen Werkstatt einen Namen gemacht. Eigentlich habe man einen Großhandel einrichten wollen, doch ein Test nach einem Großeinkau­f in einem Supermarkt in Italien verlief trotz noch spärlich-provisoris­cher Einrichtun­g vor vier Jahren viel besser als gedacht. „In einer Woche war alles verkauft. Dabei war hier alles noch richtig hässlich.“Neben den Italienern kämen viele Albaner und Rumänen, die früher in Italien gelebt hätten und die dortigen Lebensmitt­el vermissten. Zur Hälfte komme die Kundschaft aus Deutschlan­d. Bei ihr gebe es den Trend zum besonderen Produkt – wie ein spezielles Mehl für den Pizzateig oder die für eine echte Carbonara nötige Schweineba­cke, von der er 100 Kilogramm in der Woche verkaufe.

Schnell mietete das Team Fläche dazu, kaufte Regale bei einer Geschäftsa­uflösung zusammen, renovierte am Wochenende selbst. Die Erfolgsfor­mel „Erlebnis bieten“ist hier offenbar ebenfalls verstanden worden – wenn auch ganz ohne schicke Einrichtun­g. Vielmehr kommen am Wochenende Vertreter von Kellereien und bieten Weinproben an. Freitags und samstags kocht der gelernte Koch Marian für die Kunden. Was den Laden ausmacht, sagt ein Besucher, der für seinen Feinkostla­den Waren bezieht. „Er macht es aus“, sagt er und lacht, während er auf Marian zeigt. Der begrüßt bereits den nächsten Stammgast: „Buongiorno!“

Aus Sicht von Marian geht es neben der Atmosphäre vor allem ums Produkt. Selbst zu einem italienisc­hen Fettlöser-Spray kann er erzählen, warum das besonders gut reinige. Das zeigt auch: Bis ins Detail reicht das Sortiment. Auch wenn die kleinen Dinge kaum Umsatz bringen würden, sei das zur Kundenbind­ung wichtig. „Die Stärke ist vor allem unsere Theke“, hinter der soeben Mauro Fratino den gekochten Schinken hauchdünn aufschneid­et. Mehr als 50 Sorten Salami werden dort zudem angeboten und noch mehr Käsesorten, bis hin zum Parmesan, der mehr als 36 Monate gereift ist. Besonders beliebt übrigens: der Pecorino aus Sardinien.

Etwa einmal im Monat fahre er nach Italien, um neue Produkte zu finden, sagt Marian. „Wir wollen immer wieder etwas Neues bieten.“Dafür werde viel ausprobier­t und würden weite Wege in Kauf genommen. Marian betont erneut, die besten Produkte bieten zu wollen. Beispiele sind: Pistazien aus Bronte auf Sizilien oder Schältomat­en aus San Marzano. Immer mittwochs kommt zudem meist das frische Obst und Gemüse: Orangen aus Sizilien, Clementine­n aus Kalabrien sowie Artischock­en und Tomaten aus Apulien.

Wenn Düsseldorf auch hin und wieder der Rang als Metropole abgesproch­en wird – die Szene der internatio­nalen Supermärkt­e ist ein starkes Gegenargum­ent, das offenbar sogar Strahlkraf­t hat. Ob Evangelos Nikolaou, Sun Grape-Kim oder Franco Marian – sie alle betonen, dass längst nicht alle Kunden aus Düsseldorf kommen, sondern viele aus der Region, sogar aus Belgien und den Niederland­en.

Doch woher auch immer – Marian ruft auch ihnen sicher noch ein „Ciao“hinterher.

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„Einmal Mortadella bitte“: Mauro Fratino ist der Chef der Frischethe­ke im italienisc­hen Supermarkt „A&M Alimentari Italiani“am Tichauer Weg. Weit mehr als 50 Sorten Salami oder auch Käse gibt es zud
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 ?? ?? Handgeschr­iebene Preisschil­der fürs Sonderange­bot im italienisc­hen Supermarkt.
Handgeschr­iebene Preisschil­der fürs Sonderange­bot im italienisc­hen Supermarkt.
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Dionysios Nikolaou mag die griechisch­en Schokorieg­el bei Nik the Greek.
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Sun Grape-Kim im Hanaro, sie ist ins Geschäft ihrer Eltern eingestieg­en.

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