Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Die Welt zu Gast im Supermarkt
Wie international Düsseldorf ist, lässt sich in zig spezialisierten Supermärkten erleben. Entdecken lassen sich nicht nur üppige Frischetheken und besondere Produkte, sondern auch Familiengeschichten.
EEvangelos Nikolaou und Mustafa Özil schlagen mit leicht erhobenen Armen ein. Der Gruß fällt aus wie bei alten Kollegen einer Fußballmannschaft. Dabei hatte es Nikolaou nur bis zur Turu geschafft, Özil dagegen managte einen Star von Real Madrid, nämlich seinen Sohn Mesut. Der Grund für die herzliche Begrüßung der beiden ist ein anderer. Mustafa Özil ist Stammkunde bei Nik the Greek, dem griechischen Supermarkt, den Nikolaou führt. Ich komme seit ungefähr zehn Jahren regelmäßig“, sagt Özil. „Es gibt hier einfach die beste Fischtheke.“Schwertfisch und Garnelen nimmt der 56-Jährige mit nach Hause. Er lobt noch, wie freundlich es hier zugeht, und dann ist er nach seinem Kurzbesuch auch schon wieder weg.
„Jassas!“Um hier herzlich begrüßt zu werden, muss man offensichtlich nicht der Vater eines prominenten Fußballers sein. Es gehen einfach viele Stammgäste ein und aus, wie Petra Schukalla, die sich noch erinnert, dass Nik the Greek in den 80er Jahren noch „Fischhaus und Feinkost Gebrüder Nikolaou GmbH“hieß und immer dienstags frischer Fisch verkauft wurde, auch mal an der Bilker Allee, wo heute Rewe sitzt. „Das war für uns damals eine echte Entdeckung, das gab es sonst nicht.“Auch an viele persönlichen Gespräche mit Vater und Mutter von Evangelos Nikolaou erinnert sie sich.
Vier Brüder waren es, die das Geschäft vor 40 Jahren eröffneten. Sie waren als sogenannte Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Der Vater von Evangelos war dann Taxifahrer, der ältere Bruder Rheinbahnfahrer. Ihnen war aufgefallen, dass in Düsseldorf Orte fehlten, an denen es frischen Fisch zu kaufen gab. Den holten sie dann vom Pariser Großmarkt, zu dem die Brüder über Nacht fuhren.
Mittlerweile hat die zweite Generation übernommen, zum Teil hilft die dritte schon aus. Nicht nur der Name ist modernisiert worden, das gesamte Geschäft hat sich gewandelt und ist gewachsen. 40 Mitarbeiter hat es, drei Hallen und 3500 Quadratmeter sind an der Heesenstraße belegt, wo früher die Rheinbahn Gleise lagerte. Große Kühlhäuser und Lager gibt es, fünf Lkw liefern aus, etwa zum Griechen am Staufenplatz, auch Privatkunden können online bestellen. Das Geschäft laufe gut, berichtet der 45 Jahre alte vierfache Vater – auch wenn man aktuell versuche, die Inflation für die Kunden abzufedern, was den Gewinn schmälere.
Immer noch ist das Herz des großen Supermarkts in der Gewerbehalle mit meterhohen Regalen der Kühlraum mit der gewaltigen Fischtheke. Bis zu 70 Sorten finden sich da täglich, nicht mehr nur vom Pariser Großmarkt, sondern von mehreren Lieferanten aus diversen Ländern. Der Thunfisch kommt mit dem Flugzeug von den Malediven und aus Sri Lanka im Indischen Ozean, die Gelbschwanzmakrele aus Japan, wie Nikolaou sagt. Vor diesem Hintergrund wirkt die kleine Sushi-Theke mit japanischem Chef weniger überraschend. „Wir haben viele japanische Kunden“, sagt Nikolaou. Auch eine Regalecke mit Produkten aus dem Land gibt es.
Ansonsten kommen 90 Prozent des Warenbestandes aus Griechenland, vieles direkt importiert, von Herstellern, die Nikolaou immer wieder besuche. Das Sortiment umfasst 2500 bis 3000 Produkte – je nach Saison gibt es zu Weihnachten etwa Hefezöpfe, zu Ostern ganze Zicklein. Lange Reihen von Kühlschränken und Tiefkühlern gibt es. Rund 600 unterschiedliche Weinetiketten kommen in einem langen Regal zusammen, auch ein Assyrtiko aus Santorin für 21,50 Euro ist darunter.
Ein Schwerpunkt liegt also schon auf der
Feinkost. Kaviar findet sich etwa im Kühlregal, und unter den 40 Ouzo-Sorten ist auch ein dreifach destilliertes Produkt. Für ein besonderes Olivenöl wurden die Oliven gar nur gerüttelt, nicht gepresst.
Zudem bietet der Markt ganz alltägliche Produkte wie Backzutaten: „Die sind in Griechenland süßer. Das sind viele Auswanderer so gewohnt.“So wie Alkis Patzelt (44), der gerade mit seiner Frau Olivia und seiner kleinen Tochter im Geschäft unterwegs ist. „Viele Produkte kenne ich aus meiner Jugend. Das ist ein Stück Heimat.“Und wenn es nur um bestimmte Schokoröllchen („Caprice“) oder eine griechische Landwurst geht, die Patzelt immer wieder kauft. Einmal im Monat kommen die beiden aus Düsseltal ins Geschäft.
Oft erzählt worden ist die Geschichte von den Großkonzernen, die den Lebensmittelhandel weitgehend beherrschen. Wer allerdings in Düsseldorf die Augen aufmacht, entdeckt, wie zahlreich inhabergeführte, auf verschiedene Regionen der Welt ausgerichtete Supermärkte vertreten sind. Eine Zahl wird vom Handelsverband oder der Industrieund Handelskammer nicht erhoben. Zudem ist die Definition nicht so einfach. Was ist noch Feinkostladen, was ist schon ein Supermarkt? Vor allem aber sind Supermärkte natürlich per se international und mit Produkten aus aller Welt ausgestattet. Doch in der Spezialisierung bei gleichzeitig großer Vielfalt liegt offenbar die Kraft der global agierenden und dennoch regional ausgerichteten Supermärkte. Verbunden mit einer meist persönlichen Note.
Die Läden finden sich überall in der Stadt. Den Polen „Schlesier“an der Kölner Landstraße in Wersten oder den Spanischen Garten an der Fichtenstraße in Flingern mit weit über hundertjähriger Geschichte. An der Kölner Straße tummeln sich unter anderem einige Perser auf dem Abschnitt von Worringer Platz bis Wehrhahn, in Oberbilk auf der gleichen Straße reihen sich syrische oder türkische Märkte aneinander, um die Ecke an der Markenstraße findet sich eine Filiale des türkischen Supermarkts Depo.
Zum Teil spiegeln die Märkte die sie umgebenden Viertel wider – wie an der Ellerstraße mit ihren zahlreichen marokkanischen Einkaufsläden. Besonders sticht Nador hervor, mit seiner üppig ausgestatteten und langen Fischtheke. Am Fleischtresen finden sich übrigens auch Lammköpfe und Rinderfüße.
Ebenfalls stadtteilprägend sind die Asiamärkte rund um die Immermannstraße. Von einem „Alleinstellungsmerkmal Düsseldorfs“spricht da sogar Peter Achten, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes NRW: Die Märkte heißen Dae-Yang oder Tains, von letztgenanntem gibt es mittlerweile auch einige Filialen in anderen Städten. Seit genau zehn Jahren liegt um die Ecke des Hotels Clayton (früher Nikko) der Hanaro-Markt. Die Düsseldorfer Geschichte dieses ursprünglich vor allem koreanischen Supermarkts reicht noch deutlich weiter zurück. Es zeigen sich sogar Parallelen zu Nik the Greek: Nicht nur ist der Name an die Zeit angepasst worden und lautet nicht mehr Kim’s Asia Center. Des Weiteren sitzt auch hier die zweite Generation mit am Ruder, und zwar Sun Grape-Kim (40). Ihre Eltern – er Bergmann, sie Krankenschwester – waren in den 70er Jahren aus Süd-Korea nach Düsseldorf gekommen. Sie stellten fest, dass viele Einwanderer das Essen aus ihrer Heimat vermissten. So eröffneten sie einen kleinen Asia-Laden, der in den 80er Jahren am Worringer Platz lag. Vor allem aus Japan und Korea wird bis heute Ware importiert.
Auch ein Großhandel hat sich wie bei Nik the Greek entwickelt und der Erfolg ist ähnlich. „Das Geschäft läuft wirklich sehr gut“, sagt Grape-Kim: 80 Mitarbeiter sind mittlerweile beschäftigt. Und es gibt Wachstumspläne. „Das Konzept wird sehr gut angenommen, ich kann mir gut vorstellen, dass das auch an anderen Standorten funktioniert.“Denn längst kommt nicht mehr nur asiatisches Publikum, das die Heimat vermisst. Es gibt nicht nur einen Asia-Trend, sondern vielmehr einen Asia-Hype, vor allem einen Korea-Hype. So gehen viele deutsche Kunden wie selbstverständlich bei Hanaro einkaufen oder versorgen sich für die Mittagspause mit Sushi-Portionen oder Bowls. Gekocht und frittiert wird hinter den Kulissen des Supermarkts. Ausgeweitet wird dieses Angebot an den Samstagen. Die BWL-studierte GrapeKim sagt, was das Credo des stationären Einzelhandels ist, aber hier auch umgesetzt wird: „Wir wollen ein Erlebnis bieten.“
Das frische Angebot an Fleisch und Fisch ist es vor allem, was den Hanaro-Markt an der Immermannstraße von den meisten Konkurrenten dort unterscheidet. Koreanische Beilagen wie fertig angemachte und gewürzte Glockenblumenwurzeln oder das klassische Kimchi liegen akkurat verpackt im Kühlregal. Weitere Theken bieten als Sushi zu verarbeitenden Fisch (wie Otoro Maguro Thunfisch, Kilopreis 99 Euro) oder in dünne Scheiben geschnittenen Schweinebauch sowie marinierte Fleischportionen, die direkt auf den landestypischen Tischgrill gelegt werden können. Das bekannte Bulgogi (etwas süßlich mariniertes Rindfleisch in mundgerechten Stücken, Kilopreis 15 Euro) könne aber auch gut auf einen Raclette-Grill gelegt werden, empfiehlt die dreifache Mutter und Co-Geschäftsführerin Grape-Kim bei der Führung durch den Supermarkt.
Neben dem frischen Angebot springt die große Auswahl ins Auge, etwa von Saucen oder Instantnudeln in knallbunten Verpackungen, die ganze Regalreihen füllen. 4000 Produkte sind ungefähr im Programm, von Maultaschen oder Garnelen in allen Größen in den Tiefkühlschränken bis hin zu auf Paletten gestapelten Reissäcken.
Vor allem die Gewürzmischungen haben es Tim Buddenberg (51) angetan, der gerade mit seiner Frau einkauft und eine Tüte thailändisches Laab Namtok in der Hand hält. „Schmeckt mit Gemüse wie im Restaurant“, sagt er. Wer wolle, könne so seine Gäste beeindrucken. Vor allem Grundnahrungsmittel landen im Einkaufskorb, alle zwei Wochen gehe man rund um die Immermanstraße einkaufen. Sein ältester Sohn fahre mit 14 Jahren schon gezielt mit Freunden mit dem Fahrrad zum Markt. Die koreanischen Beilagen hätten es ihm angetan, und Instantnudeln esse er gerne auch mal roh.
Düsseldorf ist so international wie nie. Mehr als 40 Prozent der Bürger haben einen Migrationshintergrund, rund 20 Prozent einen ausländischen Pass, etwa 180 Nationalitäten sind vertreten. Damit hat es wohl zu tun, dass in Düsseldorf Lebensmittel aus aller Welt verfügbar sind. Der Besuch in einem internationalen Supermarkt kann aber sogar etwas von einem Kurztrip ins Ausland haben. Franco Marian (51) ist jedenfalls überzeugt: „Bis zum Bürgersteig ist Deutschland, hier drin ist Italien.“
Seit einigen Jahren hat sich der „A&M Alimentari Italiani“trotz seiner abgelegenen Lage im Gewerbegebiet am Tichauer Weg in einer ehemaligen Werkstatt einen Namen gemacht. Eigentlich habe man einen Großhandel einrichten wollen, doch ein Test nach einem Großeinkauf in einem Supermarkt in Italien verlief trotz noch spärlich-provisorischer Einrichtung vor vier Jahren viel besser als gedacht. „In einer Woche war alles verkauft. Dabei war hier alles noch richtig hässlich.“Neben den Italienern kämen viele Albaner und Rumänen, die früher in Italien gelebt hätten und die dortigen Lebensmittel vermissten. Zur Hälfte komme die Kundschaft aus Deutschland. Bei ihr gebe es den Trend zum besonderen Produkt – wie ein spezielles Mehl für den Pizzateig oder die für eine echte Carbonara nötige Schweinebacke, von der er 100 Kilogramm in der Woche verkaufe.
Schnell mietete das Team Fläche dazu, kaufte Regale bei einer Geschäftsauflösung zusammen, renovierte am Wochenende selbst. Die Erfolgsformel „Erlebnis bieten“ist hier offenbar ebenfalls verstanden worden – wenn auch ganz ohne schicke Einrichtung. Vielmehr kommen am Wochenende Vertreter von Kellereien und bieten Weinproben an. Freitags und samstags kocht der gelernte Koch Marian für die Kunden. Was den Laden ausmacht, sagt ein Besucher, der für seinen Feinkostladen Waren bezieht. „Er macht es aus“, sagt er und lacht, während er auf Marian zeigt. Der begrüßt bereits den nächsten Stammgast: „Buongiorno!“
Aus Sicht von Marian geht es neben der Atmosphäre vor allem ums Produkt. Selbst zu einem italienischen Fettlöser-Spray kann er erzählen, warum das besonders gut reinige. Das zeigt auch: Bis ins Detail reicht das Sortiment. Auch wenn die kleinen Dinge kaum Umsatz bringen würden, sei das zur Kundenbindung wichtig. „Die Stärke ist vor allem unsere Theke“, hinter der soeben Mauro Fratino den gekochten Schinken hauchdünn aufschneidet. Mehr als 50 Sorten Salami werden dort zudem angeboten und noch mehr Käsesorten, bis hin zum Parmesan, der mehr als 36 Monate gereift ist. Besonders beliebt übrigens: der Pecorino aus Sardinien.
Etwa einmal im Monat fahre er nach Italien, um neue Produkte zu finden, sagt Marian. „Wir wollen immer wieder etwas Neues bieten.“Dafür werde viel ausprobiert und würden weite Wege in Kauf genommen. Marian betont erneut, die besten Produkte bieten zu wollen. Beispiele sind: Pistazien aus Bronte auf Sizilien oder Schältomaten aus San Marzano. Immer mittwochs kommt zudem meist das frische Obst und Gemüse: Orangen aus Sizilien, Clementinen aus Kalabrien sowie Artischocken und Tomaten aus Apulien.
Wenn Düsseldorf auch hin und wieder der Rang als Metropole abgesprochen wird – die Szene der internationalen Supermärkte ist ein starkes Gegenargument, das offenbar sogar Strahlkraft hat. Ob Evangelos Nikolaou, Sun Grape-Kim oder Franco Marian – sie alle betonen, dass längst nicht alle Kunden aus Düsseldorf kommen, sondern viele aus der Region, sogar aus Belgien und den Niederlanden.
Doch woher auch immer – Marian ruft auch ihnen sicher noch ein „Ciao“hinterher.