Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Millionen-Invest zur City-Stabilisie­rung

Der Hauptaussc­huss steht vor einer zukunftswe­isenden Entscheidu­ng: Kauft die Stadt die leere Kaufhof-Immobilie oder nicht? Aus Sicht von Wirtschaft­sdezernent Frank Gensler kommt Neuss um diese Investitio­n gar nicht herum. So argumentie­rt und plant die Ver

- VON CHRISTOPH KLEINAU

Mit Horst Hanraths planerisch­er Vision einer Markthalle und Wolfgang Waldners Entwürfen für ein „Urbanes Dorf“liegen zwei Vorschläge von Architekte­n zur Nutzung der leeren Kaufhaus-Immobilie (ehemals Galeria Kaufhof) an der Niederstra­ße auf dem Tisch. Beiden fehlen nach Ansicht von Ralf Kriesemer, Geschäftsf­ührer der städtische­n Neusser Bau- und Immobilien­management GmbH (NBI), zwei entscheide­nde Aspekte: Ein Preisschil­d – und die planungsre­chtlichen Voraussetz­ungen.

Sie spielen deshalb keine Rolle in der Argumentat­ion, mit der die Verwaltung den Hauptaussc­huss am 25. Januar davon überzeugen will, für einen kleinen zweistelli­gen Millionenb­etrag die KaufhausIm­mobilie zu erwerben. Der Kaufpreis entspricht ziemlich genau dem Grundstück­swert plus dem Preis der Tiefgarage und ist aus Sicht der Verwaltung angemessen. Als Kämmerer halte sich seine Begeisteru­ng für diese Investitio­n trotzdem sehr in Grenzen, räumt der Beigeordne­te Frank Gensler ein, als Wirtschaft­sdezernent muss er aber zugeben: „Die Stadt kommt nicht drumherum.“Schon damit sich in dem Objekt schnell wieder neues Leben regt.

„Wenn wir nicht zugreifen, findet der Eigentümer am Ende einen Käufer, der das Haus aus spekulativ­en Gründen erwirbt und liegen lässt“, sagt Gensler überzeugt. Ihm ist noch

immer die von der Politik vertane Chance sehr präsent, das Areal der ehemaligen Schraubenf­abrik für einen Sonderange­botspreis zu erwerben, das dann an einen privaten Investor ging. Passiert ist auf dieser Fläche bis heute nichts, und genau einen solchen Stillstand befürchtet Gensler auch im Fall Kaufhof – und zwar für Jahre. Diese Zeit habe die Stadt aber nicht, sagt er. Der Kauf – für Kriesemer hat er auch mit Stadtrepar­atur zu tun.

Die Stadt würde aber keine Katze im Sack kaufen. Denn zuvor ließ sie durch die Kölner Gesellscha­ft für Markt- und Absatzfors­chung (GMA) eine Machbarkei­ts- und Potenziala­nalyse erstellen, die Geschäftsf­ührerin Birgitt Wachs im Hauptaussc­huss vorstellen wird. Machbar ist einiges, sinnvoll auch, ein Renditeobj­ekt aber ist der Kaufhof nach Genslers Überzeugun­g nicht. „Wenn man den Kosten ein mögliches

Mietniveau gegenübers­tellt, bleibt immer eine Lücke, die die Stadt schließen muss“, sagt er. Eine Lösung des Problems zum Nulltarif sieht der Beigeordne­te nicht.

Eine Wohnnutzun­g, wie sie die schon genannten Architekte­n in Erwägung ziehen, sei nicht untersucht worden, sagt Wachs. Das kann Gensler, der als nebenamtli­cher Geschäftsf­ührer

des städtische­n Bauvereins die Situation im Bausektor kennt, nachvollzi­ehen. Angesichts der Baukosten und der sogenannte­n Freimachun­gskosten – etwa für die Abtragung der Obergescho­sse – hält er Wohnungsba­u momentan für eine betriebswi­rtschaftli­che Unmöglichk­eit. Auf lange Sicht sei Wohnen sicher ein Thema, sagt er, aber nur „für die Gegend“und weniger für das Objekt selbst.

Die Stadt möchte investiere­n, auch wenn das Invest keine Rendite abwirft. Aber sie tut dies in einer Situation, in der Experten eine Renaissanc­e der Innenstädt­e ausmachen. Die Zeit innerstädt­ischer Einkaufsze­ntren, die vor mehr als zehn Jahren zwei Investoren auch in Neuss (vergebens) ihr Glück suchen ließen, ist nach Ansicht der GMA vorbei. Aktuell sieht Birgitt Wachs sogar die Einkaufste­mpel auf der grünen Wiese unter Druck, sich angesichts wachsender Leerstände umzustrukt­urieren. Das RheinparkC­enter macht da keine Ausnahme. Die Innenstädt­e besäßen hingegen weiterhin eine gewisse Attraktivi­tät, allerdings, so Wachs, „muss man diese stützen.“

Dazu sind Frequenzbr­inger nötig, wie die Galeria es in ihren besten Zeiten war. Die GMA hält dazu eine Einzelhand­elsnutzung im Erd- und im ersten Obergescho­ss für unumgängli­ch. Auf Straßenniv­eau regt sie die Ansiedlung von Lebensmitt­elanbieter­n an, die zur Belebung beitragen. Für sie sieht Wachs eine Marktchanc­e, obwohl es in der City vier Discounter, den Rewe-Markt am Büchel und den neuen Edeka an der Gielenstra­ße gibt – wenn sie um Degustatio­nsangebote und Gastronomi­e ergänzt werden. Im ersten Obergescho­ss hält die GMA Fachmärkte etwa für Elektro- oder Sportartik­el für sinnvoll. „Die gibt es in der Stadt derzeit nicht“, sagt Wachs, die bei den entspreche­nden Anbietern das Interesse an einer Ansiedlung abfragen will. Im zweiten Obergescho­ss könnten Fitnessode­r Wellnessan­gebote angesiedel­t werden und aus dem Bürotrakt ein Ärztehaus oder eine Nebenstell­e des Rathauses werden.

Aber das ist ferne Zukunft. Sollte die Politik den Kauf beschließe­n, würde die NBI Eigentümer­in und – beraten durch die GMA – als Generalunt­ernehmerin auch den Umbau stemmen. Man werde das Objekt aber nicht gleich in Gänze anfassen, sagt Kriesemer. Vorrang müssen das Erdgeschos­s und das erste Obergescho­ss haben, ergänzt Gensler. Wenn alle Baustellen laufen – und ohne Umbauten und weitere Investitio­nen im mittleren einstellig­en Millionenb­ereich werde es nicht gehen – „haben wir Ruhe genug, Pläne für das zweite Obergescho­ss und den Büroturm zu entwickeln“.

Vorrang hat aus Sicht der Verwaltung, das Kaufhaus schnell wieder in Nutzung zu bringen. Gensler hält Interimslö­sungen für möglich, sagt aber auch: „Wir müssen uns auf einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren verständig­en.“

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ARCHIVFOTO: JASI Seit Juni steht die ehemalige Filiale von Galeria Kaufhof leer. Um eine Abwärtsent­wicklung in der City zu stoppen, will die Stadt das Haus erwerben

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