Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein Hund, der in die Seele schaut und Freude spendet

Rauhaardac­kel Bilbo besucht Seniorenhe­ime und muntert die Menschen dort auf. Die Resonanz ist groß. Deshalb sucht Elke Platen-Büchle weitere tierische Mitstreite­r.

- VON SUSANNE GENATH

Wenn Bilbo einen Raum betritt, geht den meisten Menschen darin ein Herz auf. „Er geht jeden ab und weiß genau, was der- oder diejenige in diesem Moment braucht“, sagt Frauchen Elke Platen-Büchle. „Bilbo ist ein ganz besonderer Hund.“Aus diesem Grund ist die 67-jährige Meerbusche­rin mit dem Rauhaardac­kel als „Seelenhund“unterwegs, unter anderem im Büdericher Johanniter-Stift.

„Als Bilbo die erste Patientin in ihrem Zimmer besucht hat, hat sie ihn angeschaut und gesagt: ,Er guckt mir in die Seele.‘“So sei es zur Bezeichnun­g des vierjährig­en Tieres gekommen. Eine spezielle Ausbildung dafür habe der Vierbeiner nicht genossen. Er habe aber die „erschwerte Begleithun­deprüfung“abgelegt.

Die Wirkung von Bilbo sei bemerkensw­ert. „Einmal hatte ein Bewohner nur geschimpft und war traurig“, erzählt Platen-Büchle. „Dann kam Bilbo zu ihm, und der Mann war friedlich.“

Der Dackel sei den Umgang mit Menschen in Ausnahmesi­tuationen von klein auf gewohnt. „Ich habe ihn mit drei Monaten bekommen, und er hat mich sofort bei der Arbeit begleitet.“Die Meerbusche­rin ist seit 15 Jahren selbststän­dig und als

„Schwester Elke“in der Betreuung von Senioren sowie als Palliativs­chwester tätig. „Bilbo ist durch mich darin geprägt, Sterbende zu begleiten“, sagt sie. Rund 100 Menschen seien es in den vergangene­n Jahren gewesen.

Die 67-Jährige ist Fachschwes­ter für Anästhesie und Intensivme­dizin, erzählt sie, und habe auch eine Ausbildung in Palliativc­are. Lange Zeit habe sie im Marienhosp­ital in Düsseldorf gearbeitet. „Auf der Intensivst­ation habe ich darum gekämpft, dass die Menschen überleben. Jetzt kann ich sie gehen lassen.“Anders als man denke, sei dies ganz und gar nicht traurig. „Die Menschen wissen ja, dass sie sterben werden. Man kann darüber reden und zerbricht nicht in Schmerz.“

Vielmehr gehe es nun darum, die verbleiben­de Lebenszeit so schön wie möglich zu gestalten. „Der eine möchte noch mal ein Brötchen mit richtig dick Butter und Fleischwur­st“, berichtet Elke Platen-Büchle. „Der andere möchte noch mal Bilbo beim Tollen im Garten zuschauen. Und für eine Dame war es das größte, wenn ich ihr jeden Tag eine halbe Stunde lang die Füße massiert habe.“

Bilbo sei mit dabei, sofern die Patienten nichts anderes wünschten. Im Büdericher Johanniter-Stift seien mehr als 80 Prozent der Bewohner über den Besuch des Vierbeiner­s erfreut. Einmal die Woche komme er – nunmehr seit anderthalb Jahren zur Kaffeezeit in die Gemeinscha­ftsküche. „Er wird dort sofort begrüßt mit: ,Ach guck mal, da ist der Bilbo!‘“, erzählt die Meerbusche­rin. Dann lasse er sich streicheln oder auf den Schoß nehmen. Nach ein bis zwei Stunden gehe es wieder heim. „Der Hund gibt mir selbst das Signal,

wann er nach Hause muss“, berichtet Platen-Büchle. „Dort legt er sich in eine Ecke und schläft erst mal. Denn die Besuche sind sehr anstrengen­d für ihn.“

Dasselbe gelte für seine Einsätze als „Lesehund“in der Adam-Riese-Schule. Dort höre er Kindern zu und mache ihnen Mut, zu lesen. Mit Erfolg. „Ein achtjährig­er Junge zum Beispiel hat nicht vor der Klasse vorgelesen“, erzählt die 67-Jährige. Drei Monate lang habe er einmal die Woche für 20 Minuten Bilbo vorgelesen und dann gesagt: „Jetzt kann ich auch vor anderen lesen.“

Das Geheimnis hinter den Einzelstun­den: Das Tier höre geduldig zu. „Wir Begleiter dürfen in dieser Zeit nichts sagen und keine Kritik am Lesen äußern. Höchstens ist mal die Bemerkung erlaubt: ,Das hat Bilbo nicht verstanden.‘“Der Bedarf sei groß. „Viele Kinder können nicht lesen, weil sie zu Hause nicht richtig angeleitet werden. Sie sagen mir: ,Meine Mama und mein Papa lesen nicht mit mir‘“, berichtet Platen-Büchle. Manches Kind sehe auch keine Notwendigk­eit dazu. „Ein Mädchen hat mir erzählt, es werde Tänzerin und als solche viel Geld verdienen.“

Wegen der großen Resonanz sucht die Meerbusche­rin nun weitere tierische Mitstreite­r für den Einsatz in Seniorenhe­imen.

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Frauchen Elke Platen-Büchle mit Dackel Bilbo bei einer Bewohnerin Foto: Anne Orthen

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