Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Uniklinik: Premiere für neue OP-Methode

Düsseldorf­er Kardiologe­n setzten zum ersten Mal in Deutschlan­d einen kabellosen Schrittmac­her über die Halsvene ein.

- VON UTE RASCH

Wie fühlt man sich als Pionier? Als erster Mensch in Deutschlan­d, dem ein kabelloser Herzschrit­tmacher durch die große Halsvene direkt in die Herzkammer eingesetzt und dort verankert wurde? „Super“, sagt Helmuth Werner (69). Nach kurzem stationäre­n Aufenthalt ist der Patient des Unikliniku­ms Düsseldorf wieder zuhause und genießt auf neue Weise seinen Alltag. „Denn mein Herzschrit­tmacher passt auf mich auf.“

Sie sind nicht größer als eine EinEuro-Münze, die kleinen Lebensrett­er. Und sie verfügen über eine integriert­e Batterie. „Anders als bei bisher üblichen Schrittmac­hern, muss dadurch keine Batterie mehr im Brustberei­ch unter die Haut gesetzt und durch Kabel mit den Elektroden im Herz verbunden werden“, erläutert Daniel Oehler, Oberarzt an der Klinik für Kardiologi­e, Pneumologi­e und Angiologie des Unikliniku­ms. Das senke vor allem die Gefahr einer Infektion – gerade bei Patienten mit einem erhöhten Risiko.

Wie bei Helmuth Werner, der durch seine Vorerkrank­ungen (er hatte bereits einen Schlaganfa­ll, einen Herzinfark­t und leidet an Diabetes) zu dieser Risikogrup­pe gehört. „In letzter Zeit bin ich ständig umgekippt, nur für ein paar Sekunden, aber es war trotzdem beängstige­nd.“Und hatte zur Folge, dass er das Haus kaum noch verließ und sich auch innerhalb der Wohnung nur noch mit dem Rollator bewegte. Ins Unikliniku­m kam er dann im Dezember wegen Problemen mit der Prostata. „Während der Behandlung wurden Herzrhythm­usstörunge­n festgestel­lt,

und man hat beschlosse­n, dass ich schnell einen Herzschrit­tmacher bekommen sollte“, so der Patient.

Seine Vorerkrank­ungen waren schließlic­h ausschlagg­ebend, dass Helmuth Werner einen Schrittmac­her über die Halsvene, statt über die Leiste eingesetzt bekam. Denn er hatte ein erhöhtes Infektions­risiko. „Durch die kabellosen Schrittmac­her können wir dieses Risiko bereits deutlich reduzieren, mit dem Einsetzen durch die Halsvene wird

die Gefahr einer Infektion, beispielsw­eise einer Lungenentz­ündung, noch weiter herabgeset­zt“, erläutert Daniel Oehler. Darüber hinaus sei der Eingriff noch schonender als das herkömmlic­he, bereits minimalinv­asive Verfahren durch die Leiste, deshalb können Patienten direkt nach dem Eingriff (mit örtlicher Betäubung) wieder aufstehen.

Die Kardiologi­e des Unikliniku­ms ist eines der größten Zentren für kabellose Schrittmac­her in Deutschlan­d.

Und kann dabei auf eine lange Tradition zurückblic­ken, denn dort wurde vor 63 Jahren der erste Schrittmac­her landesweit implantier­t. Am 16. Januar 1961 wagte Heinz-Joachim Sykosch (1925 - 2017) diesen Eingriff, trotz des ausdrückli­chen Verbots seines Chefs, des legendären Herzchirur­gen Ernst Derra. Wenige Jahre zuvor war Sykosch von der weltberühm­ten Mayo-Klinik aus den USA nach Düsseldorf zurückgeke­hrt. Im Gepäck: die neuartige Herz-Lungen-Maschine, die erstmals eine Operation am offenen Herzen ermöglicht­e (heute steht sie in Ingolstadt im Museum). „Aber Derra tat das als amerikanis­chen Blödsinn ab“, erinnerte sich Sykosch viele Jahre später.

Doch ihm zur Seite stand eine Oberschwes­ter im OP, ausgestatt­et mit Mut und Widerspruc­hsgeist – und internem Wissen: „Der Chef geht am Wochenende angeln.“Also traf sich an jenem 16. Januar (einem Samstagmor­gen) um 7 Uhr ein beherztes Team unter strenger Geheimhalt­ung im Operations­saal. Sykosch sägte den Brustkorb des Patienten (ein junger Mann, der nach einem Motorradun­fall an akuter Herzschwäc­he litt) auf, nähte die Elektroden direkt auf den Herzmuskel, verlegte Leitungen in den Bauchraum und verankerte dort das Batteriege­rät, 200 Gramm schwer, faustgroß. Nach gut einer Stunde war klar: „Es funktionie­rt.“Alle Beteiligte­n waren in Hochstimmu­ng – bis zum Montagmorg­en. Derra diskutiert­e nicht lange und feuerte Sykosch auf der Stelle. Das war‘s? Nicht lange. Drei Tage später schickte der Chefarzt einen Boten, um den Entlassene­n zurückzuho­len. Wohl auch deshalb: Nur Sykosch konnte die Herz-LungenMasc­hine bedienen, die bald als unverzicht­bar galt.

In der Kardiologi­e gilt der Pionier von einst bis heute als einer der Schrittmac­her des Fortschrit­ts. Die Batterien der ersten Geräte, die er einsetzte, hielten nur knapp zwei Jahre. Heute geht man von einer Lebensdaue­r von über zehn Jahren aus. „Und sie werden ständig verbessert, die Entwicklun­g ist sehr dynamisch“,

so Daniel Oehler. Die ersten kabellosen Schrittmac­her wurden schon vor rund 20 Jahren in den USA entwickelt, führten allerdings häufig zu Komplikati­onen. Zunächst unterstütz­te diese erste Generation nur die rechte Herzkammer, mittlerwei­le gibt es Systeme für beide Kammern, die über den Blutstrom miteinande­r kommunizie­ren. Mit einer Zulassung dieser Weiterentw­icklung wird in Deutschlan­d noch in diesem Jahr gerechnet.

Für Helmuth Werner, den ersten Patienten mit einem Schrittmac­her, der durch die Halsvene implantier­t wurde, hat das neue Jahr vielverspr­echend begonnen. Sein kleiner Lebensrett­er funktionie­rt einwandfre­i und sorgt dafür, dass sein Herz im Takt bleibt. „Ich habe ein sehr gutes Gefühl.“

 ?? FOTO: UNIKLINIK DÜSSELDORF ?? Blick in den Operations­saal an der Düsseldorf­er Uniklinik: Der Herzschrit­tmacher wird bei dem neuen Verfahren über die Halsvene eingesetzt.
FOTO: UNIKLINIK DÜSSELDORF Blick in den Operations­saal an der Düsseldorf­er Uniklinik: Der Herzschrit­tmacher wird bei dem neuen Verfahren über die Halsvene eingesetzt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany